Interview

Chorleiterin Schmid: „Ich kann Menschen glücklich machen“

Janette Schmid leitet einen von drei Chören aus der Region, die im Juni am Deutschen Chorwettbewerb in Hannover teilnehmen - ein Gespräch über ihre Arbeit mit dem Mannheimer Frauenchor Carré Chanté und über das Singen

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Fährt mit den Mannheimerinnen von Carré Chanté zum Deutschen Chorwettbewerb: Janette Schmid. © Stefan M. Dettlinger

Mannheim. Janette Schmid sitzt vor einem Espresso. Sie lächelt etwas verlegen. Interviews gibt die sympathische Frau wohl eher selten. Das könnte sich ändern, falls sie im Juni mit ihrem Mannheimer Frauenchor Carré Chanté (gesungenes Quadrat) beim Deutschen Chorwettbewerb punktet. Wir sprechen.

Frau Schmid, wie klingt eigentlich ein gesungenes Quadrat?

(Bevor sie antwortet, lacht Janette Schmid laut, versucht mehrmals, mit Sprechen anzusetzen, verfällt aber immer wieder in Lachen.)
Janette Schmid: Eine schwere Frage. Sie wollen sicher wissen, wie wir den Namen gefunden haben.

Richtig, denn wie ein gesungenes Quadrat klingt, wissen Sie nicht.

Schmid: Es ist schwer, einen guten Chornamen zu finden. Wir haben lange gesucht und wollten einen Namen, der schön klingt und mit Mannheim und den Quadraten zu tun hat.

Den Chor gibt es erst seit 2017, und schon nehmen Sie am Deutschen Chorwettbewerb in Hannover teil. Wie ist es gelungen, in so kurzer Zeit so hohe Qualität zu erreichen?

Schmid: Das liegt unter anderem daran, dass ich bei der Chorgründung viele Sängerinnen gefragt habe, von denen ich wusste, dass sie Qualität mitbringen. Ehemalige Schulmusikerinnen oder auch Sängerinnen, mit denen ich selbst in Projekten gesungen habe. Aber das Niveau haben wir schon entwickelt. Wir sind jetzt an einem ganz anderen Punkt als noch vor sechs Jahren. Und je höher das Niveau steigt, desto mehr gute Leute wollen bei uns singen. Und der Chor ist mein Baby. Ich habe sehr viel Energie reingesteckt.

Wie intensiv proben Sie?

Schmid: In der Regel monatlich.

So selten?

Schmid: Freitagabend drei Stunden, Samstagmorgen drei Stunden. Das hat sich als sinnvoll herausgestellt. Die meisten Sängerinnen haben viele andere Projekte, einige haben kleine Kinder, das können sich alle gut einrichten. Außerdem kommen mittlerweile auch viele aus Stuttgart, Frankfurt oder Nürnberg in den Chor.

Nehmen Sie regelmäßig an Wettbewerben teil?

Schmid: Es ist unser zweiter. Davor waren wir beim Internationalen Chorwettbewerb in Assisi, „Voices for Peace“. Da waren wir ein Jahr nach der Chorgründung, weil ich den Chor pushen wollte.

Das ist in dem Moment dann für mich das Wichtigste, da geht es nicht so sehr darum, dass das musikalische Ergebnis supertoll ist.
Janette Schmid über den Reiz an der Arbeit auch mit Menschen ohne Chor-Erfahrung

Wie sind Sie im Chor organisiert? Wer entscheidet, was wo wie gesungen wird? Sind das demokratische Entscheidungsprozesse, oder entscheiden Sie im Grunde alles?

Schmid: Ich bemühe mich um größtmögliche Demokratie, weil mir das menschlich liegt. An manchen Stellen muss aber auch ich entscheiden. Da ist mir die Gruppe auch dankbar.

Beispielsweise?

Schmid: Interpretation. Das ist etwas, das ich auch erst lernen musste. Zu bestimmen. Vom Wesen her will ich eigentlich gern alle glücklich machen. Aber das geht nicht. (lacht) Es braucht schon eine Führungsrolle. Ich gebe aber auch vieles ab, wobei viele Sängerinnen auch selbst Chöre leiten. Die haben nicht so viel Zeit. Also die Last liegt da auf vielen Schultern. Eine macht soziale Medien, eine andere die Plakate, eine kümmert sich um korrekte englische Aussprache, die Konzertorganisation mache häufig ich, die Stückauswahl mache ich selbst, gehe aber schon auf Vorschläge ein.

Schmid und Carré Chanté

  • Janette Schmid: Die Musik- und Mathe-Lehrerin (Kurpfalzgymnasium Schriesheim) ist 1985 in Stuttgart geboren, studierte Schulmusik an der Musikhochschule und Mathematik an der Uni Mannheim und machte den Master in Kinder- und Jugendchorleitung in Hannover.
  • Carré Chanté: Sie gründete den Frauenchor 2017. Das 20-köpfige Ensemble ist Teil der Mannheimer Liedertafel.
  • Deutscher Chorwettbewerb: Dem Wettsingen in Hannover am 4. Juni ging ein Auswahlverfahren im Land voraus. Nur die Besten aus den 16 Bundesländern nehmen am Finale teil.

