Die Apokalypse hat bereits begonnen: In Anselm Kiefers Skulptur „Der verlorene Buchstabe“ ragen verwelkte Sonnenblumen wie Todesfanale aus einer alten Druckerpresse heraus. Die gängige Lesart dieses Kunstwerks besagt, Kiefer thematisiere den Wandel der Medienkultur. Es könnte doch aber auch sein, dass er hier zeigt, was passiert, wenn wichtige Botschaften - wie die von der Rettung der Natur - nicht mehr gehört werden: die Apokalypse eben. Die Skulptur ist eine der Attraktionen des Ausstellungsraumes „Himmel und Erde“ in der Anselm-Kiefer-Schau der Mannheimer Kunsthalle. Und die sieht sich, wie jede Kultureinrichtung, in diesen Tagen damit konfrontiert, ihren Betrieb umweltschonender, nachhaltiger zu gestalten.
Dach für Solarbetrieb geeignet
Bei der Planung des 2018 eröffneten Neubaus sei schon darauf geachtet worden, ein nachhaltiges Gebäude zu errichten, sagt Kunsthallen-Direktor Johan Holten im Gespräch mit dieser Redaktion. Es sei als Passivhaus konzipiert, bei den Baustoffen, der Anlagen- und Wassertechnik seien ökologische Kriterien berücksichtigt worden.
„Die Kunsthalle Mannheim bezieht Ökostrom von Anbietern erneuerbarer Energie“, erklärt er. Die Beleuchtung im Haus sei auf LED umgerüstet und die technischen Anlagen seien so geschaltet, dass sie in der Nacht energiesparender arbeiten würden, „um dem Energieverbrauch entgegenzuwirken“. Außerdem sei die Dachfläche der Kunsthalle für die Installation von Solarzellen ausgelegt. Die notwendigen Einrichtungen zum Solarbetrieb seien bereits vorhanden. Auf die Frage, wann dies der Fall sei, muss Holten allerdings einräumen, dass es „keine Terminierung“ gebe. Dies geschehe erst, sobald die Umstellung „finanziell und technisch darstellbar ist“.
Und obwohl dieser Redaktion vonseiten der Kunsthallen-Verwaltung mitgeteilt wurde, es seien „Investitionsprojekte angedacht, die zu deutlichen CO2-Einsparungen führen werden“, ist von der Kunsthallen-Leitung konkret auch dazu noch nichts in Erfahrung zu bringen. Gespräche mit der Stadtverwaltung seien im Gange, aber für eine Umsetzung müsse der Gemeinderat erst seine Zustimmung geben. Auch der CO2-Abdruck des Hauses sei noch nicht ermittelt. Man wisse aber, dass die Bereiche Haustechnik mit ihren strikten Anforderungen im Hinblick auf konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit zum Schutz der Kunstwerke sowie Transporte die meisten Emissionen verursachen würden, erklärt Holten.
Zur Entlastung der Kunsthalle muss man allerdings anführen, dass sie - wie alle vergleichbaren Institutionen - gerade erst aus einem langen, schwierigen Lockdown herausgekommen ist und momentan dringendere Aufgaben zu meistern hat. Und der CO2-Rechner für die Kulturbranche in Deutschland wurde nach Angaben des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit, das ist die bundesweite Anlaufstelle für Betriebsökologie im Kulturbereich, erst Anfang Mai vorgestellt und befindet sich derzeit noch in der Pilotphase.
Generell ist Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei Museen in Deutschland noch eine recht junge Disziplin. Gerade erst Ende Mai hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters sich zu dieser Fragestellung bei einem virtuellen Runden Tisch mit Museumsverantwortlichen, wissenschaftlichen Fachleuten und Akteuren aus Politik und Verwaltung ausgetauscht. Und dabei wurde überhaupt erst die Gründung einer bundesweiten Arbeitsgruppe bekanntgegeben, die unter Leitung des Deutschen Museumsbundes „schrittweise konkrete Maßnahmen und Praktiken für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Museum entwickeln soll“, wie es in einer Presseerklärung vom 28. Mai heißt.
Kunsthallenchef Johan Holten stellt aber bereits einen „Konsens in der Kunstwelt“ fest. Dieser zeige sich etwa in der Reduzierung von Transporten in Zusammenhang mit Ausstellungsprojekten. Kurierfahrten und -flüge zur Begleitung von Kunstwerken seien während der Corona-Pandemie durch digitale Formate ersetzt worden. Diese würden sich wohl auch nach Corona etablieren, hofft Holten. „Und wenn wir künftig Werke aus unserem Bestand an andere Häuser ausleihen, können wir Forderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit stellen“, ergänzt er. Inzwischen seien auch Transportkisten zur mehrfachen Verwendung ausgelegt, Verpackungsmaterial - bei Ausstellungen nicht wenig - werde, soweit dies konservatorisch vertretbar ist, wiederverwendet.
Und wie steht es um Bestrebungen, den CO2-Ausstoß zu minimieren, der durch Besucherinnen und Besucher der Kunsthalle verursacht wird? Holten verweist auf die unterschiedliche Zusammensetzung des Publikums. Für Gäste aus der Region noch weitere Ticketformate anzubieten, etwa in Zusammenarbeit mit ÖPNV-Anbietern, hält er - im Gegensatz etwa zur Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen, die diese Karten seit Jahren anbietet - für nicht besonders effektiv. Solche Kombitickets würden höchstens von fünf Prozent der Besucher genutzt, schätzt er; „außerdem muss über jeden zusätzlichen Kartentyp eigens der Gemeinderat mitabstimmen.“
Projekte für Bundesgartenschau
Im Hinblick auf auswärtige Gäste vertraut Holten auf die gute Verkehrsanbindung der Kunsthalle: die Nähe zum Hauptbahnhof und die Haltestelle direkt vor der Tür. „Wir hoffen auf die Einsicht der Besucher“, meint er.
Bei den Künstlerinnen und Künstlern aber sieht Holten eine gesteigerte Sensibilität für das Thema Nachhaltigkeit: „Vor allem für Jüngere ist die Auseinandersetzung damit sehr wichtig.“ Für die Bundesgartenschau, kündigt er an, plant die Kunsthalle Mannheim entsprechende Ausstellungsprojekte. Genaueres wolle er gegenüber der Presse dazu noch nicht sagen. „Nur so viel: Künstler sind wie Seismographen“ - das Beispiel Anselm Kiefer zeigt es.
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