Kultur

Sanierung des Mannheimer Nationaltheaters wird teurer

Um 62,5 Millionen Euro teurer wird die derzeit laufende Generalsanierung des Mannheimer Nationaltheaters. Kurzzeitig droht ein Baustopp. Daher sollen Mittel umgeschichtet werden - aber das reicht nicht

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Peter W. Ragge
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Baustelle Nationaltheater: Hier entstehen unterirdisch Präsenzwerkstätten, zur Goethestraße und zum Unteren Luisenpark hin Proberäume. © Thomas Tröster

Mannheim. Er wählt drastische Worte: „Es brennt lichterloh“, sagt Kulturbürgermeister Thorsten Riehle über die Finanzierung der Generalsanierung des Nationaltheaters. „Aber die Feuerwehr steht vor der Tür“, beruhigt er gleich wieder. Hört man genau hin, so reicht der Feuerwehr aber – um im Bild zu bleiben – das Wasser nicht, um den ganzen Brand zu löschen. Selbst wenn der Gemeinderat jetzt einen sofortigen Baustopp abwendet, indem er 23 Millionen Euro umschichtet, fehlen noch 39,5 Millionen Euro, um fertigbauen zu können. Wo die herkommen sollen, ist völlig offen.

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Stand jetzt wird die Generalsanierung 62,5 Millionen Euro teurer und am Ende 326,58 Millionen Euro kosten. „Da haben wir alles eingerechnet, was wir wissen und gegebenenfalls erwarten können“, versichert der Kulturbürgermeister. Man habe mit der Veröffentlichung der genauen Zahl bewusst länger gewartet, „denn wir wollten nicht scheibchenweise damit kommen“, so Riehle. Bereits im März und im September hatten mal er, mal die Intendanz bei Baustellenbesuchen angekündigt, dass die bewilligten Summen sicher nicht ausreichen werden.

Der Gemeinderat soll jetzt zunächst einmal eine Sofortmaßnahme beschließen: 23 Millionen Euro, die er bereits bewilligt hatte, umschichten. Die Gelder waren gedacht für den Bau eines neuen Zentrallagers für Kulissen und Requisiten. Bisher nutzt das Theater mehrere über das Stadtgebiet verteilte Hallen, die teilweise stark marode und schadstoffbelastet sind und zudem ständigen Lkw-Verkehr erfordern. Für das Projekt im Hafen gab es bereits 2020 einen Architektenwettbewerb, Baubeginn sollte 2022 sein – wozu es aber wegen steigender Kosten nicht kam.

Regierungspräsidium verbietet Kredite

Nun wird das Vorhaben erst einmal „abgemeldet“, so Riehle – sprich nicht realisiert. Das hatte Oberbürgermeister Christian Specht bereits in seiner Etatrede angekündigt. Nötig sei es zwar nach wie vor, so der Geschäftsführende Intendant Tilmann Pröllochs – denn gerade regnet es mal wieder in das Hauptlager in der Reichenbachstraße in Käfertal rein, und die vielen Lkw-Fahrten kosten Zeit, Personal und belasten die Umwelt.

Zudem sind in die Vorbereitung des Bauvorhabens bereits eine bis 1,3 Millionen Euro geflossen. Die Fläche im Hafen ist vom Land auch schon angemietet, wird derzeit jedoch nur zu einem geringen Teil – für das Lager „Haus der Kostüme“ – genutzt. „Auch für den laufenden Betrieb ist der Verzicht auf das Lager nicht gut, das ist völlig klar“, sagt Riehle dazu. In einer Vorlage für den Gemeinderat wird das Haus sogar als „immens wichtig“ bezeichnet. „Aber in der jetzigen Situation ist das nicht machbar, nicht finanzierbar und politisch nicht durchsetzbar“, räumt er ein. Schließlich sind allein die 2020 auf 14 bis 17 Millionen Euro geschätzten Kosten für das Lager auf derzeit 39 Millionen Euro gestiegen, daher würde nicht einmal der zuletzt eingeplante Rahmen von 23 Millionen Euro reichen.

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Diese 23 Millionen Euro sollen ermöglichen, jetzt die Generalsanierung am Goetheplatz fortzusetzen. „Die Konsequenz wäre ansonsten ein zeitnaher Baustillstand mit zusätzlichen finanziellen und terminlichen Auswirkungen auf den weiteren Bauablauf“, informiert die Stadtverwaltung die Stadträte. „Ohne Freigabe weiterer Mittel kommen wir in die Situation, dass wir keine Vergaben mehr machen können“, verdeutlicht Riehle. „Dann bliebe nur ein Baustopp“, bekräftigt er. Die Umwidmung der für das Lager gedachten Millionen reiche zwar nicht für die gesamten Mehrkosten. „Aber die soll uns ein Jahr Zeit schaffen, um eine Lösung zu finden“, so Riehle.

