Thomas Brasch wäre todunglücklich in diesen angepassten Zeiten. Rainer Werner Fassbinder natürlich auch, da kennt Andreas Kleinert keine Zweifel. Beide hatten aber sozusagen „Glück“, sie starben schon vor vielen Jahren.
Über Brasch, als Filmemacher, Schriftsteller und nicht zuletzt politisches Subjekt vollständig unbegabt zu jeder Form von Arrangement mit Obrigkeiten aller Art, hat Kleinert einen Film gedreht - unter dem Titel „Lieber Thomas“. Er lief auch beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen, außer Konkurrenz. Schon deswegen, weil Kleinert diesmal auch als Jurymitglied tätig ist, über den Filmkunstpreis also entscheidend mitbestimmt. Und sich nicht selbst zum Sieger küren kann.
Andreas Kleinert: „Bitte nicht noch ‚nischiger’ als Oper“
Er wird es ohne Weiteres verschmerzen können: „Lieber Thomas“ wurde schon mit Auszeichnungen förmlich zugeschüttet, unter anderem erhielt er gleich neun (!) Deutsche Filmpreise. Und in den Kinos hätte er gewiss mehr als die hierzulande 70 000 Zuschauer erreicht, die uns Andreas Kleinert beim Gespräch in Ludwigshafen nennt - wenn die Corona-Einschränkungen nicht gewesen wären.
Wie tief ist der Einschnitt für das sogenannte Arthouse-Kino, das zum Glück noch künstlerische Restansprüche hegt? Andreas Kleinert registriert, dass manche schöne Nische wegzubrechen droht, dass etwa filmische Theater-Adaptionen kaum noch möglich seien. Er hofft inständig, das Arthouse-Kino möge „nicht noch ‚nischiger’ als Oper“ werden.
Frühe Arbeiten mit „Vernichtungsprotokollen“ torpediert
Doch mit Einschränkungen kennt sich Kleinert aus: Er ist im deutschen Osten aufgewachsen, kam früh in die DEFA-Studios, an der Filmhochschule Konrad Wolf hat er Regie studiert.
Zu Anfang wurde er von seinen Lehrern argwöhnisch beäugt, sogar „Vernichtungsprotokolle“ seien angelegt worden, um seine frühen Arbeiten zu torpedieren. Aber dann kam Lothar Bisky, unter diesem Gorbatschow in Babelsberg wurde die Filmhochschule liberaler. Bereits vor der Wende.
Einladung nach Locarno
Und danach schienen die Zeiten ziemlich rosig: Kleinerts allererster Spielfilm „Leb’ wohl, Joseph“ (1989) wurde zu den renommierten Filmfestspielen nach Locarno eingeladen. Bald jedoch waren Autorenfilme nicht mehr angesagt, die Neue deutsche Filmkomödie übernahm, als Reaktion auf das Privatfernsehen, kalauernd die Macht.
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„Arthousiger“ sei es im Kino erst wieder mit Christian Petzold zugegangen, sagt Andreas Kleinert. Heute müsse man bei einer Vorführung von alten, im Erzähltempo gedämpften Meisterwerken, einem Antonioni etwa, Pausen einlegen. Damit die Zuschauer dazwischen noch ein schnelles YouTube-Video schauen können.
Art Liebes-Drama in Mannheim gedreht
Doch Andreas Kleinert will mitnichten nur von Krisen reden. An die hiesige Region erinnert er sich sogar ausgesprochen gern, in Mannheim hat er einen Film gedreht. Es ist vielleicht kein Mannheim-Film daraus geworden, aber eine Art Liebes-Drama,
„Sag’ mir nichts“ betitelt, mit der glänzenden Ursina Lardi in der Hauptrolle. Beim Festival in Ludwigshafen lief er damals als Eröffnungsfilm. In Mannheim gebe es „so viel Verschiedenheit“, schwärmt Kleinert. Manchmal wähne man sich in Paris. Und manchmal in der Bronx.
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