Interview mit SPD-Kandidat

Wie Thorsten Riehle doch noch Mannheimer Oberbürgermeister werden will

Im ersten Durchgang der Mannheimer OB-Wahl ist Christian Specht 15 Prozentpunkte vorn gelegen. Doch SPD-Kandidat Thorsten Riehle hat keineswegs aufgegeben. Im Interview erklärt er, worauf er seine Zuversicht stützt

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Steffen Mack
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SPD-Kandidat Thorsten Riehle beim Interview in der Buga-Seilbahn. © Christoph Blüthner

Mannheim. Am 9. Juli haben die Mannheimerinnen und Mannheimer erneut die Wahl: Im zweiten Wahlgang wird entschieden, wer neuer Oberbürgermeister und damit der Nachfolger von Peter Kurz wird. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Christian Specht, der für die CDU, die Mannheimer Liste und die FDP antritt. Thorsten Riehle geht für die SPD und mit Unterstützung des Grünen-Kreisverbands ins Rennen.

Wir veröffentlichen an diesem Donnerstag ein ausführliches Interview mit Thorsten Riehle und am Freitag ein eben solches mit Christian Specht.

Herr Riehle, als Ort für dieses Interview haben Sie sich die Buga-Seilbahn gewünscht. Warum?

Thorsten Riehle: Weil die Buga seit zwölf Jahren ein wichtiger Teil meines Lebens ist, seither kämpfe ich für sie. Jetzt bin ich sehr stolz darauf, wie schön sie geworden ist. Und die Seilbahn ist ihr markantestes Zeichen.

Jetzt sind Sie ausgerechnet in die „Schrott-Gondel“ eingestiegen …

Riehle: Ich finde, die hat was. Und sie ist total auffällig.

Ist für Sie alles eitel Sonnenschein auf der Buga? Oder sehen Sie auch Schattenseiten – vielleicht ja gerade zu wenig Schatten?

Riehle: Momentan hätte ich in der Tat gerne mehr Schatten, aber Spaß beiseite: Es passt wirklich alles! Ich finde es ganz toll, wie die Buga geworden ist und wie gut sie angenommen wird, bei den Besucherzahlen haben wir ja die bisherigen Zielmarken schon weit übertroffen.

Es gibt also nichts, was Ihnen an der Buga nicht gefällt?

Riehle: Sagen wir mal so: In der Anfangszeit hätte ich die eine oder andere Überschrift nicht gebraucht …

Spielen Sie darauf an, dass nicht alles rechtzeitig fertig wurde?

Riehle: Ja natürlich. Vor allem, dass die neue Mitte des Luisenparks länger gedauert hat, war schon ärgerlich. Aber so etwas kann bei Bauprojekten leider immer passieren.

Ich habe schon immer stark für die Buga geworben und mir dafür etwa vor der letzten Kommunalwahl auch viel Kritik anhören müssen
Thorsten Riehle

Wie oft sind Sie auf der Buga?

Riehle: Nicht oft genug, im Wahlkampf fehlt mir leider die Zeit. Dabei habe ich ja eine starke Affinität auch zum Kulturprogramm, da würde ich mir sehr gerne mehr ansehen.

Sie haben schon früh, als Plakatwerbung für die OB-Wahl noch lange nicht erlaubt war, auf Plakaten „Viel Spaß auf der Buga!“ gewünscht und das als politische Aussage verkauft. Daran gab es Kritik unter anderem in Leserbriefen.

Riehle: Das war aber ganz klar eine politische Aussage, und zwar von mir als SPD-Fraktionschef! Ich habe schon immer stark für die Buga geworben und mir dafür etwa vor der letzten Kommunalwahl auch viel Kritik anhören müssen, besonders bei einer Veranstaltung hier in Feudenheim. Das war kein Vergnügen.

Jetzt haben Sie neue Plakate aufgehängt, auf denen „Oberbürgermeister-Stichwahl am 9. Juli“ steht. Haben Sie da nicht Ihren SPD-Genossen Ugur Cakir einfach unterschlagen, der als parteiunabhängiger Kandidat auch noch weiter antritt?

Riehle: Mag sein, dass das so empfunden wird. Aber hier geht es um Zuspitzung. Gerade bei der niedrigen Wahlbeteiligung von 32,2 Prozent im ersten Durchgang ist mir wichtig, den Leuten deutlich zu machen, worum es jetzt geht. Daher auch der Begriff „Stichwahl“.

