Mannheim. Mannheim näher ans Wasser? Im Interview erklärt Oberbürgermeister Peter Kurz, warum es bei uns keine Hafencity geben wird, was stattdessen geplant ist und warum eine Radbrücke nach Ludwigshafen für ein besseres Fluss-Erlebnis sorgen würde.
Herr Oberbürgermeister, wo ist Ihr Lieblingsplatz am Wasser?
Peter Kurz: Je nach Stimmungslage - Mannheim hat viele unterschiedliche Wasserlagen zu bieten. Wenn’s ums Naturerlebnis geht, dann sind es zumindest in den Wintermonaten die Reißinsel und die Silberpappel im südlichen Waldpark. Das Strandbad ist natürlich ganzjährig ein toller Ort. Und der Blick von der oberen Etage des Musikparks ist zwar sehr industriell, aber das ist auch eine interessante Wasserlage. Das Neckarufer bietet schöne Möglichkeiten zum Spaziergehen. Und nicht zu vergessen: die Rheinwiese.
Der Siegerbeitrag unsere Serie „75 Ideen für ein besseres Mannheim“ hat den Titel „Mannheim, wie wär’s mit . . . sich mehr zu den Flüssen zu öffnen?“ . Wie beantworten Sie diese Frage?
Kurz: Meine Antwort ist: Das wäre sehr gut. Und wir arbeiten ja auch an verschiedenen Stellen daran. Beim Vorhaben, die Stadt ans Wasser zu bringen, haben wir es allerdings auch mit historisch entstandenen Rahmenbedingungen zu tun, wie dem Verlauf von Bahnlinien oder dem Hafengebiet in der Stadt.
Bevor wir zu den Schwierigkeiten kommen - in den vergangenen Jahren hat sich ja durchaus etwas getan bei der Nutzung von Flächen am Wasser. Was sind für Sie hier die wichtigsten Entwicklungen?
Kurz: Da ist die Strandbad-Sanierung genauso zu nennen wie die Wohngebäude direkt am Bonadieshafen auf dem Luzenberg. Aber natürlich auch die Entwicklung am Verbindungskanal im Jungbusch, wo Musikpark, Popakademie, das Existenzgründerzentrum C-Hub sowie private Wohnangebote, wie etwa in der Kauffmannmühle, entstanden sind. Hier hat die Stadt eine große Qualität ans Wasser gebracht. In der Neckarstadt wiederum sind zwei Abgänge an den Neckar entstanden - die Treppe am Alten Meßplatz und der Abgang aus der Neckarstadt-West, unterhalb der Dammstraße.
Peter Kurz
- Peter Kurz ist seit 2007 Oberbürgermeister von Mannheim. Seit 2018 ist der Sozialdemokrat auch Präsident des baden-württembergischen Städtetags.
- Vor seiner Wahl zum Stadtoberhaupt war der frühere Verwaltungsrichter Dezernent für Bildung, Kultur und Sport, davor SPD-Fraktionschef im Gemeinderat.
- Der 59-Jährige ist mit Daniela Franz verheiratet. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Kinder.
Gerade am Neckar wird sich ja in den nächsten Jahren noch was tun - das Collini-Areal wird zum Teil neu bebaut, und am Rande des Alten Meßplatzes entsteht das Forum Deutsche Sprache.
Kurz: Durch den Bau des Forums Deutsche Sprache wird die Neckarstadt noch näher an den Fluss gebracht, ähnlich ist es auch beim SWR-Gebäude an der Schafweide, wo unter anderem ja auch ein Platz entsteht mit Gastronomie. Unterhalb der Dammstraße wollen wir Freizeitangebote für Kinder genauso wie für Senioren schaffen, ein entsprechendes Wettbewerbsverfahren ist in Vorbereitung. Die von Ihnen angesprochene Umgestaltung des Collini-Areals bietet die Möglichkeit, die Verbindung von der Innenstadt zum Neckar neu zu gestalten. Im Moment bildet der Gebäudekomplex ja einen Riegel, das wird durch die neue Bebauung aufgelöst. Es ist ein großer Unterschied, wenn ich eine Blickbeziehung zum Fluss habe. In diesem Zusammenhang wollen wir auch den angrenzenden Böckler-Platz neu gestalten. Das sind Projekte, die die nächsten Jahre noch andauern werden, die aber eine große Chance darstellen, um die Stadt näher ans Wasser zu bringen.
Von welchem Zeitrahmen sprechen wir bei diesen Punkten?
Kurz: Das Wesentliche wird noch in diesem Jahrzehnt umgesetzt.
Trotzdem wünschen sich viele unserer Leserinnen und Leser eine noch stärkere Nutzung der Flächen am Wasser. Was steht dem im Weg?