 

Wenn Sie Chorleiterinnen dirigieren, wie Sie sagen: Fühlen Sie sich da manchmal unwohl und fragen sich: Denken sie jetzt, dass sie es besser könnten?

Schmid: Ja, am Anfang war das sehr schwer. Mittlerweile kann ich gut damit umgehen. Am Anfang haben wir auch sehr viel diskutiert darüber, wie man etwas singen sollte. Das hat mich sehr verunsichert, weil ich dachte: Na ja, vielleicht habe ich nicht die beste Idee. Aber jetzt habe ich einen Weg gefunden, und es nervt auch den Chor, wenn ständig diskutiert wird. Ich habe gelernt, mehr Führung zu übernehmen, was nicht einfach war, weil viele Sängerinnen auch Freundinnen von mir sind.

Spielt das Soziale überhaupt eine große Rolle bei Ihnen?

Schmid: Ja, schon. Mir war es immer wichtig, dass das menschlich passt. Natürlich: Wir sehen uns nur einmal im Monat, aber wir freuen uns immer wahnsinnig, wenn wir proben.

Und dann einen trinken gehen?

Schmid: Ja, nicht mit allen, aber schon. Und am Samstag isst man noch gemeinsam zu Mittag.

Wie ging es durch Corona?

Schmid: Ich hatte keinen Schwund, aber es war herausfordernd und frustrierend. Ich habe viele Konzerte organisiert, die kurz davor abgesagt wurden. Das war von der Motivation her schwierig. Aber es war wichtig, dass wir Projekte hatten und online geprobt haben. Wir haben uns gegenseitig auch auf Instagram vorgestellt, wir haben ein Split-Screen-Video gemacht, bei dem man alle Sängerinnen auf einer kleinen Kachel sieht und gemeinsam singt.

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Ihr Chor scheint eine Monokultur von Sängerinnen des Schulmusikbereichs zu sein. Spielt da der berühmte Kitt der Gesellschaft überhaupt eine Rolle, also dass Kultur verschiedene Milieus und Interessensgruppen zusammen bringt?

Schmid: Wir haben schon auch eine Physikerin, eine Hebamme, eine Ärztin und eine Maschinenbaustudentin. Es ist keine Monokultur. Wir haben auch eine Lehrerin für Deutsch und Geschichte. Natürlich ist das eine gewisse Blase. Es ist aber eben die Frage, worum es im Chor geht. Es gibt bestimmt Chöre, bei denen der Kitt wichtiger ist. Bei uns zählt schon stark die musikalische Qualität.

Und da arbeiten Sie nicht nur im Qualitätsbereich, sondern engagieren sich auch für das Singen mit Menschen ohne Chorerfahrung – was ist hier der Reiz für Sie?

Schmid: Das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber ich habe das Gefühl, ich kann Menschen damit glücklich machen. Das ist meine Erfahrung. Ich habe viele Jahre Kirchenchöre und bei der Mannheimer Liedertafel auch das offene Chorsingen geleitet, und es ist unglaublich, was passieren kann in anderthalb Stunden. Da kommen alle, sind müde oder manchmal auch nicht so gut drauf, und dann macht es mir Spaß, sie zu motivieren, sie aus sich rauszulocken und Freude zu versprühen. Das ist in dem Moment dann für mich das Wichtigste, da geht es nicht so sehr darum, dass das musikalische Ergebnis supertoll ist. Da weiß ich ja auch, dass das gar nicht so geht. Mir geht es dann darum, Menschen glücklich zu machen. Und das klappt total gut.

Und wenn die Leute noch nie mehrstimmig gesungen haben?

Schmid: Kommt drauf an. Wenn das gemischt ist und man in jeder Stimme jemanden hat, der das kann, hilft das ungemein. Ansonsten beginne ich schon auch mal einstimmig oder mache Kanons, weil da alle die Melodie singen. Stücke mit Ostinati, also gleichbleibenden Begleitfiguren, mache ich auch, und dann Stücke mit Bewegung oder Body-Percussion. Da gibt es schon viele Möglichkeiten.

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Und die Töne?

Schmid: Ich arbeite ja auch an der Schule und singe dort viel mit den Schülerinnen und Schülern. Da gibt es Leute, die keinen Ton nachsingen können. Das trainieren wir dann. Der erste Schritt ist immer, dass man merkt, wenn man falsch singt.

Zurück zum Deutschen Chorwettbewerb. Wie schätzen Sie sich im Vergleich zur Konkurrenz ein?

Schmid: Beim Landeschorwettbewerb hatten wir ja eine starke Konkurrenz mit dem 4 x 4 Frauenchor aus Heidelberg. Aber ich finde, wir haben uns gut geschlagen. Die Jury hat uns rückgemeldet, sie hätten sich nur schwer entscheiden können, aber sie durften eben nur einen Chor direkt weiterleiten. So fahren wir sozusagen zweiter Klasse nach Hannover. Und bei der nationalen Konkurrenz kenne ich natürlich viele nicht. Das muss man dann sehen.

Womit wären Sie zufrieden?

Schmid: Puh, also wenn wir von den acht Chöre in unserer Kategorie unter die ersten drei kämen, das fände ich schon schön. (lacht)

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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