Das Handballspiel an sich hat Klaus Gärtner schon immer gut verstanden. Er war nur selbst mit seiner praktischen Umsetzung unzufrieden. Deswegen entschied sich der Odenwälder früh für die Trainerlaufbahn. Ab Juli steigt er vom Assistenten zum Chefcoach der Rhein-Neckar Löwen auf und folgt auf Martin Schwalb, den er als Jugendlicher übrigens ausbuhte. Wir stellen ihn vor.
Er selbst behauptete einmal scherzhaft über sich, keine Angebote zu bekommen, was vermutlich nicht ganz der Wahrheit entspricht. Gleichwohl sagt diese mit mehr als einer Prise Selbstironie versehene Ich-Perspektive recht viel über den humorvollen Menschen Klaus Gärtner aus. Der 45-Jährige nimmt sich weder zu wichtig, noch drängt er sich in den Vordergrund. Doch genau in diesem steht er spätestens in zwei Monaten. Und zwar zwangsläufig. Denn ab Juli steigt der bisherige Assistent zum Cheftrainer der Rhein-Neckar Löwen auf und tritt für zwölf Monate aus dem Schatten ins Rampenlicht, 2022 wechselt er dann wieder zurück in seine „eigentliche Rolle“ als Co-Trainer. Dann übernimmt Sebastian Hinze das Kommando – doch bis dahin muss es erst einmal Gärtner richten.
Mit 17 stieg er ins Trainergeschäft ein
Er folgt auf den scheidenden Martin Schwalb, der aus privaten Gründen aufhört und den Gärtner vor 29 Jahren „ausbuhte“, wie er mit einem Lachen verrät. Im Finale um die deutsche Handball-Meisterschaft trug Schwalb damals das Trikot der SG Wallau/Massenheim, Teenager Gärtner feuerte in der Bensheimer Weststadthalle indes die SG Leuterhausen an. Das Brüllen und Buhen brachte allerdings nichts, den Titel sicherten sich die Wallauer. Sehr zum Ärger von Gärtner, der wenig später ins Trainergeschäft einstieg. Mit gerade einmal 17 Jahren.
„Das war bei mir zuhause in Siedelsbrunn“, erinnert er sich an eine „wilde Zeit“, in der er sich einen 18-jährigen Trainerkollegen mit Führerschein suchte. Denn damals war nicht nur der Profi-Handball für ihn weit weg, sondern auch die nächste Sporthalle: 20 Kilometer. Das brachte ab und zu ein paar logistische Probleme mit sich, aber ungeachtet dessen bereitete ihm die Arbeit mit der D-Jugend extrem viel Freude. Zumal der Odenwälder selbst schnell merkte, dass er als Spieler vermutlich niemals in einem Finale um die deutsche Meisterschaft stehen und ihn jemand ausbuhen würde. „Ich war körperlich in einem katastrophalen Zustand. Ach, ich war einfach richtig schlecht“, geht Gärtner rückblickend hart mit sich ins Gericht. Entsprechend habe man ihn immer dort hingestellt, wo einer gefehlt habe: „Rückraum, Linksaußen, Kreis. Angefangen habe ich sogar im Tor.“
Und irgendwann war er eben nur noch Trainer, weil er das Spiel in seiner Gesamtheit und Komplexität in der Theorie zwar besser als viele andere verstand, es allerdings nach seinem Geschmack zu häufig an der eigenen praktischen Umsetzung mangelte. „Ich habe damals garantiert noch nicht so viel über Handball gewusst wie heute“, meint Gärtner vor der Bundesligapartie der Löwen am Donnerstag (19 Uhr) gegen die Füchse Berlin: „Aber es hat gereicht, um frustriert zu sein.“ Weil die Hand nicht das machte, was er sich ausgedacht hatte. Entsprechend folgte die fast schon logische Konsequenz, auf die Trainerkarte zu setzen, auch wenn er sich zu jener Zeit „niemals“ hätte vorstellen können, irgendwann einmal im Bundesliga-Geschäft zu landen. Zumal ihm immer die Talentförderung am Herzen lag.
So auch bei der SG Flensburg-Handewitt, bei der Gärtner 2004 als Jugendtrainer anfing. Der Nachwuchsbereich der Norddeutschen lag zu jener Zeit mehr oder weniger brach: „Die hatten eine B-Jugend – und die hatte gerade den Meistertitel gewonnen. Aber das war es dann auch.“ Der 45-Jährige half mit, professionelle Strukturen im Nachwuchsbereich aufzubauen und blieb am Ende acht Jahre, um 2012 zu den Rhein-Neckar Löwen zu wechseln. Auch dort verantwortete er zunächst die Jugend, 2014 wurde er zusätzlich Co-Trainer von Erfolgscoach Nikolaj Jacobsen bei den Profis, erlebte die Meisterschaften 2016 und 2017 sowie den Pokalsieg 2018 mit, ehe er für zwei Jahre als Cheftrainer den österreichischen Erstligisten Alpla HC Hard übernahm und 2020 zu den Löwen als Assistent zurückkehrte. Übrigens: In Hard hätten sie ihn ebenso gerne behalten wie zuvor in Flensburg. So viel zum Thema fehlende Angebote.
Leidenschaftlicher Mountainbiker
Doch Gärtner wollte zurück in die Heimat – und der badische Bundesligist ist glücklich, ihn wieder in seinen Reihen zu wissen. Mit seiner Fachkenntnis. Mit seiner erfrischenden Art. Und mit seiner täglichen Trainingsarbeit, auch wenn der Assistent gerade nicht immer ganz so kann, wie er will. Ein Bandscheibenvorfall bereitet ein paar Probleme, weshalb auch die Radsportkarriere des leidenschaftlichen Mountainbikers ruht. Ein Umstand, der nicht nur in körperlicher Hinsicht schmerzt, sondern auch in emotionaler. Es fällt ihm schwer, auf seine Touren rund um Heidelberg oder in der Pfalz zu verzichten, nicht umsonst geht bei ihm der Trend zum Dritt- oder Viertfahrrad, was für einen „ziemlich vollen Keller“ sorgt.
Doch nicht nur am Bandscheibenvorfall oder aus Platzgründen könnte die Anschaffung eines weiteren Rads scheitern. „Meine Frau verwaltet das Budget“, flachst der Odenwälder, zu dessen Aufgaben im Trainingsspiel auch der Schiedsrichterjob gehört. Kreisläufer Jannik Kohlbacher fühlt sich hin und wieder – andere sagen auch augenzwinkernd: immer – ein wenig benachteiligt. Doch damit wird es bald ein Ende haben, wie Gärtner verrät: „Wir suchen noch nach einem Co-Trainer für die neue Saison. Dann lasse ich den pfeifen und gehe diesem Konflikt aus dem Weg.“ Wenn auch nur für ein einziges Jahr. Denn dann übernimmt er wieder seinen „eigentlichen Job“.
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