Jeder Mensch ist wie ein kleines Heizkraftwerk. Was Museumsrestauratoren in den Wahnsinn treibt, weil sie wegen der Körperwärme der Besucher Schäden an Gemälden fürchten, könnte das Betreiberkonzept von Techno-Clubs revolutionieren. Denn dass jeder Mensch schon im Ruhezustand so viel Wärmeenergie abgibt wie eine 100-Watt-Glühbirne, lässt sich als alternative, humane Stromquelle nutzen.
Der schottische Club SWG 3 in Glasgow hat vor kurzem für Aufsehen gesorgt, als er die Einführung eines revolutionären Energie-Konzepts ankündigte: Künftig soll dort die Körperwärme des Publikums genutzt werden, um die Räumlichkeiten des Tanztempels mit Energie zu versorgen. Wie der Club auf seiner Homepage mitteilt, ist das Debüt dieses „Bodyheat“-Projekts für den 7. November vorgesehen – als Programmpunkt im Rahmen der UN-Klimakonferenz, die ab 31. Oktober in Glasgow stattfindet.
„Bodyheat“ kombiniert die Speicherung von Körperwärme mit Geothermie-Technologie. Das Konzept sieht vor, dass die Körperwärme der Gäste, die im Tanz noch weit mehr als jeweils 100 Watt abgeben dürften, mithilfe von Wärmepumpen gebündelt wird. Dann wird sie in Bohrlöcher transportiert, die 150 bis 200 Meter in die Tiefe reichen. 17 solcher Bohrlöcher werden zur Zeit auf der gesamten Grundfläche des Clubs angebracht.
Ein Drittel des Stroms aus menschlichen Ressourcen
Sie funktionieren wie eine Art Batterie und sollen, so verspricht der Club auf seiner Homepage, die Wärme „für Tage, Wochen oder sogar Monate“ speichern können. Dadurch erhofft sich der Club eine Reduzierung seines CO2-Ausstoßes um 70 Prozent. Die so gewonnene Energie könne unmittelbar zur Kühlung des Clubs genutzt werden oder, gespeichert in den Rohren, zur Heizung, aber auch um die Anlagen mit Strom zu versorgen.
„,Bodyheat’ ist unser innovativer Beitrag zu einer globalen Herausforderung und wird uns helfen, unseren Energieverbrauch dramatisch zu reduzieren“, wird Andrew Fleming-Brown, der Leiter des SWG 3-Clubs, zitiert. „Das Projekt bringt uns einen Schritt weiter auf dem Weg, in nicht allzuferner Zukunft ein CO2-neutraler Veranstaltungsort zu werden.“ Dieses „revolutionäre Projekt“ besitze das Potenzial, in signifikanter Weise zur Kohlenstoffreduzierung von Veranstaltungsstätten beizutragen. „Und das auf Jahre hinaus – nicht nur in Schottland, sondern überall auf der Welt“, betont er den Pioniercharakter des Vorhabens.
Das Projekt in Glasgow erinnert an das nicht minder aufsehenerregende Vorhaben des Rotterdamer Clubs Watt, der 2008 (laut Eigenwerbung) als „erster nachhaltiger Club“ den Tanzboden in ein Kraftwerk verwandelte. Die Bewegungsenergie der tanzenden Gäste wurde genutzt, um Strom zu erzeugen. Unter dem Werbeslogan „We want your energy“ (Wir wollen eure Energie) bat das Watt die Tanzwütigen, sich auf dem interaktiv konstruierten Tanzboden auszutoben.
Dieser war mit flexiblen Modulen bestückt, die beim Tanzen leicht nachgaben, in Schwingung versetzt wurden und so die durch den Druck der Tanzschritte entstehende Kraft in Elektrizität umwandelten. Jedes der 65 mal 65 Zentimeter großen Module erzeugte auf diese Weise rund 25 Watt elektrische Energie.
Damit konnte ein Drittel des Stroms für die Beleuchtung und die DJ-Bühne aus natürlichen, menschlichen Ressourcen gewonnen werden. Die Module waren mit verschiedenfarbigen Leuchtdioden ausgestattet und zeigten durch den Grad ihrer Helligkeit an, wie viel Strom gerade erzeugt wurde.
Toilettenspülung nutzt Schweiß
Ungewöhnlich war auch die Toilettenspülung des holländischen Clubs. Denn sie basierte darauf, den Schweiß des tanzenden Publikums nutzbar zu machen. Eine Anlage sammelte das Kondenswasser an der Decke und leitete ihn weiter – zum WC-Spülkasten.
Das Watt ist schon seit vielen Jahren geschlossen, aber das Konzept des nachhaltigen Dancefloor lebt weiter. Der holländische Künstler und Designer Daan Roosegaarde propagiert seinen „Sustainable Dancefloor“ weiterhin auf seiner Homepage – neben vielen anderen innovativen und einfallsreichen Apparaturen wie etwa den Windvogel, einen Drachen, der Strom erzeugen kann, oder smarte Highways, die nachts leuchten und interaktiv auf die Verkehrslage reagieren können sollen.
Die Idee, den menschlichen Körper als Stromquelle zu nutzen, wird derzeit von vielen Wissenschaftlern weltweit verfolgt. Franco Membrini, Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens Mithras Technology, ist da schon ziemlich weit. Er hat zu diesem Zweck einen thermoelektrischen Generator und diverse Wearables, also Biosensoren, die man am Körper trägt, entwickelt. Nach den Berechnungen von Mithras könnte die von den mehr als 7,7 Milliarden Einwohnern der Erde erzeugte Wärme zehn Prozent der weltweit verbrauchten Energie liefern. Die Not des Klimawandels macht offensichtlich erfinderisch.
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