Fußball-WM

Fußballfan Heike Gels berichtet von der WM in Katar: „Ich spüre hier viel Stolz“

Seit Jahren folgt Heike Gels der deutschen Nationalmannschaft, wo sie auch spielt, und war schon bei fünf Weltmeisterschaften vor Ort. Im Interview verrät sie, was an der laufenden WM besonders findet und wie sie sich als Frau in Katar fühlt

Von 
Frank Hellmann
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Heike Gels war schon bei Weltmeisterschaften auf drei Kontinenten. Nun kam mit Asien bei ihrer fünften WM der vierte hinzu. © Frank Hellmann

Frau Gels, Sie gehören im Fanclub der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu den treuesten Anhängerinnen. Welches war Ihr erstes Länderspiel?

Heike Gels: Bei der WM 1982 habe ich bereits alle Spiele im TV gesehen und immer bei einem Gewinnspiel mitgetippt. Da habe ich eine Karte für ein Länderspiel im alten Parkstadion in Gelsenkirchen gegen Österreich gewonnen. Ich bin mit einer Deutschland-Flagge hin, die ich mit Wasserfarben gemalt hatte und war froh, dass es nicht geregnet hat.

Welche Weltmeisterschaft haben Sie zuerst vor Ort verfolgt?

Gels: Die WM 2006. Ich war bei Spielen in Berlin, Kaiserslautern, Nürnberg und München - das war richtig stressig. Ich bin ja nicht mit dem Hubschrauber geflogen wie Franz Beckenbauer. Für die WM 2010 in Südafrika habe ich mir über Ebay eine Karte organisiert und bin alleine zum Spiel der Deutschen gegen Ghana geflogen. Danach war mir klar, dass man bei einer WM viele Menschen aus unterschiedlichsten Nationen kennenlernen kann.

Also waren Sie bei der WM in Brasilien länger dabei?

Gels: Ich hatte mir Tickets bis zum Viertelfinale besorgt. Nach dem Spiel gegen Frankreich bin ich von Rio de Janeiro zunächst im leeren Flieger nach Frankfurt zurück. Als es für das Finale kurzfristig vom Fanclub ein Angebot für einen Fanflieger gab, habe ich sofort gebucht. Morgens ums vier gelandet, nachmittags um vier das Finale. Mir wurden zwischenzeitlich fast 4000 Euro für die Finalkarte geboten, aber das habe ich abgelehnt.

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Auch wegen des Umgangs mit den Frauenrechten steht Katar in der Kritik. Stand es für Sie zur Debatte, nicht zu dieser WM zu reisen?

Gels: Ich bin mit gemischten Gefühlen hin, aber ich hatte kein schlechtes Gewissen. Nichtsdestotrotz habe ich mir gesagt: Das hätte vor zwölf Jahren anders entschieden werden müssen. Das aber an den Sportlern, den Fans oder den Einheimischen auszulassen, ist verkehrt. Ich war bereits 2015 bei der Handball-WM in Doha. Damals habe ich festgestellt, dass vieles in der männerdominierten Welt schwierig ist, aber letztlich fühlst du dich als Frau hier sicher. Du wirst hier nicht belästigt.

Also ist die viele Kritik übertrieben?

Gels: Als Touristin ist das schwer, zu beurteilen. Man bekommt ja nur das zu sehen, was man sehen soll. Man muss sich sehr an die vorgegebenen Wege halten und der Kontakt zu den Einheimischen ist begrenzt. 2015 haben wir aber mit einer Gruppe von Katarern sprechen können, die mit uns sogar Bier getrunken haben.

Was ist für Sie prägend an diesem Turnier?

Gels: Alle Nationen sind hier in einer Stadt. Sonst sieht man an einem Spieltag ja fast nur die Fans des Gegners. Als wir angekommen sind, hat gerade Saudi-Arabien gespielt. Da habe ich viele verschleierte Frauen gesehen, die stolz Schals und Fahnen gezeigt haben. Das war schön, zu sehen. Wir sagen vielleicht, das sind keine Fußballnationen, aber können wir das beurteilen? Ich spüre hier viel Stolz, dass eine WM in einem arabischen Land stattfindet.

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Sie sind aber wegen der deutschen Mannschaft hier. Was hat Ihnen beim DFB-Team bisher gut und nicht so gut gefallen?

Gels: Richtig gut kann ich bisher noch nicht viel finden. Es fing mit der unsäglichen Debatte um die „One Love“-Binde an, bei der letztlich kein Rückgrat gezeigt worden ist. Dann das verschenkte Spiel gegen Japan, das mich wirklich enttäuscht hat. Und dass Hansi Flick alleine zur Pressekonferenz kommt, geht auch nicht.

Heike Gels

Heike Gels ist 53 Jahre alt und stammt aus Moers.

Als Kind besuchte sie zunächst Bundesligaspiele von Bayer Uerdingen im alten Grotenburg-Stadion, ehe sie 1999 beruflich nach Frankfurt zog, wo sie als Projektmanagerin tätig ist.

Inzwischen ist sie regelmäßig bei Heimspielen von Eintracht Frankfurt zu Gast.

Außerdem besucht sie nahezu alle Länderspiele – ob daheim oder auswärts.

Seit 2006 hat sie jede Weltmeisterschaft besucht.

Ihren Lebensgefährten lernte sie 2017 beim Länderspiel in Aserbaidschan kennen. In Katar sind beide zusammen vor Ort.

Das Bild der DFB-Auswahl erleidet also weiteren Schaden?

Gels: Ja, die Distanz zur Mannschaft wächst weiter.

Bereuen Sie den WM-Trip?

Gels: Auf keinen Fall. Auch wenn einige Dinge für uns nicht so gut sind, ist es eine super interessante Erfahrung, die anderen Kulturen zu erleben. Ich finde auch das Drumherum um die Stadien wirklich spannend.

Was erwarten Sie vom letzten deutschen Gruppenspiel gegen Costa Rica?

Gels: Ich erinnere mich an das letzte Spiel gegen Südkorea bei der WM 2018, als die Ausgangslage ganz ähnlich war. Vor diesem Hintergrund bin ich noch vorsichtig. Mir fehlt immer noch der letzte Enthusiasmus. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie bis ins Viertelfinale kommen, aber der Optimismus von 2014 ist bei mir nicht mehr da.

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