Landgericht

Marktplatz-Prozess: Befangenheitsantrag gegen Gutachter der Verteidigung

Kompetenzüberschreitung und befangen wegen einer persönlichen Fehde? Das werfen nun die Rechtsanwälte der Angehörigen von Ante P. im Mannheimer Marktplatz-Prozess den Gegengutachtern der Verteidigung vor

Von 
Lisa Uhlmann
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Erneut großer Andrang am Landgericht Mannheim beim vierten Prozesstag zum tödlichen Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz © Lisa Wazulin

Mannheim. Kompetenzüberschreitung und befangen wegen einer persönlichen Fehde? Am vierten Prozesstag zum tödlichen Polizeieinsatz am Marktplatz am Landgericht Mannheim hat nun auch die Nebenklage einen Befangenheitsantrag gegen beide Sachverständige von der Verteidigung gestellt. Zudem waren erneut mehrere Zeugen geladen, darunter zwei als Verstärkung angeforderte Kollegen der beiden Angeklagten sowie mehrere unbeteiligte Augenzeugen.

Die Entscheidung zum ersten Befangenheitsantrag der Verteidigung hatte der Vorsitzende Richter direkt zu Beginn der Verhandlung vertagt - mit Verweis auf den neuen Antrag der Nebenklage.

Denn auch die Rechtsanwälte der Angehörigen von Ante P. zweifeln nun an, dass die Gegengutachten von Rechtsmedizinerin Kirsten Marion Stein unparteiisch und neutral erstellt worden sind. Grund für das Misstrauen sei ihre Vorgeschichte mit Rechtsmedizinerin Kathrin Yen, ärztliche Direktorin des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg.

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Der Nebenklage zufolge sei Stein, die früher ebenfalls am Heidelberger Institut gearbeitet hatte, wegen ihrer Kritik zum Amtsantritt von Yen zwei Jahre lang zwangsversetzt worden. „Es wirkt nun so, als nutze Stein den Prozess, um ihre persönliche Fehde mit Frau Yen weiterzuführen“, erklärte Rechtsanwalt Engin Sanli. Stein habe konfrontativ Zeugen befragt, weshalb ihr vom Vorsitzenden Richter das Fragerecht entzogen worden sei.

„Die Sachverständige wollte nicht objektiv die Wahrheit erfahren, sondern die Zeugenaussagen so lenken, dass sie zu ihrer medizinischen Einschätzung passen“, so Sanlis Vorwurf. Zudem habe Stein widersprüchliche Todesursachen genannt und ihr erstes Ergebnis revidiert. Die neue Einschätzung sei auf der zweifelten Basis von selbst abgefilmten Videoaufnahmen entstanden, so der Anwalt von Ante P.s Schwester.

Vorgeschichte mit Institutschefin

Zum Hintergrund: Tatsächlich hatte es beim Start von Yens Amtsantritt als Institutschefin vor mehr als zehn Jahren Wirbel um die korrekte Führung eines Doktortitels gegeben. Yen hat ihren Doktortitel in Österreich durch ein Zusatzstudium erlangt, ohne eine wissenschaftliche Doktorarbeit zu verfassen, was hierzulande nicht üblich ist. Der Streit an ihrem Institut darüber uferte aus. Mitarbeiterinnen hatten an das Wissenschaftsministerium geschrieben und Kritik an den fachlichen Fähigkeiten und den formalen Voraussetzungen der neuen Chefin geäußert. Eine Mitarbeiterin war daraufhin zwangsversetzt worden, wogegen sie klagte. Gegen eine weitere wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Heidelberger Uniklinik sowie das Wissenschaftsministerium hielten an Yen fest. An ihrer wissenschaftlichen Qualifikation gebe es keine Zweifel, so die Uniklinik. Allerdings musste Yen einräumen, dass sie ihren Doktortitel nicht korrekt geführt hatte. Der Dekan der Medizinischen Fakultät nannte die Diskussion darum „aufgeblasen und ohne Substanz“.

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In ihrem Befangenheitsantrag wirft Nebenklage auch dem zweiten Gegengutachter Peter Betz vor, seine Kompetenz als neutraler Sachverständiger überschritten zu haben. So habe Betz sein Gutachten nicht neutral verfasst, da er mit dem Zweifelsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ bereits den Fall selbst bewertet habe. Dass aber sei allein Aufgabe des Gerichts. Als Sachverständiger habe er eine fachliche Einschätzung anzufertigen. Zudem habe Betz „lapidar“ die Fixierung am Boden von Ante P. mit der Lage von korpulenten Menschen verglichen, die am Strand auf dem Bauch liegen - und dabei auch nicht erstickten. Laut Nebenklage sei das ein absurder Vergleich.

Initiative kritisiert Verteidigung

Die Anträge der Nebenklage an diesem Tag sind wohl die Antwort auf den Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen Rechtsmedizinerin Yen. Demnach habe sie bei der Vorstellung ihres Gutachtens zur Todesursache den Fall mit dem des Afroamerikaners George Floyd verglichen. Auf Yens Obduktionsergebnissen und dem damit erstellten Gutachten fußt die Anklage der Staatsanwaltschaft.

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Verteidigerin Miriam Haas fügte am vierten Verhandlungstag diesem Antrag noch eine Stellungnahme ihres Mandanten, dem 26-jährigen Polizeihauptmeister, hinzu: „Das Verhalten und die Äußerungen von Frau Yen lassen ihre Neutralität und Unparteilichkeit gegenüber dem Angeklagten vermissen“, so Haas. Kritik an der Verteidigung der Polizisten kommt noch am gleichen Verhandlungstag von der Initiative 2. Mai: „Die Gutachter der Verteidigung versuchen maximale Zweifel zu sähen und verteidigen die Polizei um jeden Preis.“ Allein die Brutalität des Einsatzes sei ausschlaggebend für den Tod von Ante P. gewesen. Der Prozess wird am Freitag, 9. Februar, um 9 Uhr fortgesetzt. (mit pre)

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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