Festival

Das sehenswerte internationale Programm beim Filmfestival in Ludwigshafen

Beim 18. Ludwigshafener Festival des deutschen Films wird auch internationale Vielfalt geboten. Einen starken Auftritt hat in einer Sonderreihe das Kino aus dem Nachbarland Frankreich

Von 
Hans-Günter Fischer
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Szene aus dem französischen Film „Haute Couture“ mit Nathalie Baye (links). © Festival/Happy Entertainment

Ludwigshafen. Jemand wie die Starschauspielerin Juliette Binoche kann niemals „wirklich“ eine Putzfrau sein. Noch nicht einmal im Kino: „Wie im echten Leben“ heißt der Film, in dem Binoche eine Autorin gibt, die zu Recherchezwecken in prekäre Arbeitswelten abtaucht und auf Fährschiffen Toiletten schrubbt und das Erbrochene beseitigt.

Sozusagen auf den Spuren eines Günter Wallraff, der schon vor Jahrzehnten nach „Ganz unten“ ging. Um aufzurütteln, anzuklagen. Neu ist dieser - hier im Übrigen ja nur gespielte - „investigative“ Ansatz also keineswegs.

Doch in der ersten Hälfte des von Regisseur Emmanuel Carrère gedrehten Films erreicht er trotzdem seinen Zweck. Durch einen harten Reportage-Stil, der uns die Normandie mit ihren Fährschiffhäfen wie von hinten zeigt. Zudem eine Juliette Binoche mit ziemlich „ungeschminkter“ Darstellung: Wir sehen echte Müdigkeit in ihren Augen. Ein paar wunderbare Lachanfälle, eines ihrer Markenzeichen, zeigt Binoche indessen ebenfalls.

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Denn ihre Filmfigur schließt echte Freundschaften in diesem tristen Putzkolonnen-Kosmos, was im zweiten Teil neue Probleme schafft: weil sie, die eingeschleuste Intellektuelle, die „die Unsichtbaren sichtbar machen“, ihnen eine Stimme geben will, wie sie nicht ohne leise Arroganz behauptet, diese Unsichtbaren auch verrät und täuscht. Deren Entrüstung ist verständlich. Doch wir hören dabei auch die Drehbuchseiten rascheln.

Das Klischee auf hohem Niveau

„Wie im echten Leben“ läuft beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen in der Sonderreihe mit den „Gastbeiträgen“. Einen Schwerpunkt bilden die französischen. Auch Mainstream-Produktionen sind dabei, begrüßenswerterweise, denn gerade diese lassen künstlerische und gesellschaftliche Trends besonders gut erkennen. Und auch das, was als „typisch französisch“ gilt. Es ist zwar oft ein Flirt mit den Klischees, doch manchmal sind die schönen Stereotype von der Wahrheit kaum zu unterscheiden.

Eines etwa handelt von der angeblich und eben auch tatsächlich ausgeprägten Dialog-Freude der meisten Filme: Viel geredet wird im Grunde immer. Manchmal fast zu viel. Auch die Erfolgskomödienreihe um den von Christian Clavier gespielten „Monsieur Claude“, den Spießbürger mit multikultureller Großfamilie, der so gern ein Weltmann wäre, macht da keine Ausnahme. In Ludwigshafen wird ihr dritter Teil gezeigt.

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Was wäre dieser Monsieur Claude nur ohne seine Vorurteile? Vorurteile, wie sie Igor (Alexandre Jollien) eher erträgt als kultiviert. Er ist der Mann mit dem „Geburtsfehler“, leidet an zerebraler Kinderlähmung. Seine Freunde findet er in alten Büchern, doch zumindest da ist Igor äußerst anspruchsvoll: Es sind die Herren Platon, Epikur und Nietzsche. Bis er den Bestatter Louis trifft (Bernard Campan), auch der hat seine Existenz heruntertemperiert und alle hochfliegenden Lebenspläne mit den vielen Toten mitbeerdigt.

Vorhersehbar auf das Happy End zu

Daraus kann nur eine wunderbare Freundschaft werden: „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“ ist eine schweizerisch-französische Komödienproduktion, die mit schon fast frustrierender Vorhersehbarkeit auf ihr Happy End zusteuert, und die beiden Hauptdarsteller sind daran nicht unschuldig: Sie führen auch Regie und haben maßgeblich am Drehbuch mitgeschrieben.

Da treibt „Haute Couture“ das Spiel mit den Klischees auf ein viel höheres Niveau, und selbst das Ludwigshafener Programmheft spielt es mit und spricht von jener „tiefen Eleganz, die nur ein Film aus Frankreich haben kann“. Dem Land, dem überwiegend schmeichelhafte Attribute zugebilligt werden. Sogar heute noch.

Film will wohl auch Mut machen

In „Haute Couture“ erleben wir die mittlerweile 74-jährige Nathalie Baye, die früher mit Francois Truffaut, Jean-Luc Godard und Steven Spielberg („Catch Me If You Can“) gedreht hat, in der Rolle einer Atelier-Chefin im Haus Dior, kurz vor dem Ruhestand. Die letzte Modenschau steht vor der Tür.

Sie laboriert an einer ziemlich tiefen Sinnkrise, als ihr die junge Diebin Jade begegnet, die aus einer der „Favelas“ von Paris stammt, wie es einmal heißt. Mit aggressivem Selbstbewusstsein strapaziert sie die gesetzte Dame - und wird dennoch „adoptiert“ und eingeweiht in deren feine Mode-Welt aus Samt und Seide. Wo man keinen Job macht, sondern der Berufung folgt.

Der Film der Regisseurin Sylvie Ohayon will wohl auch Mut machen: Eine Verständigung ist schwierig, aber möglich. Wie im echten Leben? Wir erahnen hier zumindest die Verwerfungen, die Frankreich schon seit längerem erschüttern.

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