Interview

Wie Christian Specht die Mannheimer OB-Wahl gewinnen will

Im ersten Durchgang der Mannheimer OB-Wahl lag Christian Specht 15 Prozentpunkte vor Thorsten Riehle. Im Interview erklärt der Kandidat von CDU, FDP und ML, wie er diesen Vorsprung beim zweiten Wahlgang verteidigen will

Von 
Sebastian Koch
Lesedauer: 
Der Kandidat der Konservativen bei der OB-Wahl in Mannheim: Christian Specht. © Thomas Tröster

Mannheim. Am 9. Juli haben die Mannheimerinnen und Mannheimer erneut die Wahl: Im zweiten Wahlgang wird entschieden, wer neuer Oberbürgermeister und damit der Nachfolger von Peter Kurz wird. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Christian Specht, der für die CDU, die Mannheimer Liste und die FDP antritt. Thorsten Riehle geht für die SPD und mit Unterstützung des Grünen-Kreisverbands ins Rennen.

Wir haben an diesem Donnerstag ein ausführliches Interview mit Thorsten Riehle veröffentlicht und an diesem Freitag dieses hier mit Christian Specht. Beide Interviews wurden zeitgleich geführt.

Herr Specht, Sie haben im Wahlkampf Gefallen an sozialen Medien gefunden. Sie drehen Videos, zeigen sich beim Mixen, spielen Bierpong, führen Interviews. Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?

Christian Specht: Der Wahlkampf macht Spaß – auf sozialen Medien und auf der Straße. Man kommt sehr viel unverkrampfter ins Gespräch als in der Rolle des Bürgermeisters.

Könnten Sie als Oberbürgermeister Ihre Präsenz auf sozialen Medien beibehalten oder ist das im Alltag nicht möglich?

Specht: Ich habe vor, die sozialen Medien weiter zu nutzen. Gerade vor der Diskussion um die Wahlbeteiligung und wie wir die Bevölkerung erreichen, müssen wir überall präsent sein. Da führt an sozialen Medien kein Weg dran vorbei – für junge und natürlich auch für ältere Menschen.

Die Beteiligung im ersten Wahlgang war trotzdem niedrig. Wäre sie noch niedriger gewesen, wenn es den Wahlkampf auf sozialen Medien nicht gegeben hätte?

Specht: Ich glaube schon. Viele Rückmeldungen sind über soziale Medien gekommen. Um Politik zu erklären, müssen wir die Menschen erreichen. Die wenigsten kommen noch ins Rathaus. Deswegen spielen soziale Medien eine wichtige Rolle.

Wie haben Sie den Umgang unter den Kandidaten bislang wahrgenommen?

Specht: Mir persönlich war es immer ein Anliegen, mit allen Bewerbern fair und respektvoll umzugehen. Kandidaten sind auch Vorbilder für den Umgang in der Gesellschaft miteinander.

Ich will die Politik stärker an Bürgerinnen und Bürgern orientieren. Dazu gehört zum Beispiel ein planvoller Klimaschutz, der auf intelligente Angebote statt auf Verbote setzt
Christian Specht

Angenommen, ich habe nur zwei Minuten Zeit und bitte Sie zu erklären, was Sie als Oberbürgermeister anders machen würden als Thorsten Riehle. Was sagen Sie?

Specht: Ich habe den Anspruch, alle Mannheimerinnen und Mannheimer zu vertreten. Ich arbeite seit 16 Jahren als Dezernent für die ganze Bevölkerung. Ich will die Politik stärker an Bürgerinnen und Bürgern orientieren. Dazu gehört zum Beispiel ein planvoller Klimaschutz, der auf intelligente Angebote statt auf Verbote setzt. Auch Lösungen für die Mobilität müssen gemeinsam mit den Menschen erarbeitet werden. Das unterscheidet mich von anderen, die von vornherein sagen, sie wüssten, was richtig ist. Stichwort Kinderbetreuung und Bildung: Hier will ich freie Träger stärker fördern und einbinden.

Thema Stadtteile: Hier stehe ich für gezielte Förderung von Vereinen und Investitionen in Stadtteile. Wir müssen aber auch schauen, dass wir die Stadt nicht überfordern. Im Wahlkampf wird vieles versprochen. Als Kämmerer weiß ich, was diese Stadt leisten kann. Ich habe die Finanzen saniert. Wir dürfen das, was wir erreicht haben, nicht leichtfertig gefährden. Das Geld, das wir investieren, muss von Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmern erst verdient werden.