Kurz: Viele Wasserlagen in Mannheim sind entweder durch Naturschutzgebiete oder durch industrielle oder gewerbliche Nutzung geprägt. Die klassische städtische Nutzung im Sinne von Wohnen und Freizeitangeboten lässt sich da schwer realisieren.
In anderen Städten wie Hamburg oder Köln geht das doch auch.
Kurz: Da hat man allerdings Hafennutzungen entweder komplett aufgegeben oder verlagert. Beides ist in Mannheim nicht der Fall. Die Hafennutzungen funktionieren, und sie sind auch relevant - nicht nur für den Industriestandort Mannheim, sondern darüber hinaus auch für Baden-Württemberg, denn der Hafen gehört dem Land. Wir sind in einer intensiven Diskussion, aber klar ist: Die Hafennutzung als solche ist nach wie vor nachgefragt und mit Blick auf den Klimawandel - Stichwort Transport auf dem Wasser als ökologisch vorteilhafte Variante - auch besonders aktuell. Die Frage einer umfassenden Umwandlung von Hafengebieten, wie wir sie in anderen Städten erlebt haben, stellt sich in Mannheim nicht.
Also keine Hafencity wie in Hamburg?
Kurz: Diese Perspektive haben wir nicht. In Hamburg war der Auslöser, dass es infrastrukturell ein gemeinsames Interesse der Stadt und des Hafens gegeben hat: Man hat eine Hafenausweitung gebraucht, hat dann an anderer Stelle in großem Umfang neu investiert und dafür city-nahe Hafenflächen aufgegeben. Diese Konstellation stellt sich in Mannheim so eben nicht dar. Wir sind allerdings in der naheliegenden Diskussion, wie sich die Entwicklung am Verbindungskanal fortsetzen lässt. Da laufen derzeit die Gespräche mit dem Hafen und dem Land. Das wird in den nächsten Monaten auf die Tagesordnung kommen, hoffentlich mit entsprechenden Ergebnissen. Es ist aber wenig produktiv, über Umwandlungsprozesse nachzudenken, für die es an Voraussetzungen fehlt. Besser ist es, an den Stellen konsequent zu arbeiten, an denen die Stadt tatsächlich schon ans Wasser gerückt ist, und zu schauen, wie sich diese Lagen besser entwickeln lassen.
Die Serie „Leben an zwei Flüssen“
- Zum 75. Geburtstag des „Mannheimer Morgen“ haben wir „75 Ideen für ein besseres Mannheim“ vorgestellt. Bei einer Abstimmung konnten unsere Leserinnen und Leser die beste Idee wählen.
Gewonnen hat der Beitrag von Redakteurin Anke Philipp mit dem Thema „Mannheim, wie wär’s mit … sich mehr zu den Flüssen zu öffnen?“. Das nehmen wir nun zum Anlass für eine Serie mit dem Titel „Leben an zwei Flüssen“. - Sie beschäftigt sich in loser Folge mit der Nutzung der Flächen an Neckar und Rhein. Es geht dabei unter anderem um die Frage, welche Ideen bislang umgesetzt wurden, was noch geplant ist und aus welchen Plänen nichts wurde und warum.
- Was wünschen Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, konkret bei der Nutzung der Flächen an Rhein und Neckar? Schicken Sie uns Ihre Ideen an lokal@mamo.de.
Was können Sie sich am südlichen Verbindungskanal vorstellen?
Kurz: Im Grunde ist dort außer Wohnen alles anzusiedeln, also alles, was nicht mit der Entwicklung des Hafens kollidiert und die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände berücksichtigt - konkret sind das Sport- und Freizeitnutzungen, aber etwa auch Büros.
Auch ein Tretbootverleih?
Kurz: Wenn das nicht den Schiffsverkehr behindert, wird man möglicherweise auch das hinbekommen - wobei das jetzt für mich nicht der zentrale strategische Angelpunkt wäre. Klar ist bei allem aber: Die Stadt ist ein Akteur, Eigentümer und Betreiber des Hafengeländes ist das Land.
Lassen Sie uns noch mal zum Vergleich mit anderen Städten kommen. Warum hat Mannheim nicht eine so schön gepflegte Neckarwiese wie Ladenburg oder Heidelberg?