Derzeit hat die Stadtverwaltung diese Lösung noch nicht, denn die 23 Millionen decken nur einen kleineren Teil der Mehrkosten – 39,5 Millionen Euro bleiben offen. In der Vorlage für den Gemeinderat heißt es dazu nur: „Die Notwendigkeit einer aus den aktuell prognostizierten Mehrkosten bis Jahresende 2025 resultierenden Maßnahmenerhöhung in Höhe von 39,5 Millionen Euro wird zur Kenntnis genommen. Es wird ein Konzept zur Finanzierung der bis zum Bauzeitende zusätzlich prognostizierten Mehrkosten in Höhe von 39,5 Millionen Euro vorgelegt.“

„Wir haben den Auftrag, uns Gedanken zu machen“, sagt Kulturbürgermeister Riehle dazu. Einen Weg hat das Regierungspräsidium Karlsruhe als Rechtsaufsichtsbehörde verbaut. Riehle und Finanzbürgermeister Volker Proffen führten zwar ein ausführliches Video-Telefonat mit Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder. Erfolg hatten sie indes nicht. „Das Regierungspräsidium hat deutlich gemacht, dass es einer Finanzierung durch die Stadt in Form einer Kreditgewährung oder einer Erhöhung des Betriebskostenzuschusses aufgrund der Haushaltslage nicht zustimmt“, lautet die offizielle Information an die Stadträte. „Unsere Etatsituation ist zu angespannt“, begründet dies Riehle.

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Peter W. Ragge
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Ein weiterer Weg ist vielleicht möglich: die Kreditaufnahme durch den Eigenbetrieb Nationaltheater selbst. Aber auch das werde vom Regierungspräsidium „kritisch gesehen“, es wolle sich der Lösung indes „nicht generell verschließen“, berichtet Riehle aus dem Gespräch. Es würde indes bedeuten, dass das Theater Zins und Tilgung aus seinem eigenen, ebenso kräftig angespannten Budget quasi herausschwitzen muss. Dass das funktioniert, bezweifeln Riehle ebenso wie der Geschäftsführende Intendant Tilmann Pröllochs. „Aber wir suchen natürlich alle Möglichkeiten struktureller Einsparungen“, so Riehle. Und vielleicht erhalte das Theater ja Geld aus der Insolvenzmasse der Firma, die am Luisenpark die Ersatzspielstätte „Opal“ errichten sollte, aber dann Pleite ging. 13 Millionen Euro hat die Stadt daher beim Insolvenzverwalter angemeldet.

Doch woher soll das Geld sonst kommen? Dazu plane die Stadt vor der Sommerpause 2025 eine eigene Beschlussvorlage für den Gemeinderat, kündigt Riehle an. Konkret ist nämlich noch nichts. Natürlich versuche man die Einwerbung weiterer Fördermittel und sei „mit Bund und Land in Gespräche eingestiegen“. 2018 haben die 120 Millionen Euro zugesagt – 80 der Bund, 40 das Land.

Was ein Baustopp des Mannheimer Nationaltheaters bedeuten würde

Verstärken wollen Theater und Stadt die Akquirierung von Spendern. Bislang sind da drei Millionen Euro eingeworben, wobei 800 000 Euro der größte Einzelbetrag ist. Doch jetzt fehlen Millionen. „Wir senden jetzt eine Botschaft an die Stadtgesellschaft. Wir bauchen Hilfe“, sagt Riehle und gesteht: „Der Druck ist enorm groß“, dass diese Bitte auch gehört wird – von Spendern wie Zuschussgebern.

Das gesamte Gebäude ist entkernt und wird unterirdisch erweitert – oberirdisch wäre wegen des Denkmalschutzes nicht möglich gewesen. © Thomas Tröster

Ein Baustopp, ob jetzt oder in einem Jahr, ist laut Riehle für die Stadt „nicht vorstellbar“ und „keine Option“. Er würde das Projekt verzögern und damit noch teurer machen. Schon jetzt sind nach Angaben von Marcus Augsburger, Technische Betriebsleiter des Nationaltheaters und Chef der Generalsanierung, 88 Prozent der Aufträge vergeben. Hinzu kämen Schadensersatzansprüche der Firmen, wenn die Baustelle ruht, und die Unternehmen können die Verträge kündigen. Wird das Projekt dann irgendwann neu gestartet, entfalle einmal die Gewährleistung der bisherigen Bauarbeiten und man brauche eine erneute europaweite Ausschreibung – zu dann vermutlich noch viel höheren Preisen. Hinzu komme der Aufwand, die Baustelle rund um die Uhr – mit Video und Personal – zu sichern, und es bestehe die Gefahr, dass die Zuschüsse zurückgezahlt werden müssen. Bisher sind 24 Millionen Euro geflossen. „Nein, das ist keine Alternative“, bekräftigt Thorsten Riehle.

Redaktion Chefreporter

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