Interview

Muten Sie den SAP-Beschäftigten zu viel zu, Herr Klein?

Alles auf Cloud und Künstliche Intelligenz - SAP strukturiert um und streicht weltweit 8000 Jobs. Vorstandssprecher Christian Klein über seine Strategie und strengere Büro-Regeln

Von 
Alexander Jungert
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SAP-Vorstandssprecher Christian Klein während der jüngsten Bilanzpressekonferenz in Walldorf. © Uwe Anspach/dpa

Walldorf. Herr Klein, muten Sie den Beschäftigten von SAP zuviel zu?

Christian Klein: Die Technologie-Industrie ändert sich unglaublich schnell. Es gibt viele Unternehmen, die heute nicht mehr relevant sind. Das wirkt sich auch auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen aus. Deshalb behalten wir die Zukunft von SAP und künftiges Wachstum im Fokus. Und deshalb investieren wir auch viel in die Aus- und Weiterbildung, um den Beschäftigten zu helfen, sich auf die neue Welt von Cloud-Software und Künstlicher Intelligenz vorzubereiten.

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Bei den meisten der weltweit rund 8000 betroffenen Stellen sollen Freiwilligenprogramme und interne Umschulungsmaßnahmen zum Tragen kommen. Können Sie mehr Details nennen? Wie viele Beschäftigte sind zum Beispiel in Deutschland betroffen?

Klein: Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern laufen, hier wird man sich auf die Konditionen einigen. So lange wir damit nicht fertig sind, wäre eine Aussage unseriös. Grundsätzlich lässt sich sagen: Zwei Drittel der Beschäftigten werden voraussichtlich über freiwillige Maßnahmen aus ihrem alten Job ausscheiden - per Aus- und Weiterbildung oder eben per Vorruhestand. Das übrige Drittel geht auf andere Weise, aber in Deutschland schließen wir betriebsbedingte Kündigungen aus! Wir werden niemanden zu einer neuen Tätigkeit zwingen. Das können und wollen wir auch nicht. Generell ist es die Absicht, allen betroffenen Beschäftigten eine Chance zu geben, noch einmal etwas Neues zu beginnen.

Wie ist der Zeitplan?

Klein: Wir wollen im ersten Quartal verhandeln und uns dafür die nötige Zeit lassen. Vor dem zweiten Quartal geht es nicht an die Umsetzung. Das ist der grobe Rahmen.

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Geht das jetzt in den nächsten Jahren so weiter mit den Umstrukturierungen?

Klein: Niemand hat die starke Entwicklung von OpenAI und von generativer KI vorhergesagt. Die Arbeitsabläufe mit dieser Technologie müssen sich erst einmal finden. Und wie ich vorhin erklärt habe: Der Wandel in der Technologie geht schnell voran. So ein großes Programm wie aktuell wird SAP nächstes Jahr höchstwahrscheinlich nicht haben.

Ein neues Bewertungssystem soll Beschäftigte einteilen in Leistungsträger, in Beschäftigte, die die Erwartungen erfüllen, und solche, die sich dringend verbessern müssen. Die Furcht bei Arbeitnehmervertretern wächst, dass sich die Kultur der Zusammenarbeit bei SAP nachhaltig verschlechtert.

Klein: Ich kann mich gut daran erinnern, wie mich Jim Hagemann Snabe (ehemaliges Vorstandsmitglied und Co-Vorstandsvorsitzender von SAP, Anm. d. Red.), einmal zur Seite genommen und gesagt hat: Christian, was du eben gezeigt hast, war nicht so gut. Das war kein angenehmes Gespräch. Aber auch das gehört zu Führungsstärke. Ich habe mir Gedanken gemacht, und er hat mir geholfen, besser zu werden. Ohne das fehlt ein wesentlicher Bestandteil der Mitarbeiterförderung. Und ich finde auch, dass sich die Entlohnung hieran orientieren muss, schließlich leben wir in einer Leistungsgesellschaft! Eine Fußball-Mannschaft entwickelt sich auch nicht weiter, wenn sich der Trainer nach einer 0:5-Niederlage hinstellt und sagt: Ihr wart alle super. Ich möchte diese Leistungskultur wieder fördern.

Frisch gebackene Väter bei SAP in Deutschland sollten seit Anfang des Jahres sechs Wochen bezahlten Sonderurlaub bekommen. Daraus wird erst einmal nichts. Warum haben Sie die Partnerzeit* auf Eis gelegt?

Klein: Zwei Punkte dazu: Erstens diskutiert die Regierung immer noch über die Pläne von Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Es gibt noch Unklarheiten. Zweitens, und das ist der entscheidende Punkt, der uns dazu bewogen hat, das Konzept zu überdenken: Kollegen aus anderen Ländern haben angefragt, ob für sie etwas Ähnliches bereitgestellt wird. SAP ist ein globales Unternehmen - deshalb müssten wir eine Lösung für alle finden. Das Angebot nur auf Deutschland zu beziehen, war zu kurz gedacht.

