Festival des deutschen Films

„The Outrun“, „Das Licht“, „Chaos und Stille“ beim Filmfestival Ludwigshafen

„The Outrun“, „Das Licht“ und „Chaos und Stille“: Alle drei Filme sind in Ludwigshafen beim Filmfestival für den Publikumspreis nominiert. Und alle drei behandeln große Themen.

Von 
Martin Vögele
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Der Film „The Outrun“ erzählt die Geschichte von Rona (Saoirse Ronan), die in ihre Heimat auf den entlegenen Orkney-Inseln zurückkehrt. © STUDIOCANAL Filmverleih

Ludwigshafen. Dieser Film ruht im Tosen seiner Naturgewalten und tobt in der Stille seiner Hauptfigur: „The Outrun“ zeigt die Ehrfurcht einflößende Schönheit der schottischen Orkneyinseln, wirft sich in Wind und Wellen, die mit wilder Kraft an die zerklüftete Küste schlagen. Dort blicken wir auch in das Gesicht von Schauspielerin Saoirse Ronan, in dem, auch wenn es unbewegt bleibt, das Wüten und Ringen der Elemente seinen Widerpart zu finden scheint.

Filmfest in Ludwigshafen

Das 21. Festival des deutschen Films findet noch bis 7. September auf der Ludwigshafener Parkinsel statt. Den Gewinner des Rheingold Publikumspreises wählen die Besucherinnen und Besucher aus den entsprechend nominierten Filmen des Festivals.

Außerdem wurden beim diesjährigen Filmfest Rainer Bock und Uwe Ochsenknecht mit dem Preis für Schauspielkunst ausgezeichnet, Filmemacher Edgar Reitz wurde mit einem Ehrenpreis geehrt, Kai Wessel erhielt den Regiepreis und David Ungureit den Drehbuchpreis.

Informatives, Programm und Karten gibt es online unter www.fflu.de. mav

In der deutsch-britischen Produktion, die beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen für den Rheingold-Publikumspreis nominiert ist, spielt Ronan die Londoner Biologin Rona, eine Alkoholikerin, die selbst ein ums andere Mal von ihrer Sucht wie von einer Flutwelle mitgerissen wird. Und wenn sie dabei jeden Halt verliert und bis zur Besinnungslosigkeit trinkt, erwacht ein anderer, ein gewalttätiger, sich selbst und andere zerstörender Aspekt ihrer Persönlichkeit.

Nach einer Rehabilitationsmaßnahme kehrt die junge Frau in ihre Heimat zurück, nach Orkney, zu ihren dort getrennt lebenden Eltern – ihrem Vater Andrew (Stephen Dillane), einem Schaf-Farmer, der unter einer bipolaren Störung leidet, und ihrer Mutter Annie (Saskia Reeves), die Zuflucht im Glauben gesucht hat.

„The Outrun“ basiert auf den Memoiren der schottischen Autorin Amy Liptrot, die auch das Drehbuch zum Film schrieb, zusammen mit „The Outrun“-Regisseurin Nora Fingscheidt, die sich mit ihrem intensiven, preisgekrönten Drama „Systemsprenger“, das 2019 im Wettbewerb der 69. Berlinale uraufgeführt worden war, in den Fokus der hiesigen Kinolandschaft katapultiert hatte.

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Nichts an der Alkoholsucht wird in „The Outrun“ romantisiert oder verklärt: Es ist elend und schmerzvoll, Rona leidet, sie sich und andere verletzen zu sehen. Bei aller Erhabenheit der Naturimpressionen, die Yunus Roy Imers Kamera kongenial einfängt, bei aller Verquickung von äußerer und innerlicher Ebene mit mythologischen Erzählungen, bleibt „The Outrun“ bemerkenswert unprätentiös. Der Schluss gerät vielleicht eine Spur zu märchenhaft inszeniert. Aber dieser furiose Film mit seinen grandiosen Bildern und dem packenden Spiel seiner brillanten Hauptdarstellerin hat einen da schon längst fest im Griff.

Überwindet filmische Konventionalität: Tom Tykwers „Das Licht“

Wo „The Outrun“ von einer bestechenden formalen Klarheit ist, da erweist sich ein anderer Publikumspreis-nominierter Film – Tom Tykwers „Das Licht“ – als stilistischer Formwandler. Die starbesetzte Produktion erzählt von einer vordergründig erfolgreichen, zugleich einander zutiefst entfremdeten Berliner Familie: Vater Tim (Lars Eidinger) hat eine Führungsposition in einer Werbeagentur, seine Frau Milena (Nicolette Krebitz) leitet ein Theaterprojekt in Afrika.

Beide sind in Partnertherapie. Ihre Klima-aktivistische Tochter Frida (Elke Biesendorfer) tanzt mit ihren Freunden durch die Drogennacht, und ihr Zwillingsbruder Jon (Julius Gause) verbringt den Großteil seiner Zeit in einem Online-Game. Allenthalben ist Milenas unehelicher Sohn Dio (Elyas Eldridge) zu Gast in der Wohnung, die mehr wie eine WG anmutet.

„Das Licht“. © J. Frederic/Batier X Verleih AG

Als die rätselhafte, vor einigen Jahren aus Syrien geflüchtete Farrah (gespielt von Ex-Mannheimer-Nationaltheater-Ensemblemitglied Tala Al-Deen) als Putzhilfe dazustößt und eine bewusstseinserweiternde Lampe (sic!) mit ins Spiel bringt, gerät der dysfunktionale Familien-Status-Quo in Bewegung. „Das Licht“ ist ein eigentümlicher, mit (allzu) viel Kraft geschüttelter Cocktail aus Interventions-Extravaganza (man denkt an „Mary Poppins“ wie auch „Zoff in Beverly Hills“), Geflüchteten-Drama und Transzendenz-Tragödie. Garniert wird dieser mit ausladendem Kunst- und Bedeutungswillen kreierte Mix mit Musical-Tanzszenen, Animationen oder auch einer (schön inszenierten) Fusion aus Gaming- und Realwelt. In jedem Fall steht dahinter der unbedingt anerkennenswerte Mut, filmische Konventionalität zu überwinden.

„Chaos und Stille“: Filmfabel über Abkehr von Konsumismus

Einen surrealen, wenngleich ungleich behutsamer chaussierten Weg beschreitet auch der Publikumspreis-Beitrag „Chaos und Stille“, ein Film nach dem Buch und in der Regie von Anatol Schuster.

„Chaos und Stille“. © Julian Krubasik

Hier kündigt Klara (Sabine Timoteo) eines Tages ihre Arbeit und steigt auf das Dach ihres Mietshauses, um dort fortan besitzlos zu leben. Alsbald erfährt sie dafür glühende, quasireligiöse Verehrung, zugleich auch schroffe Ablehnung. Einer ihrer Mieter ist der Komponist Jean (Anton von Lucke), der in seiner Musik den Geist der Stille einzufangen versucht. Und so ist auch „Chaos und Stille“ eine ruhige Filmfabel über die Abkehr von Konsumismus und Fremdbestimmung, die zugleich auf angenehme Weise ungreifbar und nicht belehrend bleibt.

Freier Autor

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