Eine Schlangenhaut-Kiefer für Griechenland, eine Schwarzkiefer für Tunesien, eine See-Kiefer für Portugal, für Marokko eine Aleppo-Kiefer, für die Türkei eine Waldkiefer oder für Kroatien eine Balkankiefer, für Spanien eine Spirke und eine italienische Steinkiefer – acht Kiefern prägen den Erinnerungsort an die Mannheimer Gastarbeiter, der am Samstag auf dem Spinelli-Gelände, direkt an der alten Einfahrt gegenüber der Seilbahn-Station der Bundesgartenschau, eingeweiht wird. Er soll auch nach der Bundesgartenschau erhalten bleiben.
Das Schild „Spinelli-Barracks, Main-Gate“ steht noch wie früher, auch der Schlagbaum und das Häuschen der Wache. Dies alles soll auf Dauer an die ehemalige Kaserne der Amerikaner erinnern. Aber wo über Jahrzehnte Kolonnen großer Sattelschlepper und schnelle Jeeps ein- und ausgefahren sind, ist ansonsten eine Grünfläche entstanden. Und die hat nun eine zweite Funktion.
Die Idee dazu geht auf den Migrationsbeirat zurück, der 2018 einen Antrag zur „Errichtung eines Denkmals für die Einwanderung der Gastarbeiter/innen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Mannheim“ gestellt hat. Ein Jahr später brachte die SPD-Fraktion im Gemeinderat dazu ebenfalls einen Antrag ein, und 2021 lag dann ein erster Projektentwurf mit dem Vorschlag vor, das Projekt im Zuge der Bundesgartenschau zu realisieren.
Dabei hat der Migrationsbeirat die Bezeichnung „Gastarbeiter*in“ zwar verwendet, aber stets in Anführungszeichen gesetzt, weil er als Abwertung und Beleidigung empfunden werde. Auch die Stadt benutzt teilweise Anführungszeichen – aber nicht immer.
Der Gestaltungsentwurf geht auf das Landschaftsarchitekturbüro RMPSL.LA zurück. Es kreierte ein Baumensemble aus Kiefern verschiedener Arten, die symbolisch für die Anwerbeländer stehen. „Kiefern sind die Pflanzengattung, die in allen Ländern zu finden ist“, erläutert Angelika Pantleon, zuständige Projektleiterin bei der Bundesgartenschau-Gesellschaft. Dabei ist die Anordnung und Größe der Bäume aber zufällig – eine Rangfolge oder Bedeutungsunterschiede sollen damit nicht verbunden sein.
Zwischen die Bäume sind niedrige Gräser- und Heckenbänder sowie Wechselflor aus Kräutern oder Stauden gepflanzt. Derzeit dominieren Stiefmütterchen in verschiedenen Lilatönen, im Sommer sollen Salbeisorten folgen. Dieser – sehr pflegeintensive – Wechselflor und die Sonnenschirme werden nach der Bundesgartenschau verschwinden, die gesamte Gestaltung bleibt aber.
Dabei sind die Beete in Form von Kiefernzapfen angelegt, dazu passend ist zu den jeweiligen Ländern ein Natursteinbelag verlegt worden. So steht für Italien ein grüner Gneis, für Portugal grauer, für Spanien gelblicher und für Marokko ein Granit in einem leicht rötlichen Ton. Für die Türkei fiel die Wahl auf Blaustein, für Kroatien auf Kalkstein mit Muschelfragmenten, für Tunesien auf hellbeigen Kalkstein und für Griechenland auf Quarzit. Dazu stehen überall Holzbänke, auf denen man Platz nehmen kann.
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Aber man soll sich hier nicht nur gemütlich niederlassen, sondern etwas erfahren. An jedem Baum stehen Informationstafeln zu einzelnen Themen, dazu eine zentrale Informationstafel sowie Plaketten mit QR-Codes. Über diese QR-Codes können per Handy Geschichten angehört werden. Dieses ganze Informationsangebot, wozu das Marchivum maßgeblich die Fakten und historische Bilder beisteuerte, wurde mit 20 000 Euro aus dem Budget des Beauftragten für Integration und Migration finanziert, die Grünanlage aus den Mitteln für den Grünzug Nordost.
Ziel sei, so die Stadtverwaltung, „ein lebendiger Erinnerungs- und Würdigungsort, der zur Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Geschichten von Gastarbeitern und ihren Familien einlädt“. Schließlich sei Mannheim eine Einwanderungsstadt und ihre Gesellschaft von Migration geprägt, verweist die zentrale Infotafel darauf, dass zwischen 1966 und 1974 100 830 Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit als Arbeitskräfte angeworben wurden. Wenn auch 84 633 wieder weggezogen sind, haben doch viele maßgeblich zum Aufbau der deutschen Wirtschaft beigetragen. „An die Geschichte der Eingewanderten wird bisher wenig erinnert“, findet Lena Werner, Projektkoordinatorin im Team des Integrationsbeauftragten der Stadt. Mit der neuen Grünanlage, die bewusst kein Denkmal im eigentlichen Sinne sein solle, finde „die Erinnerung nun einen öffentlichen Raum und damit sichtbare Anerkennung“. Geschichte sei „zentrale Quelle von Identifikation und Identität in einer Gesellschaft“, begründet die Stadt das Projekt.
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