Mannheim. Seit dem 8. März war in der Jugendherberge eine Art „zweites Rathaus“ entstanden. Aus der Ukraine Geflüchtete haben am Rhein in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs einen Anlaufpunkt gefunden, an dem sie sich offiziell registrieren konnten und neben Übernachtungsmöglichkeiten auch die Gelegenheit hatten, sich etwa gegen Corona impfen zu lassen oder sich über mögliche Arbeitsstellen und den hiesigen Arbeitsmarkt zu informieren. „Wir sind von dieser Struktur überzeugt und wollen sie auf jeden Fall aufrechterhalten“, sagt Oberbürgermeister Peter Kurz am Dienstagnachmittag im Hauptausschuss – und verkündet dann das Aus für die von Anfang an auf Zeit angelegte Erstaufnahmeeinrichtung: Ab Mitte April zieht die Einrichtung stattdessen ins Thomas-Haus der evangelischen Heimstiftung nach Neuhermsheim um, während die Jugendherberge ihren regulären Betrieb wieder aufnehmen kann.
„Wir haben versucht, eine Kombinationslösung mit einem klassischen Jugendherberge-Angebot in Teilen und der Aufrechterhaltung unserer Struktur zu finden“, erklärt Kurz. Das aber sei nicht gelungen. Das Thomas-Haus steht momentan leer, weil es abgerissen werden soll (wir berichteten). Bis Oktober sollen nun in Neuhermsheim all die Leistungen angeboten werden, die zuvor am Rhein zu finden waren.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Claudius Kranz, begrüßt die Entscheidung für das Thomas-Haus und sieht darin ein „wunderschönes Beispiel, wie Bürgerinnen und Bürger mitdenken“. Der Stadtrat bedankt sich namentlich bei Albert Weis, der sich mit dem Vorschlag bei mehreren Fraktionen gemeldet hatte. „Es ist schön, dass diejenigen, die niemanden unterbringen können, in der Situation mitfühlen und mithandeln“, sagt Kranz. Als „unglaublich berührend“ bezeichnet auch SPD-Fraktionschef Thorsten Riehle das ehrenamtliche Engagement und die Bereitschaft der Mannheimerinnen und Mannheimer, fremde Menschen aufzunehmen. „Das ist eine Situation, die wir alle nicht genug wertschätzen können.“
Zuvor hatte Kurz bereits erklärt, dass über die Wohnungsbaugesellschaft GBG bislang 475 Geflüchtete an 200 private Haushalte vermittelt worden sind. Weil sich aber nicht alle aus der Ukraine Ankommenden auch registrieren müssen und wohl viele bei Verwandten oder Bekannten unterkommen, ist die Zahl der privat Untergebrachten wahrscheinlich noch höher.
Insgesamt, erläutert Kurz, seien bislang 2337 Geflüchtete offiziell registriert, davon 932 Kinder und Jugendliche. Damit liegt die Kommune deutlich über ihrer Soll-Quote, weshalb Mannheim von einer Zuweisung von Geflüchteten durch die Landesaufnahmeeinrichtung ausgenommen sei, erklärt Jens Hildebrandt, Leiter der städtischen Ukraine-Taskforce.
Für die private Unterbringung von Geflüchteten soll es nun auch möglich sein, Mietzahlungen zu erhalten. So kündigt Kurz an, dass an diesem Mittwoch ein „Portal zur Vermittlung von kostenpflichtigem Mietwohnraum“ freigeschaltet werden soll. Ein solches gebe es demnach bereits bundesweit. „Wir denken, dass es sinnvoll ist, das auch lokal zu machen.“
Grundsätzlich sei es für Geflüchtete möglich, eine Wohnung anzumieten. Wenn das Sozialamt die Kosten übernehmen müsse, darf ein Mietvertrag allerdings erst nach Beantragung der Kosten abgeschlossen werden, erklärt Kurz.
Generell bekomme die Verwaltung inzwischen eine Menge Resonanz derjenigen, die bereits Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stellen. Kurz geht dabei nicht ins Detail, kündigt aber für Anbieterinnen und Anbieter die Möglichkeit an, sich am kommenden Freitag, 8. April, bei einem digitalen Stammtisch über Fragen und Probleme austauschen zu können.
Stefanie Heß von den Grünen schließt sich dem Dank der Gemeinderatskollegen an die Bevölkerung an, macht sich allerdings auch Sorgen um besonders schutzbedürftige Geflüchtete, etwa Frauen, Kinder oder unbegleitete Minderjährige. Zwar seien in Mannheim bislang keine Fälle bekannt, in denen Notlagen bei privaten Wohnangeboten ausgenutzt wurden – Heß aber fragt sich, wie das auch in Zukunft zu verhindern sei. Kurz bestätigt Heß’ Einschätzung, dass es noch keine konkreten Situationen von Ausbeutung gegeben habe – allerdings seien entsprechende Anspracheversuche in diese Richtung bekannt. „Die Polizei hat das Thema auf dem Schirm und die Versuche unterbunden.“
Infos: www.mannheim.de
Neue Unterkunft
- Die Jugendherberge am Rhein ist seit 8. März als Erstanlaufstelle für Geflüchtete und Notunterbringung von der Stadt angemietet.
- In der Herberge finden Geflüchtete eine Verwaltungsstraße vor, in der sie sich offiziell registrieren können. Die Stadt unterbreitet den Geflüchteten in der Jugendherberge unter anderem ein Impfangebot, auch der Bürgerservice war vertreten. Außerdem können sich Geflüchtete über den hiesigen Arbeitsmarkt informieren und wurden an privat angebotene Unterkünfte weitervermittelt.
- Die neue Erstanlaufstelle soll ab Mitte April im Thomas-Haus in Neuhermsheim zu finden sein. Vom Hauptbahnhof aus kommen Geflüchtete unter anderem über Tattersall mit der Linie 6A ans Thomas-Haus. Aussteigen müssen sie an der Haltestelle Ulanenweg, von dort aus sind es etwa fünf Gehminuten. Die S-Bahn-Haltestelle Arena/Maimarkt liegt etwa zehn Gehminuten entfernt.
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