Mannheim. Es ging viel um die Bundespolitik und weniger um Mannheim - das ist zusammenfassend das Fazit des Mannheimer Politikwissenschaftlers Thomas König zur Diskussion der Direktkandidaten für den Mannheimer Wahlkreis in der „MM“-Wahlarena am Sonntagnachmittag im Nationaltheater. „Mir sind zu wenig Aussagen gemacht worden, wie man die Mannheimer Problematik in die Bundespolitik einspeisen möchte“, so König, der die Runde im Livestream verfolgt hat.
Die Wahlprogrammatik der Parteien für die Bundesebene habe im Vordergrund gestanden und weniger die Frage, was ein direkt gewählter Abgeordneter in Berlin für seine Wähler zuhause in Mannheim erreichen könne. Untersuchungen zeigten, dass ein Abgeordneter, der über die Wahlliste seiner Partei in seinem Bundesland einen Sitz im Bundestag erhält, eher der Bundesparteizentrale in Berlin folgt, so der Politikwissenschaftler. Ein direkt gewählter Abgeordneter hingegen könne viel stärker Themen nach Berlin und in den Bundestag transportieren, die für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die ihm das Mandat erteilt hätten, relevant seien.
Einige Fragen blieben unbeantwortet
Tatsächlich sei es auf dem Podium dann im Wesentlichen um die großen Themen gegangen, Klimawandel, Mieten, Mindestlohn. „Hier wurden viele Dinge kurz angesprochen, die sind aber nicht wirklich durchdacht“, kritisiert König. Ein typisches Phänomen von Wahlkämpfen: Kurz vor dem Wahltermin will kein Kandidat die Wählerinnen und Wähler verprellen, also werden eifrig Geschenke ausgeteilt. „Wir wollen bauen, wir wollen Mindestlohn, wir wollen Klimaschutz, es werden viele Ausgaben versprochen, die dann in den Monaten nach der Wahl wieder eingesammelt werden.“ Dabei gebe es viele Themen, allen voran den Klimawandel, die einen längeren Atem brauchten. Und den Zusammenhalt Europas. „Frau Sekmen von den Grünen hat probiert, hier die Problematik etwas weiter zu fassen, indem sie betont hat, dass ein klimaneutrales Deutschland nicht reicht, wenn gleichzeitig Frankreich seinen Strom aus Atomkraftwerken bezieht und in Polen die Kohlekraftwerke weiterlaufen.“ Auf der anderen Seite sei genau das ein heikler Punkt gerade für die Grünen - dass nämlich Deutschland auf Importe aus Polen und Frankreich angewiesen sein könnte, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energie nicht vorankommt.
Thomas König
Thomas König wurde 1961 in Münster geboren.
Der Politikwissenschaftler studierte an den Universitäten Heidelberg und Mannheim.
In Mannheim leitet Thomas König den Universitätslehrstuhl für Politikwissenschaft und Europäische Politik.
Für wenig ausgereift hält der Politikwissenschaftler auch die Forderung nach Entbürokratisierung, die CDU-Politiker Roland Hörner und sein Kollege von der FDP, Konrad Stockmeier, vorgebracht hätten. „Das ist nicht so einfach, auch hier fehlt der konkrete Plan: Wie soll das gehen? Das kann man so sagen, aber ohne konkreten Plan ist das eher ein leeres Versprechen.“ Als Beispiel führt König die Coronakrise an. „Wenn ich will, dass die Statistiken des Robert Koch-Instituts zur Zahl der Neuinfektionen nicht nur von Montag bis Freitag angemessen erfasst werden, weil die Gesundheitsämter am Wochenende keine Zahlen melden, muss ich die Arbeit vor Ort ganz anders organisieren, das kommt einer tiefgreifenden Veränderung unserer Fünf-Tage-Woche gleich.“
Auch die eingereichte Frage eines „MM“-Lesers, wie denn Bewohner von Mehrfamilienhäusern ihre Elektroautos laden sollten, ist nach Königs Ansicht unbeantwortet geblieben. „Wenn man den Leuten reinen Wein einschenken wollte, müsste man ihnen sagen, dass sie in dem Fall auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind.“
Wer der Gewinner des Abends ist? Für König bleibt es ein offenes Rennen. Alle hätten durchaus gepunktet, aber am Ende entscheidet der Wähler.
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