Ermittlungen - Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass bis Ende Januar alle Ermittlungsfragen abgearbeitet sind

„Normannia“-Fall kurz vor Abschluss

Von 
Miro
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Das Verbindungshaus der „Normannia“ in Heidelberg. © Philipp Rothe

Heidelberg. Die Ermittlungen nach einem mutmaßlich antisemitschen Vorfall im Verbindungshaus der Burschenschaft „Normannia“ laufen weiter. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg hat sich am Montag nach Anfrage dieser Redaktion „zuversichtlich“ gezeigt, dass alle relevanten Fragen bis zum Monatsende geklärt sein dürften. Weiterhin gibt es zehn Verdächtige. Der Vorwurf lautet auf Körperverletzung und Beleidigung.

Bereits vor einem Monat sah es danach aus, als ob die Behörde abschließend über eine Anklage befinden könnte (wir berichteten). „Inzwischen hatten sich aus Erklärungen der Verteidiger weitere Ermittlungsfragen ergeben“, beschreibt der Erste Staatsanwalt Thomas Bischoff den neuen Sachstand. Nun sehe alles danach aus, dass diese notwendigen Überprüfungen Ende Januar erfolgt sind. Alle zehn Beschuldigten seien Mitglieder von Studentenverbindungen.

Wie berichtet, hatte ein 25-jähriger Gast eines Burschenschaftsfestes Anzeige erstattet, weil er in dem Anwesen der Normannia in der Nacht auf den 29. August 2020 wegen seiner jüdischen Vorfahren beleidigt, mit Münzen beworfen und mit Gürteln geschlagen worden sein soll. Acht Personen – sieben Männer und eine Frau – rückten zunächst ins Zentrum der Kripo-Ermittlungen – darunter unter anderem fünf Burschenschaftler aus dem Saarland.

Das Bekanntwerden der Vorwürfe – dafür hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg gesorgt – löste mindestens bundesweit Reaktionen aus. Später teilte die Burschenschaft „Normannia“ mit, sich neue Leitlinien gegeben und von einigen Mitgliedern verabschiedet zu haben. Auch die Nachwuchsgruppe (Aktivitas) sei aufgelöst worden. In sechs neuen Leitlinien bekenne man sich demnach zu „Toleranz und Respekt“ und lehne Mitglieder ab, die gleichzeitig einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation angehören.

Der SPD-Landtagskandidat Daniel Al-Kayal forderte, dem Verein „Stückgarten“, der das Studentenwohnheim der „Normannia“ verwaltet, den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das hätte nicht nur finanzielle Auswirkungen für die Burschenschaft: Laut Paragraf 10 der Satzung des Studentenwohnheims „Stückgarten“ falle das Vermögen des Vereins – also insbesondere das Normannenhaus – an die Uni Heidelberg, die es für gemeinnützige Zwecke verwenden müsse. So könne „das Normannenhaus von einem Ort der Intoleranz zu einem Ort der Vielfalt und Toleranz werden“, betonte Al-Kayal.

Prüfung von Verbot

Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes, Michael Blume, hatte auf ein bundesweit härteres Vorgehen gegen rechte Burschenschaften gepocht. Es müsse geprüft werden, „wo Vereinsverbote und Beschlagnahmungen von Wohnraum möglich seien“, sagte Blume (wir berichteten). Völkische und rechtsextreme Burschenschaften seien eine Gefahr – auch aufgrund von Seilschaften, die in den Staatsdienst reichen würden. Einer der Beschuldigten, der laut Angaben der Staatsanwaltschaft im Oktober zum Tatzeitpunkt der Normannia angehörte, wird der „Identitären Bewegung“ zugerechnet. Diese gilt als rechtsextrem und wird deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet. „Normannia“-Mitglieder waren auch zuvor schon mit rechtsradikalen Vorwürfen in Verbindung gebracht worden. Der neue Heidelberger Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Herrgen formulierte Monate nach dem Vorfall in einem Interview, dass ihn die Vorwürfe gegen die „Normannia“ nicht überrascht hätten. Als Dezernent für politisch motivierte Strafsachen habe er in den 1990er-Jahren „noch dunkel einen Vorfall in Erinnerung, bei dem beim Mai-Ansingen die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen wurde.“

Der stellvertretenden Kreisvorsitzenden der Mannheimer CDU Egon Manz, bis Februar 2020 „Normannia“-Vorsitzender, erklärte im Oktober öffentlich seinen Austritt aus der Burschenschaft. Auch ein früherer Chefvolkswirt der Investmentgesellschaft Union Investment soll die Vereinigung verlassen haben.

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