Kulturpolitik

Mannheimer Popakademie: Freiraum für Musikmacher

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Die Popakademie-Chefs Udo Dahmen (l.) und Hubert Wandjo freuen sich im April 2017 über die Musikpreise Echo und LEA . © Rinderspacher

Mannheim. „Hier werden die Talente von morgen zu Voice-of-Germany-tauglichem Einheitsbrei geformt. Will ich zumindest für meine Story hoffen.“ Das schrieb Autor Linus Volkmann Anfang 2017 in einer Reportage für die Zeitschrift „Musikexpress“, die der Popakademie offenbar nicht ganz unvoreingenommen gegenübersteht. Doch in zwei Tagen vor Ort wurde der Musikjournalist nicht nur in diesem Punkt eines Besseren belehrt. Seinem Artikel zufolge, nahm er auch Erkenntnisse über soziale Medien und Funk-Rhythmik mit. Wer sich näher mit der vor 15 Jahren eröffneten Institution beschäftigt, findet wenig Grund zum Mäkeln, sondern eine echte Erfolgsgeschichte.

Selbst bei Get-Well-Soon-Kopf Konstantin Gropper, der gern zum Kronzeugen gegen den Sinn einer solchen Einrichtung gemacht wird, überwiegt das Positive: „Ich wäre jetzt nicht Musiker und hätte fünf Alben veröffentlicht, wenn ich da nicht gewesen wäre. Ich hätte mich sonst gar nicht getraut, mein Philosophie-Studium in Heidelberg abzubrechen.“ Als Vertreter des zweiten Jahrgangs findet er durchaus Kritikpunkte an manchen Inhalten in der Anfangsphase, „nach zehn Jahren muss ich aber sagen, dass das Popakademie-Studium mir all das gebracht hat, was ich mir davon versprochen hatte“, so Gropper im Gespräch mit dieser Zeitung. Dazu kommt, dass er - bis heute - sowohl den Großteil seiner Band als auch das Management aus dem Akademie-Netzwerk rekrutiert.

Das ist kein Einzelfall, sondern eher die Regel: Wie fast alle Musikabsolventen loben auch Welthit-Schmiedin Alice Merton („No Roots“), die ihre Karriere mit Manager und Popakademiker Paul Grauwinkel als Zweipersonen-Firma gestaltet, oder der dreifache Echo-Gewinner Joris das Haus als „Personalfundgrube“. Die aber vor allem die Möglichkeit eröffnet, sich durch ein Studium legitimiert voll ihrer Kreativität widmen zu können. Die Stadt profitiert davon, weil viele Absolventen einen Koffer in Mannheim stehen lassen. Dazu sagte Joris dieser Zeitung: „Dann hast du auf einmal in Mannheim etwas geschrieben, was dazu führt, dass Du volle Häuser hast ... ich werde jedenfalls den Teufel tun und diese Wohnung auflösen.“

Ohne die Popakademie „würden viele Dinge heute nicht so gut laufen und man wäre einmal mehr auf die Nase gefallen“, bilanziert Jules Kalmbacher. Als Absolvent im Bereich Musikbusiness und Erfolgsmusikproduzent (Mark Forster, Imagine Dragons, Cro) beide Zweige des von Udo Dahmen und Hubert Wandjo geleiteten Hauses beurteilen kann. Durch den permanenten Austausch auf einem Feld, „wo alle Dasselbe machen, lernt man viel schneller.“ Zumal, wenn anspruchsvolle Aufnahmeprüfungen dafür sorgen, dass sich dabei nur Hochbegabte und/oder -interessierte treffen. Fast wie in einem Olympiastützpunkt. Das hochgelobte Netzwerk beschränkt sich nicht nur auf das Innere der Akademie, wie Kalmbachers märchenhafter Karrierestart vom Praktikanten im Studiokomplex Xavier Naidoos zum Kreativkopf hinter dessen Nummer-eins-Album „Bei meiner Seele“ (2013) zeigt.

Gefragte Wirtschaftsstudenten

Das Netzwerk zieht inzwischen auch international, definitiv aber bundesweit Kreise: Nahezu die gesamte deutsche Musikindustrie greift seit Jahren geradezu gierig nach Wandjos Wirtschaftsstudenten, so dass viele nicht mal mehr ihr Studium abschließen konnten. Alles richtig gemacht also? Regelrechte Fehler fallen den beiden „Gründervätern“ bei ihrer Pionierarbeit in Sachen Pop-Hochschulpädagogik kaum ein, allenfalls organisatorische Marginalien. Dahmen führt das darauf zurück, „dass wie damals viel Vorlaufzeit hatten - und die Erfahrung aus dem Popkurs Hamburg“. Wandjo führt die nun 15-jährige Erfolgsgeschichte auch auf die „enorme Unterstützung“ durch Landesregierung, Stadt und Partner aus der Industrie zurück.

Popakdemie

Die zehn wichtigsten Musiker

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Chronologie Popakademie

  • Dezember 2002: Die Landesregierung Baden-Württemberg entscheidet: Deutschlands erste Popakademie entsteht in Mannheim.
  • April 2003: Der Gesellschaftervertrag wird unterschrieben. Neben den Hauptgesellschaftern Land Baden-Württemberg und Stadt Mannheim sind der Südwestrundfunk (SWR), die Landesanstalt für Kommunikation, Universal Music und eine Gruppe von sieben regionalen Unternehmen beteiligt. Udo Dahmen, Hubert Wandjo und Dirk Metzger leiten die Popakademie.
  • Juli 2003: Spatenstich für den Neubau in der Hafenstraße 33.
  • Oktober 2003: Studienbeginn für 54 Studierende, zunächst in provisorischen Räumlichkeiten in E2 und N7.
  • Oktober 2004: Einweihung des neuen Gebäudes in der Hafenstraße.
  • Juni 2007: Erste Abschlussfeier. 17 Musikbusiness- und 19 Popmusikdesign-Studierende erhalten ihren Bachelor of Arts.
  • November 2008: Eröffnung des Erweiterungsbaus Hafenstraße 82 mit neuem Tonstudio und Kompetenzzentrum für digitale Musikwirtschaft.
  • November 2011: Erweiterung um zwei Stockwerke.
  • September 2012: Start der ersten Masterstudiengänge.
  • September 2015: Integration der Orientalischen Musikakademie und damit Begründung des ersten Studiengangs für Weltmusik in Deutschland.
  • April 2017: Binnen einer Woche wird die Popakademie mit dem Live-Entertainment-Award (LEA, für „Künstler- und Nachwuchsförderung 2016“ und dem deutschen Musikpreis Echo („Partner des Jahres“) ausgezeichnet
  • 20. Juli 2018: Beim Semesterabschlusskonzert in der Alten Feuerwache feiert die Popakademie 15. Jubiläum.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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