Wie könnte es also weitergehen?

Klein: Solch ein Programm hat global natürlich eine ganz andere Wirkung und ist ein völlig anderer Kostenfaktor. Zudem ist gründlich abzuwägen, es gibt schließlich noch andere Leistungen für Beschäftigte wie Aktienbeteiligungsprogramme und so weiter. Finanzchef Dominik Asam hat seine Sicht darauf, und die neue Personalvorständin Gina Vargiu-Breuer wird bestimmt auch ihre Meinung haben.

Man gewinnt den Eindruck, dass in der Personalpolitik vieles zurückgedreht wird, auch zum Nachteil der Beschäftigten. Ein anderes Beispiel ist, dass Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig wieder öfter ins Büro holen möchten - drei Tage die Woche.

Klein: Ich trage eine Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und für weltweit mehr als 100 000 Beschäftigte. Nicht allen lässt es sich recht machen. Ich aber habe immer das langfristig Beste für das Unternehmen im Sinn. Was das Arbeiten zuhause und im Büro angeht: Wir werden niemanden kontrollieren. Aber es ist für die Kultur bei SAP sehr wichtig, dass wir uns von Zeit zu Zeit als Team persönlich treffen und Dinge besprechen - und nicht mit 20 Kollegen im Videocall sitzen und keiner so recht weiß, wann er oder sie zu Wort kommt. In Präsenz hat das eine ganz andere Dynamik. Trotz Umstrukturierung werden wir zum Ende des Jahres wieder annähernd die gleiche Anzahl an Mitarbeitenden haben. Und in Zukunft wollen wir weiter wachsen. Die Kolleginnen und Kollegen, die wir neu einstellen, gilt es, ins Unternehmen zu integrieren - und das geht nur schwer, wenn sie nur im Homeoffice sitzen.

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Die frühere, breite Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes gibt es aber nicht mehr.

Klein: Flexibel sind wir weiterhin. Es gibt Tage, da geht es einfach nicht anders. Vor Kurzem war meine kleine Tochter krank, und dann muss eben jemand zuhause bleiben, wenn Oma und Opa keine Zeit haben. Dann funktioniert es mal eine Woche nicht mit drei Tagen Büro. Aber Standorte ohne Belegung - das können wir uns nicht erlauben. Es freut mich, wenn die Kantine hier in Walldorf wieder voller wird und ich Kollegen treffe. Der Campus lebt.

Sind denn die Gebäude in Walldorf noch darauf ausgerichtet, wenn alle wieder zurückkommen?

Klein: Wir investieren zurzeit nicht nur in Baumaßnahmen in Walldorf, sondern bauen auch die Standorte München und Berlin aus. Alle haben Platz und können arbeiten, wir sind darauf vorbereitet. Das betrifft auch die Zu- und Abfahrt in Walldorf. Auch die Wartezeiten in der Kantine sollen im Rahmen bleiben, wenn wieder mehr zum Essen kommen. Wir wollen die optimalen Bedingungen bieten, das gilt auch für den Heimarbeitsplatz.

In Walldorf arbeiten Menschen aus der ganzen Welt. Sehen Sie im Aufstreben der AfD eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Klein: Ich treffe hier viele Menschen aus Indien, Brasilien, aus den USA. Wir sind glücklich, sie bei uns zu haben. Deutschland muss sehr vorsichtig sein, dass sich diese Talente nicht diskriminiert fühlen. Denn wir brauchen sie, um Innovationen zu liefern. Die deutsche Wirtschaft profitiert von Vielfalt, Offenheit und internationaler Zusammenarbeit, während rechtsextreme Ansichten diese positiven Aspekte untergraben und das internationale Ansehen Deutschlands schädigen.

SAP-Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner verabschiedet sich im Mai auf der Hauptversammlung. Was bedeutet das für Sie persönlich?

Klein: Hasso Plattners Verdienste für SAP sind klar. Eine Feier zu einem Termin rund um die Hauptversammlung ist geplant, alles andere wäre nicht akzeptabel (lacht). Es spielt schon etwas Wehmut mit, auf der anderen Seite haben wir mit Punit Renjen als neuen Aufsichtsratsvorsitzenden einen exzellenten Nachfolger gefunden. Für mich war es jedenfalls schön zu sehen, welche Anerkennung Hasso Plattner kürzlich zu seinem 80. Geburtstag bekommen hat. Jedem Firmengründer gebührt größter Respekt. Wir haben in Deutschland viel zu wenige Menschen, die sagen: Ich gründe ein Unternehmen, fokussiere mich darauf und tue alles, damit es erfolgreich wird.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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