Ludwigshafen. Sie sind stumme Zeugen einer vergangenen Zeit. Große Betonklötze mit meterdicken Mauern. Düstere Tunnelsysteme unter der Erdoberfläche. Zu Hunderten, gar zu Tausenden harrten die Menschen im Zweiten Weltkrieg in ihnen aus, während draußen die Bomben der Alliierten niedergingen. Sie waren Lebensretter, die heute eher bedrohlich wirken als schützend. Die ein stilles Dasein fristen, und für die Öffentlichkeit meist nicht mehr zugänglich sind.
47 Bunker gibt es in Ludwigshafen, im Verhältnis zur Größe der Stadt eine enorme Anzahl. Was tun mit den alten Schutzbauten? Einige von ihnen wurden aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt und mit kreativen Ideen und neuem Leben gefüllt. Andere wiederum könnten für immer aus dem Stadtbild verschwinden.
Experte Klaus-Jürgen Becker seit jeher von Bunkern fasziniert
Einer, der sich wie kein Zweiter mit der Bunkerlandschaft in Ludwigshafen auskennt, ist Klaus-Jürgen Becker. Als stellvertretender Leiter des Stadtarchivs und Mitbegründer des Arbeitskreises Bunkermuseum Ludwigshafen e.V. kann er einiges über die Schutzbauten berichten. Seit jeher üben die Betonkolosse eine besondere Faszination auf Becker aus. „Die Nazis waren damals ihrer Zeit voraus, das muss man so sagen“, erklärt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Für die Städte Ludwigshafen und Mannheim sei damals ein gemeinsames Bunkerkonzept entworfen worden, das einen Ring um die beiden Städte bildete. 1938 begann der Bunkerbau, und als 1940 die ersten Bomben der Alliierten auf Ludwigshafen fielen, wurde er massiv vorangetrieben. „1942 wurde das Programm vor Ort dann aber eingestellt, weil das Geld und der Beton für die Wehranlagen am Atlantikwall benötigt wurden“, berichtet Becker.
Im Zweiten Weltkrieg retteten die Bunker in Ludwigshafen viele Leben
Die große Zahl an Luftschutzbunkern habe während des Zweiten Weltkriegs viele Menschenleben in Ludwigshafen gerettet. Insgesamt kamen in der Chemiestadt 1846 Bürgerinnen und Bürger ums Leben - im Verhältnis zur Bevölkerungszahl und der Häufigkeit und Schwere der Luftangriffe eine relativ geringe Zahl. Allein bei einem Großangriff der Briten am 5. und 6. September 1943 warfen rund 500 Bomber 357 Spreng- und 77 250 Brandbomben über der Stadt ab. 127 Menschen starben, 568 wurden verletzt, mehrere Zehntausend obdachlos.
Nur drei größere Bunker in Ludwigshafen wurden etwas später, im Jahr 1944, errichtet. Allesamt im Bereich des BASF-Werksgeländes. „Weil zu diesem Zeitpunkt des Krieges keine Zwangsarbeiter mehr nachkamen, sollten jetzt auch diese geschützt werden“, nennt Becker den traurigen Hintergrund.
Ein Großteil der Schutzbauten ist heute in Privatbesitz
Besonders markant im Stadtbild sind die 17 Hochbunker, die noch existieren. Daneben gibt es zehn Bahnhofsbunker, sechs Werkschutzbunker, fünf Tiefbunker, vier Splitterschutzbunker, zwei Splitterschutzzellen, einen Blockhausbunker und einen Sonderbau.
Die Besitzverhältnisse sind ganz unterschiedlich. 13 Bauwerke befinden sich im Eigentum der Stadt. Die ehemaligen Reichsbahnbunker sind inzwischen alle verkauft, berichtet Becker. „Die Bahn stößt die Objekte ab.“ Zuletzt wechselte im Sommer 2021 der Bunker am Oggersheimer Bahnhof für 50 000 Euro bei einer Auktion den Besitzer. „Die Bauwerke gehen ja recht günstig über den Markt. Sie sind vor allem zur Miete als Lagerflächen sehr gefragt“, berichtet Experte Becker.
Bunker-Wasserturm im Hemshof wurde Veranstaltungs- und Partylocation
Abgesehen von einigen Schutzbauten auf oder neben den Werksgeländen von Firmen wie Raschig, Giulini oder BASF befindet sich der Großteil der Bunker inzwischen also in Privatbesitz. Prominente Beispiele sind etwa der ehemalige Bunker-Wasserturm in der Rollesstraße, der unter dem Namen „kulTurm“ als Veranstaltungs- und Partystätte hergerichtet wurde, oder der Hochbunker in der Saarlandstraße in Mundenheim, auf dessen Spitze eine Penthouse-Wohnung errichtet wurde, die bald vermietet werden soll.
Auch die BASF hat in den vergangenen Jahren begonnen, kreative Lösungen für ihre Bunker zu suchen. So verwandelte sich der ehemalige Luftschutzbunker an Tor 2 durch einen Gebäudeaufsatz mit einer Fassade aus filigranen Strukturen in ein sogenanntes Creation Center. Einen weiteren ehemaligen Schutzbau in der Brunckstraße stellte der Konzern für das Street-Art-Projekt MURALU zur Verfügung. Der Künstler DALeast verwandelte einen Teil der Fassade in einen Himmel mit lebendigen Wolkenstrukturen.
Für den Katastrophenfall sind alle Bunker in Ludwigsahfen unbrauchbar
So unterschiedlich die Nutzung der Ludwigshafener Bunker auch sein mag, eines haben sie alle gemeinsam: Im Falle einer Katastrophe sind sie für den Zivilschutz nicht mehr zu gebrauchen. „Kein einziger der Ludwigshafener Bunker ist mehr betriebsbereit“, sagt Becker, der das für einen Fehler hält. „Wir haben im Ahrtal erlebt, was eine Naturkatastrophe anrichten kann. Der fortschreitende Klimawandel wird solche Ereignisse nicht unwahrscheinlicher machen. Da wäre es gut zu wissen, sichere Zufluchtsorte zu haben.
Auch in der Ukraine überlebten und überleben viele Menschen, weil sie sich in Bunker zurückziehen können.“ Aus Beckers Sicht sei es durchaus möglich, die Bunker wieder aufzurüsten, wenn man entsprechend Geld in die Hand nimmt.
Bei der Stadt sieht man das anders. „Die im städtischen Besitz befindlichen Bunkeranlagen sind unseres Erachtens für eine entsprechende Umrüstung nicht mehr geeignet“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Zivilschutz sei aber eine Angelegenheit des Bundes, so dass dieser gefragt wäre.
Grundsätzlich bewertet die Verwaltung „die beträchtliche Bunkerlandschaft im Stadtgebiet als historisches Erbe - verbunden mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus“, so die Sprecherin.
Der Würfelbunker wird wegen des Hochstraßen-Projekts abgerissen
Zu deren Aufarbeitung werde der Bunker in der Valentin-Bauer-Straße für Klassenführungen im Erdgeschoss zugänglich gemacht, er soll dem Arbeitskreis Bunkermuseum überlassen werden. In den Bunker in der Rohrlachstraße werden die Tauben einziehen, die derzeit noch im Würfelbunker untergebracht sind. Dieser wird im Zuge des Hochstraßenprojekts abgerissen. Von den Bauwerken im städtischen Besitz soll er aber der einzige bleiben, dem dieses Schicksal blüht.
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