Mannheim. Es ist schon fast 5 Uhr morgens, als sich die 34-Jährige gerade überlegt, nach einer langen Partynacht im Jungbusch endlich nach Hause zu gehen. Doch kurz bevor sich Maria L. (Name v. d. Red. geändert) verabschieden kann, öffnet sich plötzlich die Tür zur Bar Cafe Nelson - und ein vermummter Mann trifft ein. „Ihr habt es alle verdient“, soll der junge Mann dann gerufen haben, bevor er Pfefferspray direkt in den Raum auf die wenigen Gäste sprüht. „Mich hat es im Gesicht und an der rechten Schulter erwischt, meine Augen waren sofort komplett zugeschwollen, und ich war teilweise blind“, so schildert es L., die sich nach dem Vorfall am vergangenen Samstagmorgen an diese Redaktion wendet.
Die Attacke, so erzählt es die Ludwigshafenerin am Telefon, trifft sie besonders stark, da sie zu diesem Zeitpunkt am Stehtisch direkt gegenüber des Eingangs steht. Das sich ausbreitende Reizgas vernebelt den Raum und löst Panik unter den wenigen Feierenden aus, von denen sich einige, wie die Freundin der Betroffenen, in die Toilette flüchten. „Mich haben andere Frauen dann in den Hinterhof begleitet. Sanitäter haben mir später die Augen ausgespült, von den Polizisten wurden wir aber nicht befragt“, berichtet Maria L.
Mindestens 16 Verletzte
Im Polizeibericht heißt es dazu später: Nach ersten Erkenntnissen soll sich um kurz nach 5 Uhr eine Gruppe von 15 vermummten Personen vor der Bar in der Jungbuschstraße versammelt haben. Eine Person aus dieser Gruppe betrat die Bar und sprühte ungezielt Pfefferspray in den Gastraum. Dann rannte die Person, zusammen mit der restlichen Gruppe, in Richtung Teufelsbrücke davon. Mindestens 16 Personen, die sich in der Bar aufgehalten hatten, erlitten durch den Pfeffernebel eine Reizung der Augen und der Atemwege. Sie wurden noch vor Ort medizinisch versorgt. Bei der anschließenden Fahndung nach den Tätern gelang es den Einsatzkräften dann, in der Bismarckstraße um kurz vor 5.30 Uhr einen 23-jährigen Mann vorläufig festzunehmen. Bei ihm fanden die Beamten eine kleine Menge an Betäubungsmitteln, aber auch eine schwarze Sturmhaube, weshalb die Polizisten den Mann verdächtigen, in Verbindung mit der Attacke zu stehen.
Der Vorfall war schockierend und hat uns alle überrascht.
Was sagt der Barbesitzer selbst dazu, wie geht es nun im Cafe Nelson weiter? „Der Vorfall war schockierend und hat uns alle überrascht“, meldet sich Besitzer Alexander Gross am Telefon. Auch seine Mitarbeitenden und einen der beiden Türsteher hat die Attacke stark erwischt, sie klagen ebenfalls über brennende Augen und Haut, versuchen noch vor Ort, anderen Verletzten mit Wasser und Milch die Augen auszuwaschen. In Gesprächen am Tag danach findet Gross heraus: Offenbar soll der Täter mit einer Pfefferspraypistole in den Raum geschossen haben. Zu diesem Zeitpunkt sind laut Gross noch 30 Gäste und Beschäftigte in der Bar sowie die beiden Türsteher, die gerade alle zum Feierabend nach draußen bugsieren wollen - deshalb ist der Eingang kurz unbeobachtet. „Wir werden alles tun, damit das Feiern im Jungbusch sicher bleibt, und tauschen uns auch mit den anderen Gastronomen aus“, sagt Gross.
Drei Türsteher für mehr Sicherheit
Als erste Maßnahme wird er nun einen dritten Türsteher anheuern, damit seine Tür niemals unbesetzt ist. Auch mit Stadt und Polizei will Gross in Kontakt treten, um weitere Maßnahmen zu besprechen - und um abzuklären, ob in Zukunft das Überwachen per Kamera am Eingang möglich ist. Mit dem Nelsons trifft die Attacke eine der beliebtesten Bars im Ausgehviertel.