Noch niedriger als die Wahlbeteiligung war Ihr Ergebnis: 30,2 Prozent. Bis dahin war das Schlechteste, was jemals ein Sozialdemokrat bei einer Mannheimer OB-Wahl geholt hat, 46,8 Prozent. Die bekam vor acht Jahren im ersten Durchgang Peter Kurz. Auch wenn die Voraussetzungen diesmal ganz anders waren: Belastet es Sie, den Negativrekord nun so nach unten katapultiert zu haben?

Riehle: Natürlich lässt das einen nicht ganz kalt. Aber es ist auch nicht so, dass mich das jetzt sehr angefasst hätte. Die Ausgangslage ist ja in der Tat nicht vergleichbar: Peter Kurz wurde damals auch von den Grünen unterstützt und hatte kein geschlossenes konservatives Lager gegen sich. Dennoch haben diesmal deutlich mehr als 50 Prozent nicht für Christian Specht gestimmt. Deshalb ist das Rennen noch völlig offen.

Ausgebildeter Redakteur

  • Thorsten Riehle wurde am 16. April 1970 in Mannheim geboren.
  • Abitur machte er am Friedrich-List-Wirtschaftsgymnasium. Einem Grundstudium in Politologie, Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaften folgte eine Redakteursausbildung bei der „Schwetzinger Zeitung“.
  • Danach arbeitete Riehle als Pressesprecher bei der Johanniter-Unfall-Hilfe. Dann produzierte er das Musical „Human Pacific“ und kam zum Capitol. Seit 1997 ist er Chef des Kulturhauses.
  • 2014 wurde Riehle in den Gemeinderat gewählt und übernahm Ende 2020 den SPD-Fraktionsvorsitz.
  • Mit seinem Mann Markus Schwarz-Riehle lebt er auf der Rheinau

Waren Sie am Wahlabend von Ihrem Ergebnis und dem großen Rückstand nicht geschockt?

Riehle: Nein, das lag noch im Rahmen unserer internen Prognosen. Aber jetzt sind die Karten neu gemischt, am 9. Juli werden wir die Kräfte im progressiven politischen Lager bündeln.

Wie zuversichtlich sind Sie denn, am Ende vorne zu liegen?

Riehle: Es geht jetzt vor allem um Mobilisierung, dafür werden wir alles tun. Wir haben die große Chance, allen im bisher zersplitterten Fortschrittslager klar zu machen, um was für eine wichtige Richtungsentscheidung es jetzt geht.

Das läuft aber alles andere als reibungslos. Die Grünen haben lange um eine mögliche Empfehlung für Sie gestritten, und ihr Kandidat Raymond Fojkar, der auf den zweiten Wahlgang verzichtet, hat keine ausgesprochen.

Riehle: Die Grünen mussten ihr Ergebnis aus dem ersten Wahlgang eben erst mal sacken lassen und miteinander darüber reden. Dafür habe ich volles Verständnis.

Aber es war doch absehbar, dass das bürgerlich-konservative Lager nach dem ersten Durchgang vorne liegt. Warum hat man im linken Lager nicht schon vorab abgesprochen, wie man damit umgeht?

Riehle: Wir haben natürlich immer wieder miteinander gesprochen. Aber entscheidend war nun eben schon erstmal das Ergebnis.

Sie hätten mit Raymond Fojkar und der Linken Isabell Belser doch schon lange vor der Wahl verabreden können, dass die Zweit- und Drittplatzierten unter Ihnen zugunsten des Besten auf den zweiten Durchgang verzichten werden. Das ist nicht gelungen, jetzt haben sie von den beiden nicht mal eine Empfehlung bekommen. Gab es atmosphärische Störungen zwischen Ihnen?

Riehle: Von meiner Seite aus nicht, ich habe sowohl mit Raymond Fojkar als auch mit Isabell Belser gut zusammengearbeitet.

Wie erklären Sie sich denn, dass Belser und ihre Unterstützer – also allen voran die Linke – zwar zur Teilnahme an der zweiten Runde aufrufen und dazu, nicht für Specht zu stimmen, gleichwohl aber keine Empfehlung geben? Stellt man Sie und Cakir, der im Wahlkampf gar keine Rolle spielte, damit nicht auf eine Stufe?

Riehle: Was diese Empfehlung aussagen soll, müssen Sie diejenigen fragen, die sie abgegeben haben.

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Sie haben dafür keine Erklärung?

Riehle: Nein. Ich habe sowohl mit Isabell Belser als auch mit anderen Linken schon gute, vernünftige Gespräche geführt. Möglicherweise haben da auch ihre anderen Unterstützer Einfluss genommen.

