Mannheim. Zu einem ganz heftigen verbalen Schlagabtausch ist es am Mittwochabend im Kulturausschuss des Gemeinderats über die Generalsanierung des Nationaltheaters gekommen. Dabei sind in einer Weise, wie es sie seit Jahrzehnten in dem Gremium nicht gegeben hat, Kulturbürgermeister Michael Grötsch (CDU) und die Intendanz des Theaters mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thorsten Riehle, aber auch Stadträten der Grünen aneinandergeraten.
Anlass der Sondersitzung war ein Offener Brief von den Stadträten Angela Wendt, Gerhard Fontagnier und Markus Sprengler (Grüne) sowie Helen Heberer und Thorsten Riehle (SPD). Sie warfen Kulturdezernat und Nationaltheater zu wenig Aktivität in der Corona-Pandemie (siehe Bericht im Kulturteil), dazu fehlende sowie verspätete Informationen zur ab 2022 oder 2023 geplanten, auf 247 Millionen Euro veranschlagten Generalsanierung vor.
Bei Belegschaft entschuldigt
Schon bei der Debatte über die Aktivitäten des Theaters während der Schließung durch die Corona-Pandemie schaukelt sich die Stimmung in der – am Ende fast vier Stunden dauernden – Sitzung erkennbar hoch. Alle Spartenintendanten bekennen nacheinander , wie „befremdent“, „verstörend“, „vollkommen unverständlich“ oder „echt frustriert“ sie der Brief mit den Vorwürfen habe. Von einem „Schlag ins Gesicht“ spricht gar Schauspielintendant Christian Holtzhauer.
„Wir haben uns auch ausdrücklich bei der Belegschaft entschuldigt“, berichtet Riehle von einem Gespräch mit dem Personalrat. „Wir hätten besser, differenzierter formulieren müssen“, räumt Fontagnier ein. Aber an den Vorwürfen gegen Grötsch und Intendanz halte man fest, machen beide deutlich.
Fontagnier fordert, der Kulturausschuss müsse viel öfter tagen. Seine Fraktionskollegin Angela Wendt regt an, einen eigenen Betriebsausschuss für das Nationaltheater einzurichten, der sich nur mit der großen Aufgabe der Sanierung befasse. Riehle hält Grötsch und Intendanz vor, dass viele Informationen zur Generalsanierung erst im „Mannheimer Morgen“ stünden. „Das ist falsch herum“, schimpft er. Stadträte müssten „unverzüglich informiert“ werden, äußert er sich „befremdet“, im „MM“ über die Ersatzspielstätte auf dem Platz des Oktoberfests am Technoseum zu lesen. Die Finanzierung der Generalsanierung sei „kein Selbstläufer“ und bei knapperen Geldern „zunehmend im Wettstreit mit anderen Dingen“, warnt Riehle. Derzeit fühlten sich die Stadträte aber mit ihren vielen Fragen nicht ernst genommen und er fürchte, die Verwaltung wolle etwas verbergen. „Nehmen Sie uns mit, nehmen Sie uns vor allem ernst“, so der Appell von Riehle.
Das wiederum erbost den Geschäftsführenden Intendant des Nationaltheaters, Marc Stefan Sickel. Er verlange, „dass man anständig miteinander umgeht“. Intendanz und Belegschaft fühlten sich von dem Brief „düpiert“, und der Vorwurf mangelnder Information sei falsch, denn er habe im Dezember ausführlich dem Kulturausschuss berichtet.
Fehlende Kommunikation
Während der etwa 30-minütigen Information sei, ergänzt Grötsch, Riehle aber die meiste Zeit gar nicht anwesend gewesen. Daher wäre es „ziemlich unlauter, eine ziemliche Unverfrorenheit“, nun zu behaupten, man wisse nichts: „Das geht nicht!“ Es sei „einfach unzutreffend“, wenn Riehle beklage, er erfahre Dinge erst aus der Zeitung. Wenn ein Stadtrat etwas wissen wolle, könne er jederzeit Anfragen an die Verwaltung stellen – das sei aber gar nicht geschehen. „Fix“ sei die Ersatzspielstätte am Technoseum keineswegs, denn die letzte Entscheidung liege schließlich beim Gemeinderat. Mit dem Pfalzbau als Ersatzspielstätte sei man sich zwar „weitgehend einig, aber nicht endgültig einig“.
Sickel, der bei seiner Berufung nach Mannheim 2017 als Anhänger der Sozialdemokraten galt, wirft dem SPD-Fraktionschef gar vor, „absolut anmaßend“ vorzugehen. Er empfinde die Art und Weise seiner Fragen als „anklagend“, kritisiert er.
SPD-Stadträtin Helen Heberer versucht zunächst schlichtend, auf beiderseits fehlende Kommunikation hinzuweisen. „Da müssen wir uns alle an der Nase fassen“, meint Heberer. Die Mitarbeiter des Theaters nehme sie ausdrücklich von der Kritik des Offenen Briefs aus, nicht aber die Hausspitze.
Als Heberer indes vom grundgesetzlichen „Recht auf Widerstand“ ein „Recht auf Fragen“ ableitet, hält ihr Grötsch entgegen, als stellvertretende Vorsitzende der Theaterfreunde habe sie doch genug Möglichkeiten, sich stets zu informieren. Dieses Argument wiederum findet Riehle „unterirdisch“ und Markus Sprengler (Grüne) die Wortwahl des Bürgermeisters „relativ daneben“. Er fühle sich von Intendant Sickel „düpiert“.
„Es liegen die Nerven blank“
Bei anderen Stadträten löst all das Kopfschütteln aus. „Erschreckend“ und „nicht würdig“ kommentiert Thomas Hornung (CDU) die Debatte. Der Offene Brief habe zwar ein „hehres Ziel“, sei jedoch „in Pauschalität und Tonfall nicht angemessen“, mahnt er, „auf Pause zu drücken, dass uns die Stimmung nicht entgleitet“. Er erfahre auch nicht gerne Dinge aus der Zeitung, aber die Verwaltung mache derzeit doch nur das, wozu sie der Gemeinderat beauftragt habe – eben Möglichkeiten für Ersatzspielstätten zu suchen. „Es liegen halt die Nerven blank, bei so einem großen Projekt“, erklärt Angela Wendt die „Giftpfeile“.
„Verwundert“ und „vor den Kopf gestoßen“ äußert sich Birgit Reinemund (FDP) über „solche Töne“. Als „völlig unverständlich“ beurteilt Achim Weizel (ML) den Offenen Brief. Er passe nicht zur bisher guten Stimmung im Kulturausschuss. „Wir müssen wieder zusammenfinden“, bittet Weizel. „Ich hoffe auf ein besseres Klima“, verweist auch Grötsch auf Ende März, wenn der Kulturausschuss dann wirklich über die einzelnen Ersatzspielstätten beraten und auch entscheiden will.
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