Bis zuletzt bekommt Gross von seinen Gästen durchweg positives Feedback, was die Sicherheit und die entspannte Stimmung im Nelsons betrifft. Seine Türsteher, so Gross,weisen dafür regelmäßig und bestimmt betrunkene, aggressive oder pöbelnde Feiernde ab. In seltenen Fällen würden manche der Zurückgewiesenen sogar handgreiflich. „Ich glaube, dass uns da jemand gezielt schaden will, weil er von uns vielleicht mal abgewiesen wurde“, vermutet der Barbesitzer. Er erinnert sich auch an einen in die Bar geworfenen Böller vor acht Wochen, der allen einen großen Schrecken eingejagt hat. Den Laden deswegen schließen? Das will Gross aber nicht. „Dann hätten die Täter doch genau das erreicht und uns alle damit verunsichert. Wir bleiben aber weiterhin extrem vorsichtig“, kündigt Gross an.
Ähnlicher Vorfall in der Innenstadt
Die Attacke auf die Bar im Jungbusch ähnelt einem anderen Vorfall vor knapp zwei Wochen in einem Club in Quadrat D 3: Dort hatte ein bislang unbekannter Täter am frühen Sonntagmorgen zu einer ähnlichen Zeit ebenfalls plötzlich Pfefferspray in den Raum gesprüht. Mindestens vier Personen wurden verletzt, der Club evakuiert. Der Täter selbst flüchtete.
Zeugen gesucht
- Für den Angriff am 12. August hat die Polizei Ermittlungen hinsichtlich der Tathintergründe wegen der gefährlichen Körperverletzung in 16 Fällen eingeleitet.
- Zeugen, die sachdienliche Hinweise geben können, werden gebeten, sich beim Polizeirevier Mannheim-Innenstadt, unter der Telefonnummer 0621/1258-0, zu melden.
- Hinweise nimmt die Polizei unter 0621/1258-0 auch zu einem ähnlichen Fall auf, bei dem ein Mann Pfefferspray in einem Club versprüht hat. Laut Zeugen ist der Mann ca. 25 Jahre alt, dunkle Hautfarbe, NBA-Tanktop von Lakers, lange blaue Jeans, NY Cap, braun-weiße Sneakers.
Ob die Fälle in Verbindungen stehen, es sich dabei sogar um den gleichen Täter handelt? „Wir prüfen die Zusammenhänge. Bislang sind die Hintergründe aber unklar, wir wissen noch nicht, gegen wen sich die Attacke gerichtet hat - gegen die Bar, den Clubbesitzer oder die Gäste“, erklärt Polizeisprecher Philipp Kiefner. Einige Gäste, die durch die Attacke in der Jungbuschbar verletzt wurden, seien nach dem Eintreffen der Polizei aber noch nicht vernehmungsfähig gewesen. Auch deshalb suchen die Ermittler weitere Zeugen und Betroffene.
Bislang kaum Beschwerden
„Ob es sich hier um ein grundsätzliches Problem mit der Partyszene handelt oder um einen Streit zwischen einzelnen Gästen, wissen wir noch nicht“, so Kiefner. Im Jungbusch selbst hat der Vorfall ebenfalls Wellen geschlagen. „Hier sind alle überrascht. Denn aktuell ist es hier so ruhig wie noch nie“, sagt Nachtbürgermeister Robert Gaa auf Anfrage am Telefon und ist dabei gerade auf dem Weg zum Treffen mit Gastro-Vertretern aus dem Viertel. In regelmäßigen Treffen spricht Gaa mit dem Quartiersmanagement und der Stadt über Probleme und Wünsche im Viertel. Das Fazit: Im aktuellen Jahr vermelden auch Polizei und Ordnungsamt bislang kaum Beschwerden. „Auch deshalb gehe ich von Einzelfällen aus, denn der Jungbusch ist nicht unsicher“, ordnet Gaa den Vorfall ein.
Den Jungbusch als Partymeile hat auch Maria L. immer als sicheres Viertel zum Feiern empfunden, sie selbst hat so eine Attacke dort noch nie erlebt. „Ich bin aber noch immer geschockt, das war ein traumatisches Erlebnis“, sagt die 34-Jährige, die danach mit dem Taxi nach Hause fuhr. Ihr rechter Arm, sagt sie, fühle sich noch immer warm an.
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