Ludwigshafen. Der rührendste Moment eines an Rührung nicht armen Preisverleihungsabends auf der Ludwigshafener Parkinsel kommt ganz unvermittelt. Denn eigentlich ist in diesem Augenblick alles Wichtige schon gesagt, Schauspielerin Verena Altenberger hält ihre Auszeichnung in Händen, der Film soll beginnen - und dann lässt sie diesen Satz verlauten: „Ich nehme diesen Preis nicht für mich an, sondern für all die Menschen, die ich spielen durfte.“ Was für eine Geste. Rührung macht sich breit, dann Beifall. Altenbergers Lächeln darauf spricht Bände.
Doch es verwundert nicht. Denn bereits in seiner Laudatio hatte Festivaldirektor Michael Kötz betont, er habe mit dieser Auszeichnung weit mehr als nur „ein Zeichen der Jugendlichkeit“ senden wollen. Es gehe hier immerhin um eine junge Frau fernab des Schlags. Aufgewachsen als Tochter der Direktorin einer Landwirtschaftsschule im österreichischen St. Johann soll sie bereits im Alter von drei Jahren gewusst haben: Ich werde Schauspielerin. Fast schon ironisch, habe man die entschlossene junge Künstlerin in Wien erst einmal als völlig untalentiert verkannt, um nach und nach zu begreifen, zu was diese Verena Altenberger eigentlich in der Lage ist. Anfänglich nur in Nebenrollen oder kleinen Produktionen, dann kommt 2018 der Durchbruch. Im Jahr zuvor hatte Filmemacher Adrian Goiginger Altenberger mit der Titelrolle seines Dramas „Die Beste aller Welten“ besetzt. Die heute 34-Jährige verkörpert in dem 100-Minüter die heroinsüchtige Mutter Helga Wachter, die im Rausch nicht nur die Kontrolle über ihr eigenes Leben einbüßt, sondern der auch droht, ihren eigenen Sohn an die Drogen zu verlieren. Eine Rolle, die für das junge Talent aus Österreich ebenso viel Risiko war, wie es gefeierte Anerkennung brachte. Altenberger erhält in der Folge für diese Rolle auch international so viele Preise, dass selbst Michael Kötz mit der Auflistung kaum hinterherkommt.
Karriere hat erst begonnen
Fortan ist Altenberger mit ihrem geradlinigen, authentischen Spiel allseits gefragt. 2019 spielt sie in „Schuld“ nach Ferdinand von Schirach, im gleichen Jahr beginnt sie als „Polizeiruf“-Ermittlerin Elisabeth Eyckhoff - von ihren Engagements im Wiener Burgtheater oder den Salzburger Festspielen gar nicht zu sprechen. Ein Stück weit passt es da ins Bild, dass Altenberger in ihren Dankesworten an Regie-Ikone Dominik Graf denkt, der ihr immer vermittelt habe, dass es in Ordnung sei, viel zu wollen - wenn man es denn auch geben könne.
Dass sie dazu in der Lage ist, beweist Altenberger dem Publikum auch in jenem ARD-Drama, das diesen Preisverleihungsabend rahmt, „Gesicht der Erinnerung“. In gut 90 Minuten zeigt uns Altenberger nicht nur eine kantige Physiotherapeutin, die nach dem Unfalltod ihres Lebensgefährten auf einen jungen Liebhaber trifft, der sie unverkennbar an die alte Liebe erinnert. Vielmehr werden in dem harmonisch komponierten Werk die psychologischen Tiefen einer Frau ausgeleuchtet, die - zwischen Leid und Leidenschaft zerrissen - auf der Suche nach einer größeren Wahrheit den Niedergang findet. So gesehen ist diese jüngste Auszeichnung beim Festival des Deutschen Films nicht nur eine Honorierung für das Geleistete - sie ist ganz explizit als Vertrauensbeweis für das zu verstehen, was von dieser bemerkenswerten Mimin in Zukunft noch kommen mag.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-auszeichnung-fuer-verena-altenberger-beim-filmfestival-in-ludwigshafen-ein-vertrauensbew-_arid,1989670.html