Mannheimer OB-Wahl

OB-Wahl in Mannheim: Unfassbarer Wahlkrimi im Stadthaus

Am Ende hat Christian Specht (CDU) knapp, aber klar, die Nase vor Thorsten Riehle (SPD) und wird neuer Mannheimer Oberbürgermeister. Der Wahlabend im Stadthaus verlief sehr spannend

Von 
Steffen Mack
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Christian Spechts Anhänger feiern im Ratssaal des Stadthauses so erleichtert wie begeistert den Wahlsieg des Christdemokraten. © Christoph Blüthner

Mannheim. Um 19.40 Uhr bricht frenetischer Jubel aus. Fast zwei Stunden haben hier im Stadthaus am Sonntagabend alle auf den neuen Mannheimer Oberbürgermeister gewartet. Doch in den Ratssaal gekommen ist kurz vorher nur der alte. Peter Kurz dankt zunächst all den Ehrenamtlichen, die bei der Wahl geholfen haben.

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Ehe dann der aus dem Amt scheidende Sozialdemokrat das Ergebnis verkünden kann, wird es nach Auszählung der letzten Stimmen hinter ihm eingeblendet: Christian Specht (CDU) landet mit 49,9 Prozent knapp, aber klar vor Thorsten Riehle (SPD) mit 48,7. Der hat sich gegenüber dem ersten Durchgang vor drei Wochen, als der Abstand mehr als 14 Prozentpunkte betrug, zwar deutlich verbessert. Aber der Wahlsieger und damit der neue Oberbürgermeister heißt trotzdem Specht.

Auf der (vom Podium aus und politisch gesehen) rechten Seite des Ratsaals können sich die Menschen vor Freude gar nicht mehr einkriegen. Christdemokraten sowie Spechts Unterstützer von Mannheimer Liste (ML) und FDP fallen sich jubelnd in die Arme. Sogar der 82-jährige ML-Fraktionschef Achim Weizel hüpft wie ein Derwisch auf und ab und haut vor Begeisterung mit der flachen Hand immer wieder auf den Tisch vor ihm.

Specht und Riehle kommen fast gleichzeitig

Dann betreten fast gleichzeitig die beiden Kontrahenten den Saal, flankiert von ihren engsten Getreuen. Sie wollten offensichtlich erst Klarheit, woran sie genau sind. Die Vorstellung, von den eigenen Anhängern als vermeintlicher Wahlsieger gefeiert zu werden und am Ende doch mit leeren Händen dazustehen, dürfte eine gruselige sein.

Thorsten Riehle gratuliert Wahlsieger Christian Specht per Handschlag. © Christoph Blüthner

Jetzt stehen sie gemeinsam mit Kurz vorne vor dem Podium. Riehle gratuliert Specht per Handschlag. Der revanchiert sich, indem er dem Sozialdemokraten noch vor seinen eigenen Unterstützern namentlich dankt. Aber auch beim bisherigen Oberbürgermeister bedankt sich der künftige, für die gute Zusammenarbeit in 16 Jahren und für alles, was Kurz für Mannheim getan habe.

OB-Wahl in Mannheim: Abend der historischen Rekorde

Es ist ein historischer Abend, in mehrfacher Hinsicht. Die CDU gewinnt erstmals eine Mannheimer Oberbürgermeisterwahl (der 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten eingesetzte Josef Braun trat den Christdemokraten erst später bei). Und die SPD stellt, mit Ausnahme des parteilosen Hans Reschke von 1956 bis 1972, erstmals seit 1948 nicht mehr das Mannheimer Stadtoberhaupt. Sie ist auch erstmals in einem zweiten Wahlgang unterlegen. Obwohl ihr da - anders als im ersten - niemand aus dem linken Lager Konkurrenz machte.

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Es dürfte aber auch die engste und spannendste Wahl der Mannheimer Geschichte sein. Dass nach Auszählung von 139 der insgesamt 142 Wahlbezirke das Ergebnis noch völlig offen war - da lag Specht nur rund 700 Stimmen vorn -, daran können sich selbst jahrzehntelange Beobachter nicht erinnern. Es ist ein Wahlkrimi, wie ihn nach dem ersten Durchgang nicht mehr viele für möglich gehalten hätten.

OB-Wahl in Mannheim: Thorsten Riehle kämpfte bis zuletzt

Riehle allerdings hat offenbar bis zuletzt daran geglaubt und dafür gekämpft. Im Stadthaus spricht er zwar „von einem Ergebnis, mit dem wir so nicht rechnen wollten“. Aber damit meint er offensichtlich, dass seine Partei nun den Chefposten im Rathaus verloren hat.

Der SPD-Kreisvorsitzende Stefan Fulst-Blei zeigt sich auf Nachfrage „ungeheuer stolz“ auf Riehle und dessen Aufholjagd, wofür er neben allen sozialdemokratischen Kräften auch den Grünen-Unterstützern im zweiten Wahlgang dankt. Die Frage, ob der Stolz die Enttäuschung über die Niederlage überwiegt, lässt Fulst-Blei indes unbeantwortet.

CDU-Kreisvorsitzender "überwältigt"

Der CDU-Kreisvorsitzende Christian Hötting zeigt sich jedenfalls „überwältigt“ vom historischen Sieg. Doch spricht er auch von Demut, mit denen sie das Ergebnis annehmen und die kommenden schweren Aufgaben angehen wollten.

Abgesehen von der Hochspannung ist auch die Präsentation der Ergebnisse im Stadthaus, vor drei Wochen von vielen als dröge und unpersönlich empfunden, diesmal sehr viel unterhaltsamer. Kurz nach 18 Uhr hat Christian Hübel, Abteilungsleiter strategische Steuerung bei der Stadt, die rund 200 Gäste im Ratssaal begrüßt.

Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang gesunken

Er verweist auf die leider mit 30,9 noch etwas weiter gesunkene Wahlbeteiligung, erntet aber einige Lacher, als er von einem BH berichtet, der in einer Wahlkabine im Moll-Gymnasium gefunden wurde. Als die Zahlen einlaufen, werden sie von Hübel kurz erklärt und eingeordnet. Nach zehn von 142 Wahlbezirken liegt Specht mit zwölf Prozentpunkten vorn, doch dann wird es immer knapper. Als die Aufzählung zur Hälfte vorbei ist, liegen die beiden fast Kopf an Kopf.

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Dank der Klimaanlage ist es im Ratssaal zwar angenehmer als draußen, wo es selbst um halb neun noch 35 Grad sind. Aber die Hitze und die Anspannung machen sich natürlich auch drinnen bemerkbar. Gekommen sind in erster Linie Menschen, die in irgendeiner Form lokalpolitisch engagiert sind oder warten. Aber auch Vertreter der Mannheimer Zivilgesellschaft.

Die Bandbreite reicht vom Trommelpalast-Mitbegründer Gero Fei über Christuskirchen-Kantor Johannes Michel bis zum langjährigen Polizeisprecher Norbert Schätze. Und wenn man die Gespräche beim Herausgehen auf die Schnelle richtig mitgehört hat, sind sich alle einig: So was Spannendes hat man lange nicht gesehen.

Alle Eindrücke vom Wahltag gibt es in unserem Liveblog

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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