Mannheim. Umwelt-Staatssekretär André Baumann (Grüne) hatte es bereits im vergangenen Sommer auf den Punkt gebracht: „Das ist schließlich nicht irgendein Fluss“, sagte Baumann, als er Ende Juni 2021 mit der Finanzierungszusage der baden-württembergischen Landesregierung für eines der größten Naturschutz-Vorhaben überhaupt in der Quadratestadt seiner Mannheimer Parteifreundin, Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell, einen Besuch abstattete.
Projekt soll rund 32 Millionen Euro kosten
Die lange geplante Renaturierung des Neckarufers zwischen dem Fernmeldeturm und dem Wasserkraftwerk bei Feudenheim soll – zumindest in zwei von insgesamt vier Bauabschnitten – bis zur Bundesgartenschau im kommenden Jahr fertig werden. Und den Neckar mit neuen Uferwegen „erlebbarer“ machen.
Alles in allem wird das Projekt rund 32 Millionen Euro kosten. Vorerst 12,4 Millionen übernimmt das Land, das den Rückbau des kanalartig ausgebauten Flussufers und die Reaktivierung der ehemaligen Neckarschleife in der Feudenheimer Au als Teil der Gewässerschutz-Auflagen der Europäischen Union (EU) vorantreibt. Bis 2023 soll das Augewässer ebenso fertiggestellt werden wie Abschnitt eins der „Entgradigung“ des Flussufers, damit das strömende Neckarwasser kleine Buchten und Inseln entstehen lässt, die als Lebensräume für die verschiedensten heimischen Tier- und Pflanzenarten dienen.
Wie es in den nächsten Wochen am Neckarufer weitergeht
Nach Angaben der Bundes- gartenschau-Gesellschaft ist die Baustelleneinrichtung „so gut wie abgeschlossen“.
Noch bis Ende Juni sind Spezialisten mit der Kampfmittelräumung vor Ort tätig. Bislang, so betont Buga-Sprecherin Corinna Brod, wurde glücklicherweise nur Zivilschrott gefunden.
Innerhalb der nächsten zwei Wochen beginnt an den Ufern im Bereich Luisenpark und Maulbeerinsel die Einrichtung der Baustraßen. Fertigstellung bis Ende Juni.
Im Juli beginnen dann die ersten großen Erdarbeiten.
Die Bauarbeiten sind den Angaben zufolge in „vier bis fünf Abschnitte“ gegliedert von Westen nach Osten (vom Fernmeldeturm bis zur Riedbahnbrücke).
Die Abschnitte werden nacheinander bearbeitet, und jeweils direkt nach der Fertigstellung eines Abschnitts wird die Baustraße dort zurückgebaut und die Fläche eingesät.
Geplant ist, etwa 60 000 Kubikmeter Lehmboden auszubaggern und mit Schiffen abzutransportieren.
Für die Renaturierung des Neckarvorlands im Abschnitt West werden laut Buga GmbH insgesamt etwa 100 000 Quadratmeter Neckarwiese neu modelliert. lang
Insbesondere für die Fischarten Barbe und Nase als Leitarten, aber auch für zahlreiche Insekten sollen die Lebensräume neu geschaffen werden, die durch die Kanalisierung des Neckars zu Beginn des 20. Jahrhunderts verloren gegangen waren. Die Aufwertung der Auenlandschaft, die auch als natürlicher Wasserspeicher diene, sei deswegen ein wichtiges Naturschutzziel, das Stadt und Land verfolgen. Damit Gutes für die Natur getan werde und die Menschen dies auch erleben und sich darin bewegen können, sei die Bundesgartenschau 2023 eine „ideale Kulisse für das Vorhaben“, wie Baumann, Pretzell und der Geschäftsführer der städtischen Buga-Gesellschaft, Michael Schnellbach, schon bei der Übergabe des Förderbescheides betont hatten.
Neckarwiese soll tiefergelegt werden
Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und die Baustelleneinrichtungen und Vorarbeiten sind weitgehend abgeschlossen, wie die Sprecherin der Mannheimer Bundesgartenschau-Gesellschaft, Corinna Brod, auf Nachfrage mitteilte. Allein 2500 Altlasten-Verdachtspunkte mussten vom Kampfmittelräumdienst abgearbeitet werden – bislang fanden die Spezialisten jedoch lediglich zivile Hinterlassenschaften im Untergrund am Flussufer.
