Mannheim. Viel ist es nicht mehr, was einen daran erinnert, dass im Thomashaus bis vor wenigen Monaten noch Senioren gewohnt haben. Die Zimmer sind leer - oder bereits neu bezogen. Neben Holzbetten stehen nun auch Feldbetten in den Räumen. Und dort, wo sich vor Monaten noch Senioren gemeinsam getroffen haben, spielen nun Kinder. Einzig die für Seniorenheime typische Luft ist es, die noch an die jüngste Vergangenheit des Thomashauses erinnert.
Es ist durchaus ein reges Treiben in und vor dem Domizil in Neuhermsheim, in dem nun seit etwa zwei Wochen aus der Ukraine geflüchtete Menschen erstaufgenommen werden. Das Sommerwetter lockt viele auf die Terrasse vor dem Haus, einige schlendern Richtung nahe gelegener Bushaltestelle, andere genießen die Sonne direkt vor Ort. Immer wieder kommen Menschen in kleineren Gruppen mit Koffern die Straße runter - auch sie werden für die nächsten Tage im Thomashaus eine Bleibe finden.
Wohnraum online anbieten
Weil sich Stadt und Jugendherberge auf keine Fortsetzung der Zusammenarbeit hatten einigen können, musste die Erstanlaufstelle und Notunterkunft für aus der Ukraine Geflüchtete Mitte des Monats vom Rhein nach Neuhermsheim ziehen (wir berichteten). Das Thomashaus, seit August vergangenen Jahres von der evangelischen Heimstiftung betrieben, steht leer, weil es eigentlich abgerissen werden soll. Die Stadt kann das Haus nun bis mindestens 30. September zur Erstaufnahme nutzen.
„Wenn wir eng zusammenrücken, können wir bis zu 300 Personen aufnehmen“, erklärt Oliver Makowsky-Stoll, der die Erstanlaufstelle leitet. Etwas mehr als 130 Plätze seien aktuell belegt. „Auch heute sind Menschen angekommen, deshalb werden es am Abend etwas mehr als die 130 sein.“
Die Ankommenden werden noch vor dem Haus auf das Coronavirus getestet, ehe sie sich anmelden und in mehreren Zimmern Beratungen und Services der Verwaltung in Anspruch nehmen können - das alles unterscheidet sich im Wesentlichen kaum von dem Konzept, das die Stadt bereits in der Jugendherberge über Wochen verfolgt hatte. So können sich Geflüchtete beispielsweise über den Arbeitsmarkt informieren oder etwaige Sozialleistungen beantragen. „Nicht jeder beantragt die Leistungen“, erklärt Makowsky-Stoll. Auch das Jugendamt besucht an zwei Tagen in der Woche das Thomashaus, in dem laut Makowsky-Stoll 35 Angestellte der städtischen Verwaltung arbeiten.
Wie schon die Jugendherberge soll auch das Thomashaus den Geflüchteten als Erstanlaufstelle und Notunterbringung dienen - nicht aber als dauerhafte Aufnahmestation. Nach zwei bis drei Tagen, so der Plan, sollen die Geflüchtete an private Haushalte vermittelt werden. In dem Zusammenhang weist die Stadt auf die Webseite startraum-mannheim.de hin, auf der Mannheimer und Mannheimerinnen entgeltpflichtigen Wohnraum für Geflüchtete anbieten können. Kostenloser Wohnraum kann auch unter mannheim.de/unterbringungsangebot oder bei der Ukraine-Hotline unter 0621/239 3299 angeboten werden.
Etwa 600 in der Jugendherberge oder im Thomashaus angemeldete Geflüchtete habe die Verwaltung bislang in etwa 250 Haushalte vermitteln können, erklärt Alexander Floß, der die Wohnraum-Vermittlung im Thomashaus leitet. Insgesamt, erklärt Stadtsprecherin Carolin Bison, sind in ganz Mannheim bislang etwa 2800 Geflüchtete offiziell erfasst worden. Weil sich aus der Ukraine geflüchtete Menschen in Deutschland aber zunächst nicht offiziell registrieren müssen, eine 90-tägige Visumfreiheit besitzen und häufig bei Verwandten oder Bekannten privat unterkommen, dürfte die tatsächliche Zahl größer sein.
Angebote durch Thomasgemeinde
Direkt ans Haus angeschlossen ist eine Kindertagesstätte der evangelischen Kirche mit Garten und Spielplatz. Den können auch Kinder aus dem Thomashaus am Nachmittag benutzen, erklärt Kita-Leiterin Sigrid Mohr-Messarosch. Neben einem Klettergerüst und Spielsachen für den Sand finden Kinder eine Rutschbahn sowie eine Hängematte, die „gerne von den Jugendlichen genutzt wird“. Der Platz hinter dem Haus ist mit einem Zaun abgegrenzt und vor Blicken geschützt. „Frauen können hier in Ruhe unter sich sein und müssen keine Angst zu haben, dass Kinder wegrennen“, sagt Mohr-Messarosch.
Indes bietet die evangelische Thomasgemeinde Neuostheim/Neuhermsheim ab 4. Mai ein ökumenisches Begegnungscafé im Gemeindezentrum an. „Als Gemeinde wollen wir eine Willkommenskultur schaffen und dass Menschen aus dem Thomashaus zu uns kommen“, erklärt Pfarrer Christian König. Neben Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche wolle die Gemeinde Geflüchteten nach dem kräfteraubenden Verwaltungsweg „einen Ort zum Verschnaufen“ anbieten. Weitere Aktivitäten, auch für Orthodoxe, sind außerdem noch in Planung, erklärt König. „Es werden im Rahmen der christlichen Nächstenliebe stückweise immer mehr Angebote dazukommen.“
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