Sie spielen. Überall auf der Welt. Und zwar nicht nur auf mehr oder weniger gut gepflegten Rasenflächen, sondern auch auf staubigen Feldern, geschotterten Straßen und notdürftig betonierten Hinterhöfen. Die Voraussetzungen sind unterschiedlich, doch sie alle eint eines. Die Liebe zum Fußball treibt diese Mädchen und Jungen an.
Sie sind es, die mit ihrer kindlichen Unschuld die restlose Hingabe an das Spiel verkörpern. Sie sind es, denen es mit niemals versiegender Leidenschaft um das Spiel an sich geht. Und ausgerechnet sie sind es, denen man erklären muss, warum eine WM in Katar ein Verbrechen am Sport, warum Gianni Infantino als Chef des Weltfußballs ein Bösewicht, warum dieses Turnier moralisch verwerflich ist, warum Mama und Papa diese Weltmeisterschaft weniger als sonst interessiert, warum ein Sponsor der deutschen Nationalmannschaft plötzlich das Sammelalbum verschenkt, für das die Kinder vorher noch Geld bezahlt haben. Und warum der fußballverrückte Mitspieler aus der eigenen Jugendmannschaft die Partien nicht im Fernsehen schauen darf, weil die Familie die WM boykottiert.
Wir müssen es unseren Kindern erklären
Die Antwort ist einfach. Für uns Erwachsene. Aber eben doch so kompliziert, wenn es um Kinder geht. Weil es selbst so schwer zu verstehen und kaum in Worte zu packen ist, was da gerade in der Wüste passiert. Oder besser gesagt: Was der Weltverband FIFA aus dem Fußball gemacht hat. Die Gierigen und Mächtigen haben die Seele des Spiels verkauft, die Ideale des Sports verraten. Wir wussten es. Nun sehen wir es. Und müssen es erklären. Unseren Kindern.
Doch wie sollen die kickenden Mädchen und Jungen auf den mehr oder weniger gut gepflegten Rasenflächen, den staubigen Feldern, den geschotterten Straßen und den notdürftig betonierten Hinterhöfen das verstehen? Und welche Lehren sollen sie daraus ziehen? Wenn von ihnen selbst immer Fairplay erwartet wird, sie nun aber ständig hören, dass da irgendwas mit diesem Turnier grundsätzlich falsch läuft.
Die Kinder mögen vielleicht nicht nachvollziehen können, dass ihr geliebtes Spiel und ihre Leidenschaft gerade für die Propaganda eines verachtenswerten Regimes missbraucht und für einen böswilligen Zweck benutzt wird. Sie verstehen aber, dass diese WM kein Fest, sondern unehrlich ist. Und so wird der von ihnen geliebte Fußball zwangsläufig zu einem Symbol für etwas Schlechtes, was er nun wirklich nicht ist. Denn der Sport verbindet Generationen und Nationen. Vielleicht nicht in Katar. Aber an den allermeisten Stellen der Erde schon.
Fußball hat seine Unschuld verloren
Entsprechend werden die Menschen den Fußball immer lieben. Er ist magisch, faszinierend, fesselnd, anziehend. Ganz einfach unwiderstehlich. Doch er sät im Augenblick Zweifel, sorgt für einen Zwiespalt. Gerade auch bei den Kindern, weil er nicht so unschuldig wie sie selbst ist. Weil es Entscheidungsträger gibt, die ihre persönlichen Interessen über alles andere stellen. Auch über das Spiel an sich. Weil eben diese Schurken in ihrer grenzenlosen Hybris wirklich davon überzeugt sind, dass der Fußball vor allem ihnen gehört.
Doch der Fußball gehört niemandem. Und schon gar nicht irgendwelchen Anzugträgern in irgendwelchen Komitees. Im Gegenteil: Wegen dieser zwielichtigen Figuren mit ihren schmutzigen Machenschaften, ihren mafia-ähnlichen Methoden und ihrer obszönen Geldgier ist der Fußball mit dieser WM an seinem absoluten Tiefpunkt angelangt. Und manch ein Elternteil gegenüber seinen Kindern in echter Erklärungsnot. Denn wie kann etwas auf einmal so schlecht sein, was doch alle lieben?
Der frühere FIFA-Präsident Sepp Blatter träumte einst davon, irgendwann den Friedensnobelpreis zu erhalten. Sieht man von seinen Tricksereien und Täuschungen, seiner Arglist und seiner Sonnenkönig-Attitüde einmal ab, erkannte der frühere Pate des Weltfußballs die eigentliche Kraft des Sports, die es logischerweise immer noch gibt. Trotz des unentschuldbaren Sündenfalls Katar, der im Sinne des Spiels die Stunde null sein und zu einer Zeitenwende, zu seiner Zäsur führen muss. Verbunden mit der Frage: Welchen Platz will der Fußball zukünftig in der Welt einnehmen?
Die Antwort kann und darf nicht mehr weiter lauten, dass er zu einer reinen Gelddruckmaschine verkommt. Der Fußball muss sich in den nächsten Jahrzehnten mehr denn je seiner gesellschaftlichen Verantwortung, seiner Macht, Kraft und vor allem auch seiner Wirkung bewusst sein. Es geht um Werte, also um Menschenrechte, um Gleichberechtigung und um Demokratie. Und um ein Leitbild, das der Fußball-Leidenschaft von Milliarden Kindern auch würdig ist. Damit er uneingeschränkt für das Gute in der Welt steht – und nie mehr zu Zweifeln und Erklärungsnöten führt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport/fussball_artikel,-fussball-wie-erklaere-ich-diese-fussball-wm-meinen-kindern-_arid,2024125.html