Als sich das Carl-Benz-Stadion schon fast geleert hatte, spielte die Stadionregie den Hit „Dreamer“ von Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne ab. Ein Lied, das inhaltlich ideal zur Lage des SV Waldhof nach dem ernüchternden 0:1 (0:1) gegen den SC Freiburg II passte. Denn die Träumereien vom Zweitliga-Aufstieg sind seit Ostermontag endgültig vorbei, die Rechenspiele in Richtung der ersten drei Plätze auch von offizieller Seite beendet worden.
Es ist eine paradoxe Situation entstanden: Der SVW spielt die beste Drittliga-Saison seiner Geschichte, aber im Umfeld machen sich Unmut, Enttäuschung und Frust breit. Im Fokus der Kritik: Trainer Patrick Glöckner, den Teile der Fans als Hauptschuldigen dafür ausgemacht haben, dass nach Platz drei in der Hinrunde der große Wurf verpasst werden wird. Wer aber tiefer in die Analyse einsteigt, stellt fest: Glöckner kann nicht als alleiniger Sündenbock für die Stagnation seit der Winterpause abgestempelt werden.
Nur Durchschnitt in der Rückrunde
Trainer-Rentner Rudi Bommer, als Experte für „MagentaSport“ am Montag im Stadion, äußerte sich in eine ähnliche Richtung. Er verstehe nicht, warum es von Vereinsseite kein klares Bekenntnis zu Glöckner gebe. „Gerade, weil sie eine Riesensaison spielen. Mit einem Kader, der nicht ganz ausgewogen ist“, sagte Bommer. Erst nach Saisonende, so die Sprachregelung von Sport-Chef Tim Schork, soll über Glöckners Zukunft entschieden werden.
Wie gut ist der aktuelle WaldhofKader tatsächlich? Dass die Mannschaft offensichtlich in der Breite nicht die Qualität von Magdeburg, Kaiserslautern oder Braunschweig besitzt, demonstrierte das Freiburg-Match noch einmal mit Nachdruck. Die Rechtsverteidiger-Position bleibt eine Problemzone, auf der Niklas Sommer den Nachweis der erforderlichen Klasse schuldig geblieben ist. Über die verfügt Marco Höger im defensiven Mittelfeld zweifelsohne, allerdings mangelt es ihm an einem Sidekick, der als Verbindungsglied in die Offensive funktioniert. Wenn dann noch Formkrisen von Leistungsträgern wie Dominik Martinovic (nur 1 Tor in 2022) und Marc Schnatterer (lediglich 1 Tor/1 Vorlage in der Rückrunde) dazukommen, wird die Luft schnell dünn. Über die gesamte Saison gesehen präsentiert sich nur die Innenverteidigung um Marcel Seegert und Jesper Verlaat verlässlich auf dem notwendigen (Aufstiegs)-Niveau.
„Bei uns ist es immer auf des Messers Schneide“, umschrieb Glöckner den Fakt, dass von der Bank fast kein Druck auf die erste Elf ausgeübt wird. Beste Beispiele gegen Freiburg waren die Winterverpflichtungen Dominik Kother und Justin Butler, die bei ihren Einsätzen zeigten, dass sie dem Team aktuell nicht weiterhelfen. „Wir haben versucht, mit Umstellungen und Einwechslungen Wucht reinzubringen, aber es ist halt trotzdem nichts passiert“, meinte Glöckner frustriert.
Natürlich weiß auch der Trainer, dass er mit dürftigen Auftritten wie gegen Freiburg keine Argumente für eine Weiterbeschäftigung sammelt. Die starke Hinrunde in Verbindung mit den öffentlich verkündeten Ziel „Aufstieg innerhalb von zwei Jahren“ durch Präsident Bernd Beetz und Geschäftsführer Markus Kompp hat im Umfeld eine Erwartungshaltung geweckt, die nun nicht mehr einzufangen ist. Und Glöckner zum Verhängnis werden könnte.
Nur 16 Tore hat sein Team in der Rückrunde erzielt, auch 19 Punkte seit der Winterpause sind bestenfalls Durchschnitt. „Wir haben über die gesamte Saison gesehen einfach zu viel liegengelassen“, erklärte Glöckner die Gründe dafür, warum der Siebtplatzierte SVW die Konkurrenz ziehen lassen musste. Das unglückliche 1:3 gegen Dortmund II oder die verpassten Siege in Zwickau (1:1) und Saarbrücken (0:0) führte er an. „Wenn wir Statistiken heranziehen wollen: Wir sind die Mannschaft mit den zweitmeisten Chancen in der 3. Liga hinter Magdeburg. Wir haben eine extrem gute Offensive, aber wir machen zu wenig Tore“, sagte Glöckner. Und: „Wir lassen die wenigsten Chancen in der Liga zu. Also machen wir vorne zu wenig Tore aus unseren Chancen und hinten bekommen wir zu viele dumme Gegentreffer, obwohl wir fast nichts zulassen.“
Unübersehbare Defizite in der Breite des Kaders, kein gutes Händchen bei den Winterverpflichtungen, mangelndes Spielglück, das teilweise aus fehlender Effizienz resultiert: Diese ungute Mischung verhinderte am Ende einen Waldhof-Aufstieg in dieser Saison.
Natürlich ist Glöckner der verantwortliche Mann für dieses Gesamtkonstrukt. Er hat gewiss nicht fehlerfrei agiert, manche falsche Entscheidung getroffen, den fußballerischen Stillstand in der Rückrunde nicht in den Griff bekommen. Aber es ist ein gewaltiger Trugschluss, dass ein anderer Trainer bedeutend mehr aus dieser Mannschaft herausgeholt hätte. Und in der kommenden Saison, wenn nur noch Platz eins oder zwei zählen sollen, besitzt der Trainerposten beim SV Waldhof ohnehin das Potenzial zum größten Schleudersitz der 3. Liga.
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