Mannheim. Die Union fällt bei der Bundestagswahl auf ein Allzeittief, die SPD legt stark zu und will mit Olaf Scholz den nächsten Kanzler stellen. „Für den Absturz der Union ist natürlich auch Armin Laschet verantwortlich. Er hat sich als ein historisch schwacher Kanzlerkandidat erwiesen“, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Das Ergebnis werde die Union „bis ins Mark erschüttern“, immerhin habe es am Sonntag eine „beispiellose Erosion“ der Stammwählerschaft der Union gegeben.
„Das war vor wenigen Monaten noch unvorstellbar“, sagt Jung. Wie 1998, als die ältere Anhänger genug von Helmut Kohl hatten und die SPD wählten, verlieren CDU und CSU auch bei dieser Bundestagswahl ihre langjährige Bastion. Die SPD sahnt bei der Generation 60 plus besonders ab. Mit 35 Prozent (plus elf) liegt sie jetzt mit der Union auf Augenhöhe, die nur noch 34 Prozent erzielt.
Und warum hat die SPD so stark abgeschnitten? „Sie hat ihre Linie gefunden. Scholz hat seine Chance ergriffen und die SPD in die politische Mitte geführt und sich in der Kontinuität der Kanzlerschaft Angela Merkels positioniert“, sagt Jung. Begünstigt von einer schwachen Union profitiere die SPD vom Wunsch der Wähler nach sozialdemokratischer Regierungsführung. Schließlich hatte die SPD den einzigen kanzlertauglichen Kandidaten: 67 Prozent der Wähler meinen, dass Scholz Kanzler kann. Laschet (29 Prozent) und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock (14) können da nicht mithalten.
Die Mehrheit der Wähler spricht Scholz den meisten Sachverstand zu, bei „Glaubwürdigkeit“ oder „zukünftige Probleme lösen“ führt er weniger deutlich. Baerbock punktet mit „Sympathie“. Und Laschet? Er bleibt überall schwach. Außerdem hat er ein erhebliches Imageproblem. Auf der Skala von plus fünf bis minus fünf kommt Laschet nur auf minus 0,5. 48 Prozent der Deutschen wollen Scholz als Kanzler, 24 Prozent sprechen sich für Laschet aus, Baerbock erreicht nur 14 Prozent.
Dass die SPD auch beim Parteiansehen führt, liege an der „schwachen Performance der Konkurrenz“, so der Wahlforscher. Die SPD gilt bei vielen Sachthemen inzwischen als kompetenter. Zum Beispiel Rente und Bildung. Sogar bei den „neuen Jobs“ überholt die SPD die Union. Und beim Thema soziale Gerechtigkeit werden die C-Parteien deklassiert. Die meisten Deutschen beklagen laut Wahlanalyse eine zunehmende Schere zwischen Arm und Reich, befürworten stärkere Abgaben auf hohe Einkommen und setzen auch bei den Steuern mehrheitlich auf SPD-Politik.
Grüne punkten beim Klimaschutz
Die Grünen können mit dem Klimaschutz punkten, der ja zu ihrer Domäne gehört. Auch bei Bildung und Zukunft kommen sie gut an, bleiben aber bei den ökonomischen Themen schwach und stagnieren beim Parteiansehen. FDP und Linke haben Imageverluste. Die Linke punktet bei der sozialen Gerechtigkeit, die FDP bei Wirtschaft und Steuern. Die AfD gilt beim Thema Flüchtlinge und Asyl als kompetent.
55 Prozent der Wähler wollen übrigens, dass die SPD die nächste Bundesregierung anführt, 36 Prozent wäre es lieber, wenn diese Rolle der CDU/CSU zufallen würde.
Jungs Fazit: „Für das Parteiensystem markiert die Bundestagswahl eine Doppelzäsur. Mit Ende der Ära Merkel verliert die Union ihren Nimbus als dominante Kraft und zusammen sind die beiden ehemals großen Parteien schwach wie nie.“
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