Heidelberg. Ein Student mit jüdischen Vorfahren soll im Anwesen der Heidelberger Burschenschaft Normannia gedemütigt, beschimpft und mit Gürteln verprügelt worden sein - dieser Vorwurf hat 2020 bundesweit für große Betroffenheit gesorgt. Nun hat vor dem Amtsgericht Heidelberg ein Prozess gegen mehrere Beschuldigte begonnen. Der Tatvorwurf: gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit tätlicher Beleidigung.
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte die Ermittlungen zu dem möglichen antisemitischen Angriff im Mai 2021 abgeschlossen. Die Vorwürfe hatten sich gegen sechs der zehn Beschuldigten ganz oder teilweise erhärtet. In sechs Fällen wurden Strafbefehle wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlicher Beleidigung beantragt. Gegen die übrigen Beschuldigten - es war ursprünglich von zehn Beschuldigten die Rede - sei das Ermittlungsverfahren „mangels hinreichenden Verdachts verfolgbarer Straftaten“ eingestellt worden. Fünf Beschuldigte legten Widerspruch gegen die Strafbefehle ein, die Geldstrafen vorsahen, aber auch Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt worden wären. Ein Widerspruch wurde zum Prozessauftakt zurückgezogen und der Strafbefehl damit akzeptiert. Nun müssen sich in der aktuellen Hauptverhandlung noch vier Männer im Alter zwischen 22 und 28 Jahren verantworten. Das umfangreichste Ermittlungsverfahren betraf den Angriff auf einen damals 25 Jahre alten Mann im August 2020. Wie die Behörde mitteilte, hatte er eine Party mit etwa 30 Feiernden im Haus der Normannia besucht.
Dort soll er malträtiert worden sein. Er sei mit Gürteln geschlagen, mit Münzen beworfen und antisemitisch beleidigt worden, so die Staatsanwaltschaft. Das Mitglied der Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania in Heidelberg hatte laut Anklagebehörde zufolge zuvor berichtet, er habe eine jüdische Großmutter. Nach seiner Misshandlung hatte der damals 25-Jährige Anzeige erstattet. Die Alten Herren der Normannia hatten sich von Antisemitismus distanziert und die Studentengruppe, in der der Übergriff stattgefunden haben soll, wurde inzwischen aufgelöst.
Mehr als zehn weitere Verfahren
Daneben führte die Staatsanwaltschaft mehr als zehn weitere Verfahren wegen des Verdachts politisch motivierter Straftaten von Mitgliedern der Burschenschaft oder dieser nahe stehenden Personen. Unter anderem ging es um Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Diese Verfahren seien eingestellt worden, weil entweder der für die Verfolgung einer Beleidigung erforderliche Strafantrag des Geschädigten fehlte oder die verfassungsfeindliche Aussage nicht öffentlich gemacht worden war, hieß es bereits im Mai 2021.
Der Vorwurf der Volksverhetzung spiele aktuellen Prozess offenbar keine Rolle, da sich die Tat im „privaten“ Bereich abgespielt hatte, kritisiert ein Sprecher der Antifa. Er befürchtet, „dass der antisemitische Angriff vor Gericht gänzlich entpolitisiert wird“. Laut Prozessbeobachtern macht der heute 27-jährige mutmaßlich Geschädigte am ersten Prozesstag Erinnerungslücken geltend. miro
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