Walldorf. „Den habe ich mir verdient“, witzelt SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig und zeigt den kleinen DSAG-Anstecker in die Kamera. Immerhin sei er jetzt schon zum sechsten Mal auf dem Jahreskongress der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) dabei. „Dieser Austausch ist für uns unheimlich wichtig.“
Drei Tage lang treffen in der Messe Bremen Kunden und Partner mit Vertretern des Softwarekonzerns zusammen. Insgesamt mehr als 5.000 Menschen sind da. Das Programm ist gefüllt mit Vorträgen, Sitzungen und „Espresso-Sessions“. Das Motto: „The Art Of Balance“. Die Zeiten seien rau, unsicher und komplex, alles verändere sich schnell. Ambitionierte Innovationen müssten mit realen Bedürfnissen der Anwenderunternehmen in Einklang gebracht werden, heißt es. Das grenze an einen Balanceakt. Daher das Motto.
Kritik an zu hohem Tempo von SAP
Was das mit SAP zu tun hat? Sehr viel. Immerhin steuern die meisten Unternehmen hierzulande ihre Abläufe mit SAP-Programmen. „Der Weg in die Cloud ist aus unserer Sicht richtig, doch er ist anspruchsvoll“, erklärt der DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens Hungershausen auf einer virtuellen Pressekonferenz. Zwar steige der Zuspruch zur Cloud-Strategie, doch der Softwarehersteller legt offensichtlich ein zu hohes Tempo vor. Es sei nicht für alle Unternehmen und Organisationen realistisch, kritisiert Hungershausen.
Saueressig hingegen erklärt, dass auf alle Kunden eingegangen werde – und stellt, in feinstem SAP-Sprech, „individuelle Transformationsjourneys“ in Aussicht.
Im Zentrum dieser neuen Welt steht: Künstliche Intelligenz (KI). Der DSAG-Investitionsreport zeigt, dass mehr als zwei Drittel der Befragten KI generell eine hohe und mittlere Relevanz beimessen. Fast die Hälfte sieht einen sehr hohen und hohen potenziellen Nutzen in SAP-Anwendungen.
Das Management will keine Zeit verlieren. Bis Ende des Jahres will SAP mehr als 400 KI-Anwendungen haben, dazu mehr als 60 sogenannte Agenten. Mit James Bond haben diese aber nichts zu tun. Vielmehr sind sie Experten für betriebswirtschaftliche Fragen.
KI-Agenten von SAP agieren untereinander
Ein Beispiel aus der Finanzbuchhaltung: Falsche oder fehlende Rechnungen werden aufgespürt. Bevor es zum Streit mit einem Kunden kommt, sollen sich die KI-Agenten einschalten und Lösungen vorschlagen. Die Agenten wiederum agieren untereinander und arbeiten mit „Joule“ zusammen, einem digitalen Assistenten.
SAP-Chef Christian Klein hat schon länger Produktivitätssteigerungen von bis zu 30 Prozent durch KI versprochen, Saueressig bestätigt dieses Ziel auf Nachfrage.
Klingt alles schön und gut, doch Hungershausen gibt zu bedenken, dass unter den Mitgliedsfirmen nicht nur Dax-Konzerne seien – sondern auch viele kleinere und mittlere Unternehmen. Der Mehrwert müsse deutlich werden und der Einsatz sich rechnen. Hier müsse SAP noch aktiver werden.
„Ebenso wichtig ist die Transparenz darüber, wo KI in SAP-Lösungen eingesetzt wird und auf welchen Daten sie basiert“, meint Hungershausen. Auch müsse klar kommuniziert werden, wie KI in den bestehenden SAP-Landschaften genutzt werden könne und welche Kosten dabei anfielen.
KI rückt Cybersecurity in den Vordergrund
Für die Anwendergruppe ist klar, dass KI automatisch das Thema Informationssicherheit – Cybersecurity – befeuern wird. Schließlich verarbeiten KI-Systeme gigantische Mengen an Daten.
SAP sei sich dessen bewusst und biete entsprechende Lösungen an. Gleichzeitig seien Unternehmen und Organisationen in der Pflicht, sich intensiver damit auseinanderzusetzen, fordert Hungershausen. „Es gilt, sowohl die Cloud-Infrastruktur als auch KI-Anwendungen vor Angriffen zu schützen – nicht zuletzt, da die Künstliche Intelligenz ja in beide Richtungen wirken kann, also Schaden verhindern, aber auch verursachen.“
Saueressig erinnert an die jüngst vorgestellten Pläne von SAP, sich noch stärker für eine souveräne Cloud einsetzen zu wollen. So sollen alle Kundendaten in der Europäischen Union bleiben und sich die Abhängigkeit von mächtigen US-Konzernen wie Google und Amazon verringern. Aus einem Topf mit 20 Milliarden Euro sollen über das nächste Jahrzehnt Rechenzentren und Server finanziert werden, zudem laufende Kosten wie Produktentwicklung und Betrieb der Standorte in verschiedenen Ländern.
SAP-Manager Saueressig verspricht: „Wir werden liefern“
Und wie gut läuft das Geschäft mit KI nun wirklich? Die Nutzerzahlen steigen, beschwören die Walldorfer. Doch SAP und Konkurrenten wie Microsoft oder Salesforce tun sich schwer, Zahlen zu nennen, die den wirtschaftlichen Erfolg von KI-gestützten Produkten untermauern. Zumindest noch.
SAP jedenfalls nimmt für sich in Anspruch, das Realistische im Auge behalten zu wollen – und keine „Traumvision“ zu verbreiten, wie es aus Sicht von Saueressig so manch anderer Hersteller tut. Der Manager verspricht: „Wir werden liefern.“ Spätestens auf dem nächsten Jahreskongress der DSAG, es wäre sein siebter, wird man Saueressig daran erinnern.
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