Wie nachhaltig kann man ein Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, gestalten? Mit dieser Herausforderung sieht sich das Nationaltheater Mannheim (NTM) bei seiner Generalsanierung konfrontiert. Denn das 1957 errichtete Haus am Goetheplatz gilt als Kulturdenkmal „von herausragender nationaler Bedeutung“. Und das bedeutet: „Alles, was die Außengestaltung angeht und noch dem ursprünglichen Charakter entspricht, ist unter besonderen Schutz gestellt“, erklärt Marcus Augsburger, beim NTM Leiter der Geschäftsstelle Generalsanierung, im Gespräch mit dieser Redaktion.
Dadurch sind der Zielsetzung, bei der Sanierung auf Nachhaltigkeit zu achten, Grenzen gesetzt. Eine Photovoltaik-Anlage etwa sei nicht machbar, sagt Augsburger. Denn das Dach, das bereits vor Jahren gedämmt wurde, gelte für die Denkmalschutzbehörde als „fünfte Fassade“, es ist damit im Außenbereich unantastbar. Und erst „nach mehreren Abstimmungsrunden“ kam vom Landesdenkmalamt in Karlsruhe die Genehmigung, die historischen (Einfach-) Glasfassaden im Erdgeschoß und auf den beiden Giebelseiten zu ertüchtigen. „Wir können jetzt Mehrscheibengläser, wie sie heute energetisch Standard und gefordert sind, einsetzen“, sagt Augsburger.
In den beiden Giebelfassaden gilt es, ein weiteres Problem zu meistern: Verschattung. Die Sonnenwärme dringt dort ungehindert ins Gebäude ein, weil es nie einen Außenschutz gab (und dieser auch infolgedessen nachträglich nicht installiert werden darf).
Aufheizung verhindern
Das Mannheimer Architekturbüro Schmucker, Partner und Generalplaner der NTM-Sanierung, prüft gerade Varianten, um der Aufheizung des Gebäudes entgegenzuwirken: beispielsweise eine hauchdünne Metallfolie, ein sogenannter „Mikro-Shade“, die zwischen die Glasscheiben eingebracht wird, soll einen Großteil der Wärmeeinstrahlung reflektieren. Das reduziert den Einsatz der Klimaanlage. Ein anderer Bereich, der bei der angestrebten Einsparung von CO2-Emissionen eine wichtige Rolle spielt, ist die Beleuchtung.
Die Allgemeinbeleuchtung, auch die vielen Lampen in der Wandelhalle, werden komplett auf LED umgestellt. „Bei der Bühnentechnik wird das ebenfalls weitestgehend versucht“, kündigt Augsburger an. Das sei aber noch nicht völlig umsetzbar, weil manche LED-Strahler gekühlt werden müssten, was mit einer gewissen Geräuschkulisse verbunden sei und damit nicht praktikabel.
„Wir hoffen aber, dass der Stand der Technik sich verbessert, sodass wir auch in diesem Bereich bis zum Wiedereinzug weitere Optimierungen vornehmen können“, sagt der Sanierungsbeauftragte des NTM.
Dann wird auch die unterirdische Erweiterung abgeschlossen sein. „Nach den Vorgaben der Denkmalpflege sind keine überirdischen Erweiterungsbauten erlaubt. Deswegen gehen wir in den Untergrund.“ Dort entstehen Lager (im Bunkerbereich) sowie Räumlichkeiten für Proben und für Präsenzwerkstätten. Fünf Lichthöfe, die in den Platz eingelassen werden, sollen für eine natürliche Beleuchtung und Belüftung sorgen. So könne auf energieintensive Anlagen verzichtet werden.
Die Generalsanierung bezieht sich aber nicht nur auf das Spielhaus am Goetheplatz. Dazu zählt neben der Errichtung von Ersatzspielstätten im ehemaligen Kino auf dem Franklin-Gelände (für das Schauspiel) und einer temporären Leichtbauhalle auf dem Oktoberfestplatz an der Theodor-Heuss-Anlage (für einen Teil von Oper und Tanz) auch der Bau eines neuen Zentrallagers im Hafenareal.
Ihm kommt im Umweltkonzept des NTM besondere Bedeutung zu: Was in puncto Nachhaltigkeit wegen der Denkmalschutzvorschriften am Goetheplatz nicht umsetzbar sei, „versuchen wir, im Bereich des Zentrallagers zu kompensieren“, verdeutlicht Augsburger. Hier sei angedacht, das Gebäude so auszurichten, „dass wir ein Nachhaltigkeitszertifikat bekommen“. Hier ist auch eine Photovoltaik-Anlage sowie eine Begrünung auf der rund 90 mal 90 Meter großen Dachfläche vorgesehen. In Richtung Nachhaltigkeit steuert das NTM auch seinen Fuhrpark. „Wir sind dabei, auf Elektro-Lkw umzustellen und wollen auch die Pkw-Flotte auf Elektromobilität umrüsten“, sagt Augsburger. Am Zentrallager werde dafür eine Elektro-Tankstelle eingerichtet. Angesichts der vielen Transportfahrten bedeutet dies eine gewaltige Schadstoff-Reduzierung. Außerdem sei vorgesehen, die Stapler für die Hochregallager mit Wasserstoffantrieb auszustatten. Und es soll im Lager eine Nachtauskühlung über die Bodenplatte des Gebäudes geben, was Energie einspart.
Ein hoher Anteil der CO2-Emissionen geht beim NTM aber (wie bei allen Kulturinstituten) auf das Konto des Publikums. Um den Anteil des Schadstoff-Ausstoßes zu minimieren, der durch die Besucher verursacht wird, setzt das NTM seit ein paar Jahren schon auf das Kombiticket. „Jede Eintrittskarte berechtigt dazu, den öffentlichen Nahverkehr für den Vorstellungsbesuch zu nutzen“, betont Pressesprecherin Doreen Röder. Klimabewusstsein hat also schon längst im Alltag Einzug gehalten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Kulturbranche hat Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt