Software

Paukenschlag in Walldorf: SAP kommt nicht zur Ruhe

Der Walldorfer Softwarekonzern SAP hat die Notbremse gezogen und die Nachfolge von Aufsichtsratschef Hasso Plattner neu geregelt. Was der Betriebsrat und die Aktionärsschützer dazu sagen

Von 
Tatjana Junker und Walter Serif
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Als die Welt bei SAP noch in Ordnung war: Aufsichtsratschef Hasso Plattner (l.) und sein Doch-Nicht-Nachfolger Punit Renjen (r.). © Uwe Anspach/dpa/SANOMA Kuva/Heidi Piiroinen

Walldorf. Zugegeben, die Schuhe von Hasso Plattner sind für jeden übergroß. Dass der Softwarekonzern SAP aber am Sonntagabend seinen designierten Nachfolger als Aufsichtsratschef ausgetauscht hat, passt zu den vielen Personalquerelen, mit denen die Walldorfer in letzter Zeit immer wieder Kopfschütteln auslösen. Da helfen auch Plattners Lobeshymnen wenig, die er auf den neuen Mann singt. „Mit der Wahl von Pekka Ala-Pietilä bin ich zuversichtlich, dass der Aufsichtsrat der SAP in den besten Händen ist. Seine Vision und seine bedächtige Vorgehensweise sind genau das, was die SAP braucht.“

Trennung mit Schmerzen: Vorgesehener Aufsichtsratschef Renjen verlässt SAP

Doch nicht nur der mittlerweile 80-jährige Übervater der SAP muss sich jetzt natürlich die Frage stellen lassen, warum Europas größter Softwarekonzern dem Publikum eine Not- als Ideallösung verkaufen will. Denn vor einem Jahr wurden ja die Weichen für Punit Renjen gestellt, der frühere CEO des US-Beratungsunternehmens Deloitte wurde mit mehr als 99 Prozent der Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt. Dass die Hauptversammlung den indisch-amerikanischen Manager im Mai 2024 als Plattners Nachfolger installieren würde, galt damals schon als sicher.

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Dass die Trennung von Renjen nun wirklich „einvernehmlich“ war, wie es in der Pressemitteilung heißt, dürfte sich deshalb nicht mit der Realität decken. Bemerkenswert ist es ja schon, dass der 67-jährige Finne Pekka Ala-Pietilä in der Presseerklärung mit salbungsvollen Worten seine Freude darüber zum Ausdruck bringen kann, dass er mit den „großartigen Menschen bei SAP“ zusammenarbeiten darf. Ein Statement von Renjen taucht dagegen nicht auf. Da passt es ins Bild, dass dieser in seinem LinkedIn-Profil bereits sämtliche SAP-Spuren getilgt hat.

Warum also jetzt die Kehrtwende? In Plattners Lobeshymne auf Ala-Pietilä heißt es an einer entscheidenden Stelle, dass dieser „ein tiefgreifendes Verständnis für die Komplexität der europäischen SE-Governance“ mitbringe. Das war bei Renjen offensichtlich anders, dessen Weggang SAP mit den „unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender“ begründete.

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Was ist damit gemeint? In Deutschland gibt es eine klare Trennung in der Unternehmensführung. Der Vorstand leitet das operative Geschäft, der Aufsichtsrat kontrolliert. Diese Corporate Governance unterscheidet sich von der Praxis in den USA, dort verschwimmen die Grenzen. „Dass es mit Renjen nicht geklappt hat“ - so ist aus dem Konzern zu hören - habe daran gelegen, dass sich dieser nicht an die „deutschen Gepflogenheiten“ der Unternehmensführung gehalten habe. Hat er Vorstandssprecher Christian Klein zu oft auf die Finger geklopft? Die Unzufriedenheit mit Renjen zeichnete sich wohl schon länger ab, der Trennungsbeschluss ist dagegen erst kurzfristig gefallen.

Pekka Ala-Pietilä © SANOMA Kuva: Heidi Piiroinen

„Er kennt SAP, er kennt das deutsche Aufsichtsrats-System"

Jella Benner-Heinacher sieht in der Entscheidung für Ala-Pietilä unterdessen auch Vorteile für SAP. Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) verweist darauf, dass der Finne bei SAP viele Jahre im Aufsichtsrat gesessen hat. „Er kennt SAP, er kennt das deutsche Aufsichtsrats-System, und er kennt die deutschen Corporate-Governance-Regeln“, so Benner-Heinacher. „Damit hat er es vermutlich leichter als jemand, der bisher nur das US-amerikanische Board-System kennt.“

Und was sagt der Betriebsrat? Der muss die neue Lage erst einmal sacken lassen. „Für uns kommt die Ankündigung sehr überraschend. Offenbar will man gerade bei SAP alle Baustellen auf einmal bearbeiten: Cloud-Transformation, Homeoffice, Restrukturierung“, sagt Betriebsratschef Eberhard Schick und bemerkt kritisch: „Die jetzige Lösung für die Nachfolge von Plattner hätte man früher haben können. Das hätte uns das Hin- und Her erspart.“

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Auch er verweist wie Benner-Heinacher also darauf, dass Ala-Pietilä bei SAP ein alter Bekannter ist. Der Betriebsratschef sieht bei Ala-Pietilä jedenfalls gewisse Vorzüge. „Mit ihm werden wir einen Vorsitzenden bekommen, der SAP kennt und sich mit einem europäisch geprägten Arbeits- und Sozialmodell auskennt.“ Da Ala-Pietilä nur einen Zwei-Jahres-Vertrag bekommt, hofft Schick, dass dieser „die langfristige Entwicklung von SAP im Blick hat, auch über das Jahr 2025 hinaus, und nicht nur an kurzfristigen Rendite-Zielen interessiert“ ist. Anders als für Schick kommt für Aktionärsschützerin Benner-Heinacher die Trennung „nicht wirklich überraschend“. Sie verweist auf die Hauptversammlung 2023. „Als sich Punit Renjen als neues Aufsichtsratsmitglied vorgestellt hat, meinte Herr Plattner ja sinngemäß schon, man werde das mit Renjen jetzt mal ein Jahr ausprobieren, bevor er dann den Vorsitz übernimmt. Diese Bewährungsprobe ist jetzt offenbar gescheitert“, sagt sie.

Generell sei es „riskant“ gewesen, für den wichtigen Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden jemanden zu wählen, der wie Renjen von außen und nicht aus dem Unternehmen selbst gekommen sei, sagt Benner-Heinacher. „Man wollte ja ursprünglich auch eine interne Lösung, das hat aber nicht geklappt“, so die Aktionärsschützerin.

Zu hohe Ansprüche?

Für die Aktionäre ist es nach Benner-Heinachers Einschätzung jetzt entscheidend, dass endlich eine stabile Lösung gefunden wird: „Das sage ich seit sicher acht Jahren auf jeder Hauptversammlung.“ Und: „Plattner mag unersetzbar erscheinen und vermutlich werden wir einen Aufsichtsratsvorsitzen wie ihn auch kein zweites Mal finden. Aber es muss eine gesicherte Nachfolge-Lösung her. Im Zweifel muss man dafür eben auch die Ansprüche etwas herunterschrauben.“ Wichtigste Aufgabe für den künftigen SAP-Aufsichtsratsratschef ist es aus Sicht der Aktionärsschützerin Benner-Heinacher, mehr Ruhe in den Vorstand des Unternehmens zu bringen. Aber das ist mit Blick auf die jüngere Vergangenheit fast schon Wunschdenken.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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