Friedrich Merz hat Sie besucht. Der Besuch hat für Aufregung bei politischen Gegnern gesorgt. Was hat er Ihnen bedeutet?

Specht: Ich finde es grundsätzlich eine Auszeichnung, wenn sich die Bundespolitik für die Stadt interessiert. Deswegen war es wichtig, dass uns Friedrich Merz, aber mit Andreas Jung auch zweimal der umweltpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion besucht hat. Das zeigt, dass Mannheim eine bundespolitische Bedeutung hat und dass meine Arbeit als Vorsitzender des Finanzausschusses im Städtetag auf Bundesebene auch in Berlin wahrgenommen wird. Diese Kontakte kann ich als Oberbürgermeister für Mannheim sofort nutzen.

Bleiben wir bei Merz: Wer hatte die Idee, dass er kommt? Sie oder er?

Specht: Er hatte signalisiert, dass er bereitsteht. Das war ein tolles Zeichen.

Sie haben auf Instagram ein Video geteilt, das Sie in einem Gespräch mit einer Studentin zeigt, die Maßnahmen des Verkehrsversuchs lobt und es „ganz cool“ fand, die Innenstadt ohne Autos zu erleben. Sie haben nicht widersprochen. Ist das eine Änderung im Programm?

Specht: Nein. Erstmal zeigt das, dass ich aus Videos nichts rausschneide. Mir ist wichtig, was die Leute wirklich denken. Zweitens: So, wie der Verkehrsversuch durchgeführt worden ist, hat er der Stadt geschadet und keine Erkenntnisse gebracht. Die Gründe habe ich oft erklärt: parallele Baustellen, der Fahrlachtunnel, et cetera.

Mein Ziel ist es, die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt zu erhöhen, gleichzeitig aber die Erreichbarkeit zu sichern. Dazu zählt, den Durchgangsverkehr rauszuhalten. Das darf nicht gegen die Anwohnerschaft, die Bürger und die Händler passieren – sondern muss mit ihnen geschehen. Mein Konzept ist es, im Dialog mit den Betroffenen die Lebens- und Aufenthaltsqualität deutlich zu verbessern. Den Verkehrsversuch, so wie er durchgeführt wurde, dürfen wir nicht einfach verstetigen.

Seit 2005 Bürgermeister

  • Christian Specht ist Erster Bürgermeister und als Dezernent zuständig für Finanzen, Beteiligungsvermögen, IT sowie Sicherheit und Ordnung.
  • Er studierte Jura. Von 1997 bis 2001 war er Referent beim Raumordnungsverband Rhein-Neckar, seit 2001 dann dessen Direktor und Chef des Regionalverbandes Rhein-Neckar-Odenwald und der Planungsgemeinschaft Rheinpfalz.
  • 2005 wurde er zum Bürgermeister gewählt, 2007 zum Ersten Bürgermeister und 2015 im Amt bestätigt.
  • Der 56-Jährige lebt mit seiner Partnerin in Mannheim und hat zwei erwachsene Töchter.

Auch die wenig saubere Stadt hat ein Mannheimer in dem Video angesprochen. Wie wollen Sie das ändern?

Specht: Sauberkeit ist für mich als Oberbürgermeister ein zentrales Anliegen. Zumal sie auch eine Voraussetzung für Sicherheit ist – nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in den Stadtteilen. Wir müssen das Bewusstsein für den öffentlichen Raum stärken. Dazu können Aktionen wie „Putz deine Stadt raus“ beitragen, die leider trotz großen Erfolgs eingestellt wurden.

Wir müssen auch für ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft sorgen, eine Verhaltensänderung bewirken. Dazu gehören auch mehr Kontrollen der Abfallwirtschaft. Auch eine Verpackungssteuer werde ich prüfen, um die Vermüllung in den Griff zu bekommen.

Die Sauberkeit ist teilweise auch in Ihren Bereich als Dezernent gefallen. Warum ist das Problem trotzdem so präsent?

Specht: Die Zuständigkeit für die Sauberkeit liegt seit Jahren beim Stadtraumservice im Dezernat Umwelt, Bürgerservice und Technische Betriebe. Sauberkeit hatte in den letzten Jahren leider nicht den notwendigen Stellenwert.

Wie meinen Sie das?

