Mannheim. Die Erstanlaufstelle für Geflüchtete im Thomashaus ist Geschichte. Ukrainerinnen und Ukrainer werden nun weiterhin privat oder in Hotels untergebracht, können bald im Wichernhaus in Neckarau übernachten - oder Wohnungen in den Columbus-Kasernen auf Franklin beziehen. In den sieben Häusern hatten zuletzt Auszubildende gelebt.
Jetzt hat die GBG die städtischen Wohnungen instandgesetzt. Für etwa 641 000 Euro seien Haustechnik, Mobiliar, Sanitär oder Brandschutz nachgebessert worden, weil einige Gebäude länger unbewohnt waren, bestätigt die Verwaltung Informationen aus einer Ergänzung zu einer Vorlage für den Gemeinderat, die dieser Redaktion vorliegt. Es handle sich dabei um eine Schätzung. „Die GBG hat die Wohnungen im Auftrag der Stadt vorbereitet, die Kosten hierfür werden von der Stadt übernommen“, heißt es.
In den 122 Wohneinheiten mit einer Wohnfläche von insgesamt 11 400 Quadratmetern könnten maximal 1464 Personen unterkommen, geht aus der nicht-öffentlichen Vorlage hervor. „Die meisten Wohnungen sind Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen, es gibt aber auch einige wenige Fünf-Zimmer-Wohnungen“, erklärt die Verwaltung auf Nachfrage. „Die Einheiten verfügen jeweils über eigene Sanitäranlagen.“
Maximal 1000 Personen
Die Miete, laut Vorlage 469 Euro pro Bett, kassiert zu großen Teilen das Unternehmen PulsM, das auch die Anlaufstelle im Thomashaus betrieben hatte. Die Gebäude seien an den Münchner Dienstleister vermietet worden, bestätigt die Verwaltung. „Hierfür zahlt PulsM an die Stadt eine Mindestmiete sowie, gestaffelt nach Belegungszahlen, eine Umsatzmiete.“ Die Vermietung erfolge zur Weitervermietung. „Die Verträge schließt PulsM direkt mit den Geflüchteten und erhält dafür Miete.“ Das Rathaus äußert sich mit Verweis auf den Datenschutz zu keinem konkreten Mietpreis.
Laut Vorlage geht die Verwaltung davon aus, dass die maximale Kapazität etwa wegen Familienstrukturen, die nicht gestört werden sollten, nicht erreicht werde. Man rechne mit einer maximalen Belegung von bis zu 1000 Personen. Es wird dennoch ein nicht unerheblicher Betrag an Miete zusammenkommen, der über Mindest- und Umsatzmiete in kleinen Teilen an die Stadt geht: zwischen etwa zehn und bei voller Auslastung 23,5 Prozent.
Nachträgliche Abstimmung
Die zimmerweise Vermietung einer Liegenschaft sei ein eigenes Geschäftsfeld, teilt die Verwaltung mit. „Dieses Geschäftsfeld, das einem Wohnheimbetrieb ähnelt, bietet die GBG nicht an. Sie verfügt nicht über die zusätzlich notwendigen Ressourcen, dieses kurzfristig aufzubauen.“
Frust herrscht bei einigen Stadträtinnen und Stadträten. Sie kritisieren in Gesprächen, die Stadt habe den Vertrag abgeschlossen, bevor sie abstimmen konnten. Erst im Nachhinein habe der Gemeinderat nichtöffentlich diskutieren können. Der Vertrag sei „Mitte September aufgrund der äußersten Eilbedürftigkeit vorbehaltlich der Zustimmung der städtischen Gremien“ unterzeichnet worden, erklärt die Verwaltung.
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Vor der Abstimmung, heißt es in einem der Gespräche, habe die Verwaltung in der Ergänzung zur Vorlage am 27. Oktober erklärt, was eine Ablehnung zur Folge hätte. So hätten „Kosten zur Ertüchtigung der Gebäude sowie für den Kauf von IT-Hardware und Möblierung in Höhe von insgesamt rund 641 000 Euro nicht refinanziert werden“ können. Es sei mit Schadensersatzforderungen „in Form der Erstattung sämtlicher unnützer Aufwendungen“ zu rechnen. Auch müssten die bereits auf Columbus wohnenden 200 Geflüchteten ausziehen - und die Hotelkosten wären teurer als die Unterbringung auf Columbus. „Da haben wir ja gar nicht mehr dagegen stimmen können“, heißt es.
Wenige Alternativen
Die Verwaltung erklärt, man habe einen Dienstleister mit „spezifischer Expertise in der zimmerweisen Vermietung und dem nachgelagerten erhöhten Betreuungsaufwand“ gefunden. Die Entscheidung sei wegen „der äußersten Eilbedürftigkeit“ im Verwaltungsstab als zuständiger Krisenstab getroffen worden. Nachdem die Aufgaben des Verwaltungsstabs in die Fachabteilungen „zurückdelegiert“ worden waren, seien Vorlagen „schnellstmöglich“ für den Hauptausschuss am 20. Oktober und den Gemeinderat am 27. Oktober vorbereitet worden. Laut Stadt habe es keine Anbieter gegeben, um „ein derart großes Gelände mit einer derart großen Anzahl von unterzubringenden Personen zu bewirtschaften“. Zwar habe eine „formlose Abfrage“ bei Dienstleistern stattgefunden - aber letztlich habe keiner ein Angebot abgegeben.
Im Thomashaus musste PulsM kochen oder die Unterkunft bewachen. Nun können Geflüchtete in Wohnungen selbst kochen - und Security fällt bei einem Rundgang auch nicht auf. Laut Rathaus müsse PulsM die Vermietung „nach den mit der Stadt vereinbarten Bedarfen durchführen und organisieren“. Darunter falle die Erstausstattung der Wohnungen oder das Einrichten einer Hausverwaltung.
Eine Anfrage bei PulsM bleibt ergebnislos. „Als Dienstleister der öffentlichen Hand, insbesondere in einem sensiblen Bereich wie der Unterbringung von Personen“, dürfe man „grundsätzlich“ keine Presseanfragen beantworten, teilt eine Sprecherin mit. Nach dem Landespressegesetz unterliegen Behörden einer Auskunftspflicht - private Unternehmen nicht.
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