Ludwigshafen. Atomausstieg, Kohleausstieg, halbherzige Wende und dann auch noch ein Krieg, der eine massive Energie-Krise zur Folge hat: Gehen in Deutschland in diesem Winter die Lichter aus? Die Angst davor greift offenbar um sich. Und so sind an diesem Donnerstagabend bei der IHK Ludwigshafen fast alle Plätze belegt. Mehr als 70 Besucherinnen und Besucher wollen wissen: Wie wahrscheinlich ist ein Blackout?
Natürlich hat es Wolfram Wellßow etwas weniger drastisch formuliert. Schließlich war er bis vor kurzem noch Inhaber des Lehrstuhls „Energiesysteme und Energiemanagement“ an der Technischen Universität Kaiserslautern und ist immer noch Vorsitzender des Energiebeirats der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Doch im Kern geht es in seinem vom Forum Wissenschaft, Wirtschaft und Politik organisierten Vortrag genau darum. Und seine Antworten klingen teilweise durchaus beunruhigend.
Denn gleich zu Beginn stellt er klar: „Kann ein Blackout passieren? Natürlich.“ Wird es dazu auch kommen? „Die einzige seriöse Antwort darauf lautet: Ich weiß es nicht.“ Wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit eines totalen Stromausfalls? Lässt sich kaum vorhersagen, so der Experte, ehe er doch noch etwas Beruhigendes hinzufügt: „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr klein.“ Allerdings sei sie zuletzt vermutlich größer geworden: „Denn ein gestresstes System hat weniger Reserven.“
Nachdem diese zentralen Punkte abgehakt sind, erklärt Wellßow die Details: etwa, dass die Stromnetze Europas miteinander verbunden sind und in 35 Länder mehr als 530 Millionen Einwohner versorgen; dass innerhalb dieses Systems jeder jedem hilft („Hier funktioniert Europa super“); dass es seit dem Aufbau dieses Verbunds vor 70 Jahren noch keinen Totalausfall gegeben hat; oder dass es im Stromnetz ständig einen Ausgleich geben muss zwischen dem Bedarf und der Erzeugungskapazität. Und genau da beginnt das Problem.
Ständiges Ausbalancieren von Nachfrage und Angebot
Denn wenn dieser Ausgleich nicht funktioniert, verändert sich die Frequenz im Netz – woraufhin sämtliche angeschlossenen Geräte zum Eigenschutz abschalten. Das ständige Ausbalancieren von Nachfrage und Angebot ist also das Hauptinstrument, um das System vor dem Kollaps zu bewahren. Und so kann es durchaus sein, dass in kritischen Momenten gezielt manchen Verbrauchern der Saft abgedreht wird, um die restlichen zu schützen: Brownouts nennen die Fachleute das, weil dann nur in bestimmten Gebieten der Strom ausfällt.
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Wie wahrscheinlich es ist, dass es in Deutschland in diesem Winter zu solch einem Szenario kommt, haben die vier Übertragungsnetzbetreiber, die es hierzulande gibt, unlängst in einem sogenannten Stresstest ausgerechnet. Dabei handelt es sich teilweise um „worst, worst, worst case-Szenarien“, betont Wellßow. Dennoch fällt seine Interpretation der Ergebnisse eindeutig aus: „Kann das Netz das? Die Antwort ist: Nein!“ Insbesondere zwischen dem windreichen Norden und dem verbrauchsstarken Süden seien die Übertragungsnetze viel zu schwach ausgebaut: „Wir haben unsere verdammten Hausaufgaben nicht gemacht.“ Daran ändere auch das Kanzlermachtwort zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke wenig: „Es hilft, aber es löst nicht das Problem.“
Im schlimmsten Fall könnte es also in Süddeutschland in diesem Winter durchaus zu lokalen oder regionalen Stromausfälle kommen, bescheinigt der Experte. In Panik müsse deshalb aber niemand verfallen. „Selbst wenn es passiert: Die Welt geht davon nicht unter“, sagt Wellßow. In vielen, auch hoch entwickelten Ländern der Erde wie etwa in den USA komme es regelmäßig zu tageweise Ausfällen. Und der Wiederaufbau des Netzes sei trainiert: „Wenn die Anlagen zur Verfügung stehen, sind wir in einem Tag wieder da.“ Darum rät er zu Gelassenheit – und dazu, sich im Keller einen kleinen Vorrat anzulegen.
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