Mannheim. Bei der „MM“-Wahlarena im Nationaltheater werben Gökay Akbulut (Linke), Isabel Cademartori (SPD), Jörg Finkler (AfD), Roland Hörner (CDU), Melis Sekmen (Grüne) und Konrad Stockmeier dafür, am 26. September in den Bundestag gewählt zu werden. Zwischenzeitlich geht es recht kontrovers zu.
Ein Wahlduell zu sechst – angelehnt an das Triell auf Berliner Bühne müsste man im Mannheimer Nationaltheater eigentlich von einem „Sexell“ sprechen. Doch das wäre ein komisches Wort, das noch dazu falsche Vorstellungen wecken könnte. So heißt die am Sonntagnachmittag zusammengekommene Runde schlicht „MM-Wahlarena“.
Zur Begrüßung weist Karsten Kammholz, Chefredakteur des „Mannheimer Morgen“, auf die Frage hin, um die es am 26. September vor allem gehe: „Wie wollen wir eigentlich leben?“ Und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern ebenso konkret hier in dieser Stadt. Kammholz äußert auch die Erwartung, dass es bei dieser Wahl nicht nur auf die politischen Fähigkeiten der Kandidatinnen und Kandidaten ankomme. Gefragt seien diesmal auch „Anstand und Transparenz“.
Sozialverträglicher Klimaschutz gefordert
160 Menschen sind zur von „MM“-Lokalchef Stefan Proetel und Reporter Timo Schmidhuber moderierten Diskussionsrunde gekommen. Zunächst geht es hauptsächlich um den Klimaschutz. Dessen Dringlichkeit hätte das Leid der Menschen in den Flutgebieten etwa an der Ahr („keine zwei Stunden von hier!“) drastisch vor Augen geführt, so die Grüne Melis Sekmen. Roland Hörner von der CDU spricht sich für ein besseres Katastrophenmanagement auf Bundesebene aus. Beim Klimaschutz plädiert er eher für ein maßvolles Vorgehen, so sehe er das für 2030 geplante Aus des Grosskraftwerks (GKM) in Mannheim „mit großer Sorge“, was die Energieversorgung angehe. Jörg Finkler von der AfD sagt, es gebe kein Land, das wie Deutschland sowohl aus der Atom- als auch aus der Kohleenergie aussteige.
Die Linke Gökay Akbulut warnt: „Natürlich müssen alle klimapolitischen Maßnahmen auch sozialverträglich sein.“ Ähnlich äußert sich die Sozialdemokratin Isabel Cademartori, die Hilfen für die GKM-Beschäftigten anmahnt. Die steigenden Energiekosten dürften auch nicht dazu führen, dass sich etwa Fahrten mit dem Auto nur noch Reichere leisten könnten. Konrad Stockmeier von der FDP lobt Umweltschutz über den Handel mit CO2-Zertifikaten für Unternehmen. Die Gelder daraus müssten aber am besten an die Bürger gehen.
Hitzig wird es in der Diskussion vor allem an zwei Stellen. Als Finkler sagt, „die Menschen“ wollten keine Windräder, unterbricht ihn Sekmen: „Das behaupten Sie einfach!“ Was die Menschen wollten und was nicht, habe nicht die AfD zu entscheiden – die Partei, welche „die Stimmung in diesem Land vergiftet hat“. Als Sekmen daraufhin Applaus erhält, spottet Finkler über „Klatschhasen“ auf den Zuschauerbänken. „Mit Publikumsbeschimpfungen werden Sie keine Stimmen kriegen“, gibt Stockmeier ihm daraufhin mit.
An anderer Stelle geraten Akbulut und Hörner aneinander. Die Linken- Abgeordnete regt an, um mehr Mittel für den Klimaschutz zu bekommen, solle man von der Nato-Vereinbarung abrücken, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Rüstung zu stecken. Dieser Vorschlag komme von den Linken bei jedem beliebigen Thema, lästert der CDU-Kandidat, „wahrscheinlich auch bei der Erdbeerernte“. Das sei schon merkwürdig für „eine Partei, die Regime mitträgt, die Krieg als Mittel der Politik sehen“.
Darauf entgegnet Gökay Akbulut entrüstet, sie habe einen kurdischen Migrationshintergrund und wisse, was Krieg sei. Weder sie noch ihre Partei trügen kriegstreibende Regime mit.
Klare Gegensätze beim Wohnen
Dann glätten sich die Wogen rasch wieder, insgesamt gehen die Sechs auf dem Podium durchaus konstruktiv und respektvoll miteinander um. Wobei es wohl in der Natur derartiger Veranstaltungen – auch auf Bundesebene gut zu beobachten – liegt, dass die Kandidatinnen und Kandidaten statt dem Beantworten konkreter Fragen lieber einfach sagen, was sie gerade mal sagen wollen. Aber auch das spricht dann ja für sich.
Aus Zeitgründen müssen die Moderatoren bei der Verkehrspolitik straffen, um sich noch dem Thema Wohnen widmen zu können. Auch hier werden klare Gegensätze erkennbar. Cademartori argumentiert, es habe sich klar gezeigt, dass man die Schaffung eines bezahlbaren Wohnraums nicht dem freien Markt überlassen dürfe. Akbulut fordert einen effektiven bundesweiten Mietendeckel. Dagegen meint Stockmeier, welche „verheerenden Folgen“ ein solcher Ansatz haben könne, habe man in Berlin gesehen. Hörner verweist darauf, dass die CDU jungen Familien den Erwerb von Eigenheimen mit Freibeträgen bei der Grundsteuer erleichtern wolle. Das planten auch die Grünen, so Sekmen, Unternehmen sollten dagegen mehr bezahlen. Und für Finkler lautet das Rezept: „Bauen, Bauen, Bauen.“ Wie die staatliche Förderung da genau laufen solle, kann er auf Nachfrage nicht sagen. Dafür habe seine Partei ihre Fachleute, er als Polizist habe andere Themen.
Den größten Lacherfolg erzielt Stockmeier. Nachdem Hörner ein Zitat von Mao Tse-tung („Egal, wie weit der Weg ist, man muss den ersten Schritt tun“) vorgetragen hat, meint der FDP-Bewerber: „Der CDU-Kandidat zitiert Mao Tse-Tung? Die politische Mitte in dieser Stadt können Sie bei mir ansiedeln.“
Nach kurzweiligen 90 Minuten muss Chefredakteur Kammholz die Diskussion – wie angekündigt – pünktlich beenden. Denn danach ist wieder richtiges Theater angesagt, im Schauspielhaus wird die Abendvorstellung vorbereitet. Wer die Wahlarena verpasst hat, kann sie sich in Ruhe auf Video anschauen.
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