Film

Preisgekröntes Spielfilmdebüt: "Hive" zeigt das Portrait einer starken Frau

Blerta Bashollis Film „Hive“ beruht auf wahren Begebenheiten. Die aus dem Kosovo stammende Regisseurin taucht ein in den Alltag einer zweifachen Mutter, deren Mann im Krieg verschwunden ist - und die in einem Dorf im Kosovo gegen festgefahrene Strukturen kämpft.

Von 
Wolfgang Nierlin
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Voller Schmerz und Kraft: Fahrije Hoti (Yllka Gashi). © 24 Bilder Film GmbH

Das erste Bild zeigt das schöne, ernste und zugleich müde und verhärmte Gesicht der Protagonistin Fahrije Hoti (Yllka Gashi). Die fortgesetzte Nähe zu diesem von einem tiefsitzenden Schmerz gezeichneten Antlitz der zunächst schweigsamen Heldin zieht sich leitmotivisch durch das preisgekrönte Spielfilmdebüt „Hive“ von Blerta Basholli.

Nach wahren Begebenheiten entstanden und in einem sozialrealistischen Stil gedreht, lässt die aus dem Kosovo stammende Regisseurin politische und geschichtliche Hintergründe zunächst im Vagen. Stattdessen taucht sie ein in den Alltag der zweifachen Mutter, die sich außerdem um ihren 75-jährigen Schwiegervater Haxhin (Çun Lajçi) kümmert und eine kleine Imkerei betreibt. Aus dem Situativen der Begegnungen, Unternehmungen und Gespräche entwickeln sich so nach und nach Zusammenhänge: Fahrije lebt in einem muslimischen, von patriarchalischen Strukturen geprägten Dorf im Kosovo, das noch sieben Jahre nach dem Krieg unter seinen Traumata leidet.

Zu Beginn des Films sieht man in einer langen Plansequenz, wie Fahrije verzweifelt weiße Leichensäcke öffnet. Noch immer sucht sie vergeblich nach ihrem im Krieg verschwundenen Mann. Und sie ist damit nicht die einzige in ihrem Dorf. Die weißen Schutzanzüge der UN-Mitarbeiter korrespondieren dabei mit Fahrijes Imkerkleidung, die nicht ganz verhindert, dass sie gestochen wird. Dieser Stich, vor dem Spiegel begutachtet, ist wie ein Stigma. Doch die Wunde wird im Verlauf der Handlung heilen, so wie Fahrije zunehmend Mut fasst, gegen äußere Widerstände selbstbestimmt ihren Weg zu gehen. Gemeinsam mit anderen Frauen beginnt sie, eine traditionelle Paprikapaste herzustellen, um aus deren Verkauf ihre finanziell prekäre Lebenssituation zu mildern. Doch der Weg zur Unternehmensgründung gestaltet sich schwierig, weil nicht nur Haxhin den Platz einer Frau in der Familie sieht, auf die, so der Patriarch, alles zurückfalle.

Blerta Bashollis einfühlsamer, teils bewegender Film beschreibt insofern eine doppelte Blickrichtung. Denn zum einen geht es um die nicht nur emotionale Verarbeitung einer schrecklichen Vergangenheit, deren Folgen noch immer spürbar sind und die Fahrije bis in ihre Träume verfolgt; zum anderen übernimmt die furchtlose Heldin Verantwortung für die Zukunft, und zwar sowohl für ihre Familie, die sich zunehmend versöhnlich zeigt, als auch für die Gemeinschaft der Frauen, die Fahrijes Projekt solidarisch unterstützen.

Trotz Schmerz und Trauer über Verlorenes und über den Verlust von Menschen wird der Film „Hive“ so zum Portrait einer starken Frau und zu einem Dokument mutiger weiblicher Selbstermächtigung.

Im Mannheimer Odeon und im Karlstorkino Heidelberg (OmU)

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