Mannheim. „Ich bin ein parteiunabhängiger Kandidat – aber nicht parteilos“, erklärt Ugur Cakir. Der Verfahrensingenieur, der vor mehr als zwei Jahrzehnten in die SPD eingetreten ist, betont, sich als „engagierter Bürger“ um das höchste Amt im Mannheimer Rathaus zu bewerben: Weil ihm die Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln, das Entbürokratisieren der Verwaltung und eine umweltfreundliche Energiepolitik am Herzen liegen.
Wir treffen den türkisch-stämmigen OB-Kandidaten mit deutscher Staatsangehörigkeit auf dem Marktplatz, seinem Lieblingsort in der Quadratestadt. Wer dem 59-Jährigen im blauen Anzug und weißen Hemd begegnet, kommt nicht auf die Idee, dass dieser einst in seiner Heimat begeistert Fußball gespielt hat – „in der ersten Profi-Liga“.
„Will meine Arbeit wieder“
Das Gespräch führen wir in einem türkischen Lokal bei Mocca und Kaffee. Gleich zum Einstieg erklärt Ugur Cakir: Seine OB-Kandidatur habe nichts mit jener juristischen Auseinandersetzung zu tun, die er mit der Stadt Mannheim führt. Damit meint er die von ihm angegriffene Entlassung als Leiter des Klärwerks. Der Personalkonflikt hatte sich an einem 190 000 Euro teuren Lagergebäude entzündet, dessen Bau weder genehmigt war, noch in einem Wirtschaftsplan auftauchte.
Ugur Cakir scheiterte zwar beim Anfechten der gegen ihn ausgesprochenen Verdachtskündigung vor dem Arbeitsgericht – gleichwohl zeigt er sich überzeugt, in dem zweit-instanzlichen Prozess ein Missverständnis bei der Kommunikation mit einem Mitarbeiter kombiniert mit einer unglücklichen Bau-Eigendynamik schlüssig darlegen zu können. „Ich will unbedingt wieder meine Arbeit als Leiter des Klärwerks!“
Ugur Cakir - in der Türkei und und in Deutschland studiert
Wenn der Endfünfziger von seinem Werdegang erzählt, blitzt als Hintergrund eine familiäre Gastarbeitergeschichte auf, die untypisch verlief. Als der Vater 1963 zum Geldverdienen nach Deutschland kam, wollte er, dass seine drei Söhne in der Türkei bleiben und dort studieren. Und so wuchs Ugur Cakir in einem Dorf am Schwarzen Meer auf, studierte in Ankara das Aufbereiten von Rohstoffen beim Bergbau.
Dass ihn sein späterer Arbeitgeber Anfang der 1990er Jahre beruflich nach Niedersachsen schickte, sollte sich als schicksalsträchtig erweisen: Als Ugur Cakir seine heutige Ehefrau, „eine in Deutschland geborene Türkin“, kennenlernte, „änderte ich meine Pläne“. Er studierte erneut, diesmal Umweltverfahrenstechnik mit dem Schwerpunkt Entsorgung an der Technischen Universität Clausthal. Seine akademische Zweitausbildung habe er als freier Vermessungsingenieur neben Vorlesungen und Büffeln selbst finanziert, erzählt er sichtlich stolz.
Nach Böblingen zog ihn die Betriebsführung der dortigen Kläranlage. Als er 2019, inzwischen technischer Chef des Abfallwirtschaftsbetriebs in der baden-württembergischen Kreisstadt, die Leitung des Mannheimer Klärwerks übernahm, war der Verfahrensingenieur beim hiesigen Eigenbetrieb Stadtentwässerung kein Unbekannter.
Schließlich hatte er vor seinem Karrieresprung in Böblingen bereits drei Jahre als Betriebsingenieur im Mannheimer Klärwerk gearbeitet. Für sein fachliches Ansehen sorgte über die Region hinaus ein von ihm entwickeltes wie patentiertes Verfahren zum ressourcenschonenden Trocknen von Klärschlamm, der am Ende als Brennstoff dient.
Sein Anliegen: Energiepolitik
Nicht von ungefähr nennt der OB-Kandidat Energiepolitik, und zwar ganz konkret vor Ort, als sein großes Anliegen. Es gelte, technische Möglichkeiten konsequent umzusetzen. „Da passiert aber viel zu wenig“, lautet seine Kritik. Beispielsweise plädiert er für das energetische Verwerten von Biomüll. Als Chef der Verwaltung würde er sich dafür einsetzen, dass natürliche Abfälle nicht mehr in der Verbrennung landen.
Vielmehr sollten Kartoffelschalen, Gemüsereste oder Gartengrün in einer Vergärungsanlage in Biomethan umgewandelt und zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden.
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Wenn Ugur Cakir sein zweites Wahlkampfthema – die Integration von Mannheimern mit Migrationsgrund – erläutert, gerät er in Fahrt. Aus seinen Kontakten mit der türkischen „Gemeinde“ wisse er, dass schulische Laufbahnen häufig an der Sprache scheitern – weil selbst Familien, die schon lange in der Wahlheimat leben, im privaten Kreis ausschließlich Türkisch bevorzugen. Seine Forderung: Kostenlose Kita-Plätze ab dem dritten Lebensjahr, damit Kinder, bei denen zuhause kein Deutsch geredet wird, ohne Sprachdefizite in die erste Klasse kommen.
Das Stichwort Stadtverwaltung offenbart sich im Gespräch als emotionales Reizthema – „viel zu unfreundlich und weit weg von den Menschen“, findet Ugur Cakir und beklagt, dass im bürokratischen Getriebe neue Konzepte wie auch Verbesserungsideen von Beschäftigten versanden.
„Viel Zuspruch erfahren“
Und wie sieht der Einzelkämpfer im Rennen um das Oberbürgermeisteramt seine Chancen? Jedenfalls habe er in zwei Tagen deutlich mehr als die für eine Kandidatur notwendigen 250 Unterschriften bekommen. Ihn motiviere, dass er bei seinen Besuchen in Sportvereinen oder auch in der Geschäftswelt rund um den Marktplatz viel Zuspruch erfahre. Und auch seine zwei erwachsenen Söhne, die beide studieren, seien von seinem Polit-Engagement begeistert.
Außerdem hat Ugur Cakir eine Vision: „In acht Jahren trete ich noch mal als Oberbürgermeister-Kandidat an.“ Diesmal gehe es darum, sich bekannt zu machen – auf dass sich beim zweiten Anlauf auf den Rathaus-Chefsessel die Chancen deutlich erhöhen. Dann wäre Ugur Cakir 67. Vom Gesetz her könnte er sich gerade noch einmal für eine OB-Wahl aufstellen lassen.
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