Mannheim. Thorsten Riehle muss das Ergebnis „erst einmal sackenlassen“ und bei SPD-Kreisvorsitzender Stefan Fulst-Blei überwiegt kurz vor dem vorläufigen Endergebnis vor allem der Stolz auf die Aufholjagd in den vergangenen Wochen.
Am Ende eines denkbar knappen Wahlabends ist aber klar: Die SPD hat nach mehr als fünf Jahrzehnten in der roten Hochburg das Nachsehen. Ein Christdemokrat führt künftig das Rathaus.
Der eine oder andere verdrückt eine Träne
Als Riehle um kurz vor 20 Uhr mit Ehemann Markus Schwarz-Riehle den Ratssaal des Stadthauses betritt, brandet Applaus auf. Riehles Augen sind klein, wirken leicht gerötet. Vielleicht hat er die eine oder andere Träne verdrückt. Nach diesem intensiven Wahlkampf wäre das bei einem derart engen Wahlausgang ja auch kein Wunder.
Wenige Meter hinter ihm kommt Christian Specht. Umringt von Kameras gibt es einen Händedruck. Danach verschwindet der SPD-Fraktionschef in einer Menschentraube. Umarmungen folgen. Schulterklopfer. Aufmunternde Worte. Der eine oder die andere haben Tränen in den Augen.
Freude auf einige Tage Urlaub
Ein intensiver Wahlkampf endet nervenaufreibend, ja fast dramatisch. „Es gilt jetzt erstmal, das Ergebnis der demokratischen Wahl zu akzeptieren“, sagt Riehle. „Das Pendel ist immer wieder in die eine oder andere Richtung ausgeschlagen.“
Man dürfe nie vergessen, dass „wir in einem Land, in dem ein demokratischer Wechsel nun mal möglich sei, leben“, erklärt auch Fulst-Blei. Nun stünden erst einmal ein paar Tage Ruhe an, sagt Riehle. Die Vorstellung daran entlockt ihm bereits wieder ein Lächeln..
Kühnert: "Kopf hoch, ihr habt toll gekämpft"
Auch prominenter Besuch aus Berlin hat letztlich nicht mehr geholfen, die vollständige Wende zu schaffen. Kevin Kühnert hatte noch am Samstagabend gemeinsam mit Riehle im Jungbusch um Stimmen geworben. „Kopf hoch, ihr habt toll gekämpft“, teilt der SPD-Generalsekretär am Abend dieser Redaktion mit Blick auf den Mannheimer Kreisverband mit. „Es war wahnsinnig knapp.“

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In der Tat: Die Aufholjagd, die Riehle mit seinem im zweiten Wahlgang größeren Unterstützerteam hingelegt hat, beeindruckt. Hatten viele im Vorfeld mit einem klareren Ergebnis für Specht gerechnet, entwickelt sich der Abend teilweise fast zu einer Hängepartie. Ein Erfolg, der wohl dem im ersten Wahlgang deutlich unterlegenen Lager um Riehle zugerechnet werden darf – auch wenn er am Ende doch wertlos ist.
Rückzug aus dem Capitol
Kurz nach Feststehen des Ergebnisses kann Riehle noch nicht sagen, wo die 1,2 Prozentpunkte gefehlt haben. Er freue sich über den Sieg in „etlichen Stadtbezirken“. Trotzdem steht er nun mit fast leeren Händen da.
Aus dem Capitol, das er 25 Jahre lang geleitet hat, zieht sich Riehle zurück. Es sei an der Zeit, der jüngeren Generation eine Chance zu geben, sich zu entwickeln, hatte er unter anderem im Mai dazu erklärt.
Riehle will an Fraktionsspitze bleiben
Beruflich gibt es „für mich keinen Plan B“, sollte er nicht Oberbürgermeister werden, betonte der Sozialdemokrat in dieser Woche beim gemeinsamen Besuch mit Christian Specht in der Redaktion noch einmal. Es bleibt ihm zunächst nur die ehrenamtliche Aufgabe des Stadtrats. „Ich sehe keinen Grund, daran etwas zu ändern“, antwortet er auf die Frage, ob er trotz der Niederlage an der Spitze seiner Fraktion bleibe.

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Seit 2014 ist Riehle Stadtrat, seit 2020 Chef der Fraktion. Im Wahlkampf erklärte er, Politik gemeinsam gestalten zu wollen. Er sei der Kandidat, der es als Capitol-Chef gelernt hat, „Brücken zu bauen“ und „Menschen zusammenzubringen“, wurde Riehle nicht müde zu betonen.
Diese Brücken wird er trotzdem bauen müssen – aus einer anderen Ausgangslage heraus als gewollt. Die Vereinbarung, die der Sozialdemokrat mit den Grünen ausgehandelt hatte, damit die ihn unterstützen, soll auch im Falle einer Wahlniederlage Gültigkeit besitzen, hatte er auf einer Pressekonferenz vor einigen Tagen auf Nachfrage dieser Redaktion gesagt.
Kritik an Politikstil von den Grünen
Man kann davon ausgehen, dass die Grünen nun auch lautstark auf diese Zusagen pochen werden und Riehle die Brücken zwischen den beiden größten Fraktionen mindestens erneuern muss. Dem Vernehmen nach waren vor allem Stadträte und Stadträtinnen der Grünen zuletzt nicht immer einverstanden mit der Art und Weise der Zusammenarbeit mit der SPD.

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Und dann ist da noch Christian Specht. Der neue Oberbürgermeister. Der neue Mann an der Spitze der Verwaltung – der aber mindestens bis zur Kommunalwahl im kommenden Jahr auf die Unterstützung von SPD und Grünen im Gemeinderat angewiesen sein wird. CDU, ML und FDP besitzen keine Mehrheit.
Warten auf Angebote der CDU
Man müsse in der Kommunalpolitik „gemeinsam an Zielen arbeiten“, wenn man denn diese gemeinsamen Ziele habe, hatte Riehle in dieser Woche erklärt. Auch auf ihn, den Chef der zweitgrößten Fraktion, kommt es deshalb nun an, eine Brücke zwischen Gemeinderat und Verwaltungsspitze zu bauen.
Es werde sich zeigen, ob das funktioniere, erklärt Riehle nach der Wahl. „Das liegt jetzt vor allem erst einmal an Christian Specht, ob und welche Angebote er macht.“ Specht sei es, der auf Partner angewiesen ist. „Es gehört zur Demokratie, zu überlegen, wie er damit nun umgeht.“
Im Wahlkampf beendete Riehle seine Videos häufig mit dem Aufruf: „Packen wir’s gemeinsam an.“ Nach der Wahl müssen nun auch die einstigen Konkurrenten gemeinsam arbeiten. Eine Herausforderung – für alle Seiten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar OB-Wahl in Mannheim: Spechts großer Coup