Kurz: Allein die topographische Situation dort ist eine andere. Es ist ein deutlicher Unterschied für die Attraktivität, ob eine Wiese tatsächlich unmittelbar ans Wasser führt oder ob sie im Regelfall doch deutlich über dem Wasser liegt - so wie in Mannheim. Der zweite Punkt ist: Viele Stellen sind Landschaftsschutzgebiet. Dazu kommt, dass die Bereiche am Neckar eine notwendige Überschwemmungsfläche sind, was ja auch tatsächlich mehrmals im Jahr der Fall ist. Die Flächen am Neckar gehören zudem größtenteils dem Land Baden-Württemberg, das auch die Bewirtschaftung übernimmt. All das schränkt natürlich auch ein, was man dort machen kann. Wir wollen dennoch, wie aktuell unterhalb der Dammstraße geplant, eine Aufwertung, aber das ist immer auch eine Verhandlungssache mit den Landesbehörden.
Könnte die Stadt dem Land die Uferflächen nicht einfach abkaufen, um so mehr Möglichkeiten zu haben und die Grünflächen auch besser zu pflegen?
Kurz: Die Hauptfrage ist ja nicht das Eigentum, sondern welche Umgestaltungen wir im Überschwemmungs- und Landschaftsschutzgebiet überhaupt realisieren können. Angrenzend an die Neckarstadt-West untersuchen wir, wie wir das Neckarvorland umgestalten können, um mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen.
In den vergangenen Jahren hat es mehrere Studien zu der Frage gegeben, wie sich in Mannheim mehr Zugang zum Wasser schaffen lässt. Welcher nicht umgesetzten Idee trauern Sie am meisten nach?
Kurz: Ich träume von einer Aufwertung der Neckarspitze, also der Mündung des Neckars in den Rhein. Das ist ja eine ganz besondere Lage. Die Fläche ist allerdings Bundesgelände, unter der Verwaltung des Hafens, und liegt an der Spitze des Handelshafengebiets. Der Hafen sieht eine Aufwertung der Stelle sehr kritisch, weil das mehr Publikumsverkehr anzieht. Auf der anderen Seite hat diese Fläche ein enormes Potenzial, insofern habe ich den Gedanken noch nicht aufgegeben. Im Augenblick denken wir darüber nach, dass wir die gegenüberliegende Seite - also den Neckarkilometer null - aufwerten.
Was ist konkret geplant?
Kurz: Ein konkreter Entwurf liegt noch nicht vor. Erste Planungskonzepte sehen vor, dass das Ende des Neckartalradwegs, die Inszenierung des Kilometers null des Neckars sowie der Blick auf die umliegende Chemieskyline als Aufenthaltsort gestaltet werden - und dass von dort dann auch die die Neckarspitze wahrgenommen werden kann.
Wir haben jetzt viel über den Neckar gesprochen. Mannheim hat aber das Glück, auch noch an einem zweiten Fluss zu liegen - den man in der Stadt aber leider kaum wahrnimmt. . .
Kurz: Stadt und Rhein kommen deshalb nicht zusammen, weil Waldpark und Reiß-Insel dazwischen liegen. Und natürlich haben wir auch hier den Hafen und die historische Tatsache, dass man die Bahn im 19. Jahrhundert direkt durch den Schlosspark gelegt hat. Damit sind Rahmenbedingungen gesetzt, die es für uns jetzt natürlich deutlich schwieriger machen.
Sehen Sie dennoch Möglichkeiten, die Stadt näher an den Rhein zu bringen?
Kurz: Insbesondere der Verbindungskanal, aber auch das südliche Ende des Mühlauhafens bieten hier sicher große Potenziale. Das Beispiel des Speicher 7 zeigt ja, welche spannenden Orte und Qualitäten hier entstehen können.
Lassen Sie uns zum Schluss einen Blick in die fernere Zukunft werfen. Was wünschen Sie sich, um Mannheim mehr zu den Flüssen zu öffnen?
Kurz: Eine Fuß- und Fahrradbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen. Das schafft nicht nur eine Verkehrsverbindung, sondern sorgt auch für ein anderes Stadterlebnis. Es geht ja nicht nur um die Frage, wo ich Häuser und Cafés am Wasser realisiere. Sondern auch darum, Erlebnisse in der Verbindung von Stadt und Wasser zu schaffen. Eine solche Fuß- und Radbrücke würde ja auch dafür sorgen, die Stadt mit dem Rhein zu verbinden. Hierzu ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit. Ein weiteres Projekt über dieses Jahrzehnt hinaus wäre zwar nicht die Auflösung des Handelshafens, aber zumindest eine Arrondierung - also eine Ausweitung städtischer Bebauung - in Richtung Rhein südlich der Kurt-Schumacher-Brücke.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-interview-mit-ob-kurz-wie-mannheim-seine-lage-an-zwei-fluessen-besser-nutzen-will-_arid,1943132.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/75-jahre-mm_artikel,-75-jahre-mannheimer-morgen-mannheim-wie-waers-mit-sich-mehr-zu-den-fluessen-zu-oeffnen-_arid,1841421.html