Das wären Klimaliste und Tierschutzpartei. Aber klar dominierend sind – auch in der LI.PAR.Tie-Fraktion – die Linken. Warum hat sich das Verhältnis Ihrer SPD zu denen, vor allem aber zu den Grünen so verschlechtert?

Riehle: Wie kommen Sie auf die Idee? Sie können doch nicht aus Wahlempfehlungen – noch dazu der Klimaliste, die gar nicht im Gemeinderat sitzt – solche Schlüsse ziehen?

Das sind Beobachtungen über einen längeren Zeitraum. Die große Geschlossenheit, mit der das linke Lager im Gemeinderat nach der Kommunalwahl 2019 noch auftrat, wäre heute kaum vorstellbar. Speziell aus der Grünen-Fraktion gibt es ja – teils öffentlich, teils hinter vorgehaltener Hand – immer wieder Äußerungen, die keine große Nähe mehr zur SPD signalisieren.

Riehle: Dass man auch mal unterschiedlicher Meinung ist, gibt es in jeder Fraktion. Und bei so etwas Schwierigem wie einer Wahlempfehlung kann man das ja auch sein.

Das Klima zwischen Grünen, Linken und Ihnen habe sich also nicht verschlechtert, sagen Sie?

Riehle: Nein. Davon ist im Gemeinderat nichts zu merken.

Gut. Anderes Thema: Auch wenn Sie jetzt auf der Zielgeraden voll auf „Der oder ich“ setzen: Wäre Christian Specht – das fragen wir ihn übrigens umgekehrt auch über Sie – nicht möglicherweise auch ein guter Oberbürgermeister?

Riehle: Wenn ich mir sein bisheriges Wirken als Erster Bürgermeister anschaue, ist in vielen Bereichen noch Luft nach oben. Etwa bei Sicherheit und Sauberkeit. So fordert eine der ihn unterstützenden Parteien „Mülldetektive“, dabei wäre dafür doch eigentlich sein kommunaler Ordnungsdienst zuständig. Ich finde es auch schwierig, wie er sich in den letzten Wochen im Wahlkampf generell gegen die Stadtverwaltung gestellt hat. Dabei ist er doch einer ihrer obersten Repräsentanten.

Heißt: als OB ungeeignet?

Riehle: Ich glaube nicht, dass er die Chancen ergreifen kann, die Mannheim jetzt braucht. Er hat im Wahlkampf in vielen Punkten deutlich gemacht, dass er nicht für Fortschritt steht, sondern für Rückschritt. Denken Sie nur an seine Aussagen zur von der Stadt angestrebten Klimaneutralität bis 2030. Von diesem Ziel ist er klar abgerückt.

Wie fanden Sie den persönlichen Umgang mit ihm im Wahlkampf? Gab es versteckte Tritte gegen das Schienbein?

Riehle: Nein. In der Sache haben wir zwar hart miteinander gerungen, aber den persönlichen Umgang habe ich als fair empfunden.

Den Wert eines Menschen von einem akademischen Abschluss abhängig zu machen, halte ich für schwierig.
Thorsten Riehle

Als Herr Specht zum Kandidaten nominiert wurde, sagte er in seiner Bewerbungsrede, die unterschiedliche Bewertung des Verkehrsversuchs zeige den Nutzen eines abgeschlossenen Studiums. War das kein Seitenhieb gegen Sie?

Riehle: Klar, da habe ich mich schon gegen das Schienbein getreten gefühlt. Aber wenn er so etwas braucht, ist das seine Sache. Ich habe in 25 Jahren als Unternehmer sowie über meine politische Tätigkeit ausreichend bewiesen, gut und erfolgreich arbeiten zu können. Den Wert eines Menschen von einem akademischen Abschluss abhängig zu machen, halte ich für schwierig.

Falls es am 9. Juli schiefgeht: Bleiben Sie SPD-Fraktionschef?

Riehle: Selbstverständlich. Nur Capitol-Chef kann ich ja leider in jedem Fall nicht mehr länger sein.

Sie sind ja als einziger Kandidat „all in“ gegangen und haben schon im Januar angekündigt, Ihre berufliche Position auch bei einer Wahlniederlage aufzugeben. Wieso?

Riehle: Ein halbes Jahr Wahlkampf und Ungewissheit hätte ich diesem Haus, das ich 25 Jahre geführt habe, nicht zumuten können.

Haben Sie schon einen neuen Job in Aussicht, falls Sie die Wahl in zehn Tagen verlieren sollten?

Riehle: Nein, es gibt keinen Plan B.

Dieses Interview wurde zeitgleich zu einem Gespräch mit CDU-Kandidat Christian Specht geführt. Das Specht-Interview erscheint am Freitag.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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