Freiburg. Im Überschwang der Gefühle griff Lothar Matthäus ein bisschen zu hoch ins Regal. „Das war eines der besten Spiele, das ich von der deutschen Nationalmannschaft jemals gesehen habe“, sagte der Rekordnationalspieler und RTL-Experte nach dem 7:0 (3:0)-Sieg gegen Bosnien-Herzegowina in Freiburg. Die DFB-Elf zeigte in der Tat „Traumfußball“ (Matthäus) und zerlegte einen bemitleidenswerten Gegner 90 Minuten lang förmlich in seine Einzelteile. Aber in die Bewertung muss natürlich auch einfließen, dass die von Ex-HSV-Stürmer Sergej Barbarez trainierten Bosnier aktuell auf internationalem Parkett irgendwo zwischen zweit- und drittklassig angesiedelt sind.
Fußball-Fest zum DFB-Debüt in der neuen Freiburger Arena
Julian Nagelsmann freute sich selbstverständlich über das unterhaltsame Fußball-Fest beim DFB-Debüt in der neuen Freiburger Arena. Als er in der Pressekonferenz allerdings danach gefragt wurde, ob Vergleiche zum legendären 7:1-Erfolg im WM-Halbfinale 2014 gegen Gastgeber Brasilien angebracht seien, antwortete der Bundestrainer zurückhaltend-distanziert. „Die Spielwichtigkeit war damals deutlich größer, aber Lust hatten wir heute auch“, sagte Nagelsmann. Es passte nur zu gut zu diesem perfekten Abend, an dem die DFB-Elf vorzeitig Platz eins in der Vorrundengruppe der Nations League perfekt machte, dass Weltmeister-Coach Joachim Löw Augenzeuge einer der besten deutschen Auftritte seit dem WM-Triumph vor zehn Jahren war. „Er hat sich sicherlich ganz ordentlich unterhalten gefühlt“, sagte Nagelsmann über seinen Vor-Vorgänger als Tribünengast.
Eine leichte Untertreibung für den wunderbaren Spaß-Fußball, den die deutsche Auswahl im Breisgau auf den Platz zauberte. Wohlgemerkt gegen einen Gegner, der zurzeit im Neuaufbau begriffen ist, aber natürlich über ein deutlich besseres Niveau als typische Fußball-Zwerge wie San Marino oder Liechtenstein verfügt. „Wahnsinn, was heute passiert ist. So viele Tore zu schießen bei einem Länderspiel, bei einem Nations-League-Spiel, das ist brutal“, sagte Torhüter Oliver Baumann, der auch in seinem zweiten Länderspiel ohne Gegentor blieb.
In der Offensive hätten noch mehr Tore als die von Jamal Musiala (2.), Tim Kleindienst (23., 79.), Kai Havertz (37.), Florian Wirtz (50., 57.) und Leroy Sané (66.) herausspringen können. Es war ein sagenhaft druckvoller Auftritt, eine echte Gala.
„Wir haben ein unglaublich gieriges Spiel abgeliefert, sowohl offensiv wie defensiv. Wir haben auch in der zweiten Halbzeit nicht nachgelassen, auch nicht nach den Wechseln“, analysierte Nagelsmann und stellte einen taktischen Aspekt heraus: „Das Gegenpressing war das Beeindruckendste heute. Das ist schon außergewöhnlich gut gewesen.“
Ist die Nationalmannschaft zurück in der absoluten Weltspitze?
Den siechenden Abwärtstrend der Post-2014-Ära hat Nagelsmann innerhalb nur eines Jahres gedreht. Die DFB-Elf, das zeigte schon die zurückliegende Heim-EM, bewegt sich wieder auf Augenhöhe mit den besten Nationen, die Stimmung rund ums Team wirkt fast schon euphorisch. Aber ist die Rückkehr in die absolute Weltspitze damit abgeschlossen? Der Bundestrainer wollte das öffentlich noch nicht konkret bestätigen. „Näher dran sind wir schon“, sagte Nagelsmann in Freiburg nur. Mit 17 Toren stellt Deutschland auf jeden Fall die beste Offensive der laufenden Nations-League-Runde, die das DFB-Team am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) mit dem für die Tabelle bedeutungslosen Spiel in Budapest gegen Ungarn beschließt.
Detailliertere Aufschlüsse über den Leistungsstand der Nagelsmann-Elf wird die K.o.-Phase des Wettbewerbs liefern, die zwischen dem 20. und 25. März mit einem Viertelfinale in Hin- und Rückspiel beginnt, bevor ab dem 4. Juni die Endrunde ansteht - die möglicherweise in Deutschland stattfinden wird. Im eigentlich turnierfreien Sommer 2025 bietet sich die Gelegenheit, mit einem Titelgewinn weiteren Rückenwind mit Blick auf das Fernziel WM 2026 zu bekommen.
Im Viertelfinale trifft das DFB-Team als Erster von Gruppe 3 definitiv auf einen Gruppenzweiten. Mögliche Gegner sind (Stand Sonntag, 18 Uhr) Vizeweltmeister Frankreich, Italien, Kroatien, Schottland, Dänemark oder Serbien. Spanien und Portugal stehen hingegen ebenfalls bereits als Gruppensieger fest. „Es werden bessere Gegner kommen als heute, aber die Entwicklung ist eine gute“, sagte Nagelsmann nach dem Fest gegen Bosnien. Bei der Auslosung des Viertelfinales am Freitag wünscht sich garantiert niemand die deutsche Elf als Konkurrenten.
Die Gier im Team speist sich aus der einzigen Enttäuschung des Jahres - dem Aus gegen Europameister Spanien nach Verlängerung. „Wir haben eine ordentliche Heim-EM gespielt, sind aber trotzdem im Viertelfinale ausgeschieden, allein da liegt schon viel Geheimnis drin, dass wir weiter kommen wollen“, sagte Nagelsmann. Auf diesem Humus gedeihen Leistungen wie am Samstag gegen Bosnien, die nicht nur Lothar Matthäus begeistert zurückließen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport_artikel,-sport-70-gala-gegen-bosnien-ist-die-dfb-elf-zurueck-in-der-absoluten-weltspitze-_arid,2262127.html