Vorgesehen sind am Altneckar neue kleine Nebenarme, die Neckarwiese wird „tiefergelegt“, damit der Fluss auch bei niedrigem Wasserstand wieder zugänglich wird, so die Pläne, die der Nachbarschaftsverband Mannheim-Heidelberg seit 2015 vorbereitet hat. Doch wo „wild und unberechenbar“ drauf steht, sind dem freien Mäandern des Flusses gewisse Grenzen gesetzt. Denn die Uferzonen sollen zugleich als Naherholungsgebiet deutlich aufgewertet werden. Insbesondere der westliche Abschnitt des Altneckars (Riedbahnbrücke–Fernmeldeturm, Kosten knapp zehn Millionen Euro) steht dabei im Blickpunkt: Er soll zur Buga im kommenden Sommer als ökologisches Mustervorhaben fertig werden.
Mitte der 2020er Jahre soll dann auch der östliche Altneckar (13,1 Millionen) in neuer Natürlichkeit erstrahlen. Da an den beiden insgesamt rund 3,5 Kilometer langen Ufer-Strecken Buchten und Durchstiche so angelegt werden, dass die vergleichsweise starke Strömung des Neckars den Rest der Arbeit erledigt, können Flachwasserzonen auf natürliche Weise entstehen und sich mit der Zeit auch mehr oder weniger stark verändern.
Die Serie „75 Ideen für ein besseres Mannheim“
- Zum 75. Geburtstag des „Mannheimer Morgen“ haben wir „75 Ideen für ein besseres Mannheim“ vorgestellt. Bei einer Abstimmung konnten unsere Leserinnen und Leser die beste Idee wählen. Gewonnen hat der Beitrag von Redakteurin Anke Philipp mit dem Thema „Mannheim, wie wär’s mit … sich mehr zu den Flüssen zu öffnen?“.
- Das nehmen wir nun zum Anlass für eine Serie mit dem Titel „Leben an zwei Flüssen“. Sie beschäftigt sich in loser Folge mit der Nutzung der Flächen an Neckar und Rhein. Es geht dabei um die Frage, welche Ideen bislang umgesetzt wurden, was noch geplant ist und aus welchen Plänen nichts wurde und warum.
- Was wünschen Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, konkret bei der Nutzung der Flächen an Rhein und Neckar? Schicken Sie uns Ihre Ideen an lokal@mamo.de.
Das Augewässer im Norden der Feudenheimer Au (5,7 Millionen Euro) sowie der zugehörige Wasserlauf sollen ebenfalls bis zur Buga fertig werden – damit die ehemalige Neckarschleife am Aubuckel wieder sichtbar wird. Die Kosten für Augewässer und Bachlauf stecken schon in der Finanzierung des Grünzugs Nordost. Der als Projektphase Süd bezeichnete Durchstich (3,4 Millionen Euro) zum Neckarkanal ist bislang allerdings noch nicht komplett durchgeplant.
Phosphorwerte im Neckar müssen runter
Wie erst im Verlauf der Diskussionen um das grüne Groß-Vorhaben deutlich wurde, kann dieser Teil der Neckar-Renaturierung erst verwirklicht werden, wenn hohe Phosphorwerte im Neckarwasser dauerhaft abgesenkt werden. Dies sei aufgrund gesetzlicher Vorgaben und dem bereits begonnen Ausbau der Kläranlagen am Neckar oberhalb Mannheims in „fünf bis zehn Jahren“ zu erwarten.
Der Durchstich zum Neckarkanal könne dann im Verlauf einer natürlichen, einstmals auch tatsächlich wasserführenden Rinne bewerkstelligt werden. Jetzt gilt es aber zuerst, bis zur Buga die Ufer am Luisenpark und auf der gegenüberliegenden, westlichen Maulbeerinsel fertig zu stellen. Dass dies gelingen kann – daran gibt es kaum Zweifel. Hatte Staatssekretär André Baumann doch mit der Finanzierungszusage im vergangenen Juni die Messlatte hochgelegt. Es gehe nicht um „irgendeinen Fluss“, nein: „Das hier ist schließlich unser Neckar!“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-renaturierung-des-mannheimer-neckarlaufs-schluten-inseln-und-ein-neues-naturerlebnis-_arid,1951300.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-was-sich-im-mannheimer-landschaftsschutzgebiet-fuer-die-buga-2023-alles-veraendert-_arid,1905391.html