Heidelberg. Ist in der Nacht zum 29. August im Anwesen der Burschenschaft Normannia in Heidelberg ein Student mit jüdischen Vorfahren gedemütigt, beschimpft und mit Gürteln verprügelt worden? Die Staatsanwaltschaft Heidelberg führt ein Ermittlungsverfahren gegen insgesamt acht Personen, darunter eine Frau, die im Verdacht stehen, einen 25-jährigen Mann körperlich misshandelt und antisemitisch beleidigt zu haben. Die Studentenverbindung mit einer 130-jährigen Tradition soll sich nach einer Mitteilung auf ihrer Internetseite vor wenigen Tagen aufgelöst haben.
Der Student hatte am 29. August Anzeige erstattet, heißt es in einer Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei von Dienstag weiter. Am 2. September hätten Beamte das Anwesen durchsucht und dabei „umfassendes Beweismaterial aufgefunden und sichergestellt“.
27 Teilnehmer ermittelt
Insgesamt seien bislang 27 Teilnehmer an der Feierlichkeit in dem Gebäude in Schlossnähe ermittelt worden. Von ihnen würden acht Personen beschuldigt, an den Straftaten beteiligt gewesen zu sein.
Die Ermittlungen würden teilweise länderübergreifend geführt, unter anderem im Saarland und in Nordrhein-Westfalen. „Es zeichnet sich ab, dass es sich bei dem Schlagen mit den Gürteln, der sogenannten ,Gürtelung’, um ein gängiges Ritual der tatverdächtigen Personen handeln soll“, heißt es in der Polizei-Pressemitteilung abschließend. Zuvor war nichts dazu bekanntgegeben worden.
Vonseiten der Burschenschaft war zunächst keine Reaktion zu bekommen. „Die Burschenschaft Normannia zu Heidelberg gibt hiermit die Auflösung ihrer Aktivitas bekannt“: Diese „Mitteilung vom 3. September 2020“ findet sich - vor einem Bergpanorama - als einzige Information auf der Internetseite der Burschenschaft Normannia. Der Begriff „Aktivitas“ steht in der Sprache der Studentenverbindungen für die Gesamtheit der studierenden Mitglieder einer Burschenschaft. Die „Antifaschistische Initiative Heidelberg (Antifa)“ hatte in einer Pressemitteilung auf den Fall aufmerksam gemacht. Demnach soll das mutmaßliche Opfer Mitglied der „Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania“ gewesen sein.
Der Gast, der gegen 1 Uhr ankam, soll von den anderen Verbindungsstudenten als „Jude“ beschimpft, mit Geldmünzen beworfen und mit Gürteln verprügelt worden sein, formuliert die „Antifa“ . Neben den Normannia-Aktiven seien Verbindungsstudenten aus Saarbrücken und Köln beteiligt gewesen. „Antifa“-Sprecherin Clara Grube erklärte, die Normannia sei „in der Vergangenheit immer wieder durch ihre Positionierung am äußersten rechten Rand aufgefallen“. Unter anderem ziehe sich „ein fanatischer Antisemitismus“ durch die Geschichte der Verbindung. „Neonazistische Holocaustleugner, arabische Antisemiten oder der Generalobere der ultrakatholischen Piusbruderschaft“ seien Referenten im Haus gewesen.
„Reine Alibihandlung“
Grube bewertet die Auflösung der Aktivitas als „reine Alibihandlung“, um „exponierte Alte Herren aus der Schusslinie zu nehmen“. Die Studentenverbindung Normannia ist 1890 in Heidelberg gegründet worden.
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