Specht: Das zeigt sich beispielhaft an der Friedrichsplatzanlage. Ich musste lange kämpfen, damit eine Überwachung durch Ordnungsdienst und einen Sicherheitsdienst politisch mehrheitsfähig war. Auch die Einrichtung kleiner Barrieren zur Sicherung der Beete ist viele Jahre nicht verfolgt worden. Allgemein müssen wir den Kontrolldruck und die Reinigungsintensität erhöhen, um die Stadt sauberer zu machen.

Im Wahlkampf hat es eine Diskussion um Stadtbibliothek und Stadion gegeben. Im Gegensatz zu Ihren Konkurrenten haben Sie sich dafür ausgesprochen, die Bibliothek nicht um jeden Preis zu bauen, dafür aber Geld, auch von Mäzenen, in ein Stadion-Neubau zu stecken. Können Sie nochmal erklären, warum Sie so denken?

Specht: Es ist wichtig, die Themen, die nichts miteinander zu tun haben, nicht miteinander zu vermengen. Wir brauchen eine Stadtbibliothek, die ein digitales Zentrum ist. Der Standort am Dalbergplatz ist dafür gut geeignet. Als Kämmerer weiß ich: Der Gemeinderat hat bislang kein Geld im Haushalt beschlossen und es ist nicht geklärt, wie die Kosten von mehr als 80 Millionen finanziert werden sollen. Es ist meine Aufgabe, jetzt realistisch zu prüfen, in welchem Umfang wir dieses Projekt realisieren können. Das sehe ich als meine Aufgabe. Und nicht, mit lockeren Sprüchen vieles zu versprechen, obwohl ich weiß, dass ich das nicht halten kann.

Man wird viel Geld in die Hand nehmen müssen, um ein wenig taugliches Stadion ohne wirtschaftliche Perspektive am Leben zu erhalten. Deswegen müssen wir uns mit einem Neubau beschäftigen
Christian Specht

Und das Stadion?

Specht: Das ist unabhängig davon. Wenn man sich den Zustand des Carl-Benz-Stadions anschaut – unter anderem mit Blick auf notwendige bauliche Sanierung, Sicherheit, Verkehr, Lärm und Zufahrten für Rettungsdienste –, wird schnell klar: Man wird viel Geld in die Hand nehmen müssen, um ein wenig taugliches Stadion ohne wirtschaftliche Perspektive am Leben zu erhalten. Deswegen müssen wir uns mit einem Neubau beschäftigen. Insbesondere, wenn es jemanden gibt, der bereit ist, in die Finanzierung zu gehen. Bei der SAP Arena haben wir schon mal gesehen, wie das funktioniert. Warum sollen wir privaten Investoren die Türen verschließen, die bereit sind, diesen Weg zu gehen?

Gegenfrage: Kann man denn die Stadtbibliothek nicht auch mit privaten Investoren finanzieren?

Specht: Ich würde mich sehr freuen, wenn es private Mäzene und Sponsoren gäbe, die sich für das wichtige Projekt Stadtbibliothek engagieren möchten und würde dies auch aktiv fördern.

Worauf wollen Sie inhaltlich in den letzten Tagen noch ein Augenmerk legen?

Specht: Ich will deutlich machen, dass ich bei Familienfreundlichkeit, planvollem Klimaschutz, Mobilität, Lebensqualität, Energiewende oder bei Entwicklungsperspektiven und Erhalt von Arbeitsplätzen Angebote für alle mache. Wenn der Oberbürgermeister am 4. August aus dem Amt scheidet, muss ich mich nicht erst einarbeiten, ein Team aufstellen oder Ansprechpartner suchen.

Bei den wichtigen Entscheidungen wie Sicherung des Klinikums, Sanierung des Nationaltheaters, Erhalt des Baumbestandes am Rheindamm oder dem Lärmschutz an den Eisenbahnstrecken bleibt nicht viel Zeit, um sich einzuarbeiten. Ich kann sofort starten.

Das linke Lager hofft darauf, zusätzliche Wählerinnen und Wähler mobilisieren zu können. Haben Sie noch Potenzial? 45,8 Prozent sind in Mannheim für konservative Verhältnisse ja schon stark gewesen.

Specht: Ich richte mich an alle Bürger und Bürgerinnen – und nicht nur an eine Gruppe. Das Ergebnis im ersten Wahlgang hat gezeigt, dass das Vertrauen in mich da ist.

Rufen Sie auch Wählerinnen und Wähler der AfD dazu auf, Sie zu wählen?

Specht: Nein. Ich rufe alle Wählerinnen und Wähler auf, mich zu wählen. Ich bin ein Kandidat der Mitte und werde dabei von CDU, FDP und ML unterstützt.

Nach dem Ergebnis der Landratswahl in Sonneberg wird wieder viel diskutiert: Vor allem über die Frage, ob die AfD rechtsextremistisch ist. Was denken Sie darüber?

Specht: Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wenn Sie Oberbürgermeister werden, müssen Sie mindestens ein Jahr lang mit einer rot-rot-grünen Mehrheit im Gemeinderat zurechtkommen. Auch unter den Dezernenten wären Sie parteipolitisch in der Minderheit. Wie können Sie da Ihre Ziele bald umsetzen?

Specht: Wie gesagt: Ich mache ein Angebot für alle. Ich kenne die Konstellationen gut und setze auf eine zielorientierte Zusammenarbeit zum Wohl der Stadt. Meine Politik, die auf eine breite Mitte abzielt, ist mehrheitsfähig.

Mehr zum Thema

Kommentar Jetzt müssen Mannheims Wählerinnen und Wähler entscheiden!

Veröffentlicht
Kommentar von
Sebastian Koch
Mehr erfahren
Interview mit SPD-Kandidat

Wie Thorsten Riehle doch noch Mannheimer Oberbürgermeister werden will

Veröffentlicht
Von
Steffen Mack
Mehr erfahren
Politik

Mannheimer OB-Wahl: Wichtige Fragen und Antworten rund um den zweiten Wahlgang

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren

Wenn Sie am 9. Juli nicht gewinnen, wird Thorsten Riehle Oberbürgermeister. Wäre er auch eine gute Lösung? Diese Frage stellen wir ihm umgekehrt übrigens auch.

Specht: Meine Kraft gilt jetzt erstmal alles daran zu setzen, dass ich gewinne und das gute Ergebnis des ersten Wahlgangs bestätige. Wir brauchen für Mannheim das beste Angebot. Ich schätze Herrn Riehle als Mensch und für seine Verdienste um die Kultur. Ein Oberbürgermeister in Mannheim muss aber rund 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen und große städtische Unternehmen leiten. Da braucht es Erfahrung, Kompetenz und eine realistische Vorstellung der Stadt der Zukunft.

Meine Frage haben Sie jetzt nicht beantwortet. Hätte Thorsten Riehle das Zeug, ein guter Oberbürgermeister zu sein?

Specht: Das müssen am Ende die Wählerinnen und Wähler entscheiden.

Sie haben Monate gegeneinander um Stimmen gekämpft. Können Sie sich bei einer Niederlage dann wirklich wieder als Finanzdezernent bewerben, so wie Sie es im Interview mit dem „MM“ angekündigt haben, und unter OB Riehle arbeiten?

Specht: Ich konzentriere mich jetzt darauf, am 9. Juli Oberbürgermeister für alle Mannheimerinnen und Mannheimer zu werden. Alles andere sehen wir danach.

Zum Abschluss: Wenn Sie gewinnen, wann gibt es dann die erste Mannheimer Bierpong-Stadtmeisterschaft?

Specht: (lacht) Das weiß ich noch nicht. Wir werden aber ganz sicher feiern.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Thema : OB-Wahl 2023 in Mannheim

  • Verwaltungsgericht Klage gegen Mannheimer OB-Wahl: Verhandlung schon im Oktober?

    Ende vergangener Woche wurden eine Klage und ein Eilantrag gegen das Ergebnis der Mannheimer OB-Wahl eingereicht - die könnten schon bald verhandelt werden. Das Verwaltungsgericht beabsichtigt einen Termin im Oktober

    Mehr erfahren
  • Verwaltungsgericht Klage und Eilantrag gegen die Mannheimer OB-Wahl

    Am Verwaltungsgericht Karlsruhe sind am Freitag eine Klage und Eilantrag gegen das Ergebnis der Mannheimer Oberbürgermeisterwahl eingegangen. Das sind die Hintergründe und die Folgen

    Mehr erfahren
  • Kommunalpolitik Thorsten Riehle im Interview: „Christian Specht ist es, der Mehrheiten finden muss“

    Vor vier Wochen hat SPD-Fraktionschef Thorsten Riehle OB-Wahl verloren. In seinem ersten Interview danach spricht er über die Aufarbeitung der Niederlage - und die Frage, ob er Dezernent werden will

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen