Mannheim. Ante P. soll kurz vor seinem Tod nach einem Richter gerufen haben, Passanten wollen dies am 2. Mai 2022 gehört haben. An diesem Tag starb der 47-Jährige auf dem Mannheimer Marktplatz während eines Polizeieinsatzes. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen und bewegt bis heute die Menschen in der Stadt. Ab 12. Januar 2023 beschäftigt sich das Schwurgericht des Mannheimer Landgerichts mit dem Fall. Zwei Polizeibeamte erwartet ein Prozess, der viel Aufsehen erregen dürfte. Einer der beiden Männer ist wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge angeklagt, der andere wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Auf Körperverletzung im Amt mit Todesfolge steht eine Mindeststrafe von drei Jahren Haft. Bei fahrlässiger Tötung droht im Falle einer Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Emotional belastend
„Meine Mandantin ist emotional sehr aufgewühlt“, sagt der Stuttgarter Rechtsanwalt Engin Sanli. Seine Mandantin, das ist Ante P.s Schwester. Sie und ihre Mutter treten als Nebenklägerinnen in dem Prozess auf.
Der Beginn des Verfahrens beschäftige seine Mandantin ständig, sagt Sanli. Ihre Gedanken kreisen um die Dinge, die sie unbedingt erfahren möchte, und von denen sie sich Aufklärung erhofft. Sie denke aber auch viel über die Szenen nach, mit denen sie nicht mehr konfrontiert werden möchte. „Sie will sich die Videos der Tat nicht noch einmal ansehen“, sagt Sanli.
Am 2. Mai 2022 hatten Menschen tausendfach Videos in den sozialen Netzwerken geteilt, die die letzten Lebensminuten von Ante P. dokumentieren. Darauf - und auf Aufnahmen von Überwachungskameras - ist zu sehen, wie P. eine Straße überquert und ein Polizeibeamter ihn packt. Ante P. entwindet sich, reißt die Arme hoch - und einer der Beamten zückt ein Pfefferspray. Dann sieht man darauf Schläge, die blutende Nase von Ante P., ein Polizist, der auf seinem Rücken sitzt. Eine letzte Bewegung.
Deutschlandweit haben Medien darüber berichtet, was früher an diesem Tag passiert sein soll: Ante P., der unter einer paranoiden Schizophrenie litt, ging es schlecht, er war verwirrt, hatte Angst. Sein Arzt ließ ihn stationär am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) aufnehmen, doch Ante P. verließ das ZI-Gelände. Der Arzt folgte ihm, schaltete schließlich Beamte der Polizeiwache H4 ein, weil er hoffte, sie könnten ihm dabei helfen, seinen Patienten zurück in die Klinik zu bringen. Darauf soll Ante P. Richtung Marktplatz gelaufen sein.
„Wir wünschen uns eine lückenlose Aufklärung“, sagt Rechtsanwalt Sanli. Bereits im Sommer kündigte er an, „alles Mögliche und Nötige“ dafür tun zu wollen. „Unser Vertrauen in den Rechtsstaat ist groß. Deshalb erwarten wir, dass der Prozess alle ungeklärten Fragen ans Tageslicht bringt“, hieß es damals in einer Mitteilung des Rechtsanwalts, in der er auch betonte, wie wichtig die Aktionen der sogenannten „Initiative 2. Mai“ seien, die nach dem Vorfall gegründet wurde. Immer wieder hatte die Initiative zu Demonstrationen aufgerufen - auch um eine generelle Debatte über Polizeigewalt zu führen.
Blumen und Kerzen am Marktplatz
Auf ihrer Homepage rufen die Verantwortlichen Freiwillige zur „kritischen Prozessbeobachtung“ auf: „Wir brauchen Menschen, die als Zuschauer zu einem oder mehreren Prozessterminen gehen und Notizen machen. Nach jedem Prozesstag wollen wir mit diesem Input an die Öffentlichkeit gehen, und beispielsweise einzelne Aussagen, die im Prozess gefallen sind, veröffentlichen - auf Social Media oder im Radio“, heißt es dort. Auch sollen an den Prozesstagen Blumen und Kerzen am Marktplatz niedergelegt werden. Man plane auch weitere Mahnwachen, so eine Sprecherin.
Auf Anfrage dieser Redaktion baten die Verteidigerinnen der beiden Polizisten, Rechtsanwältin Andrea Combé aus Heidelberg und ihre Mannheimer Kollegin Miriam Haas um Verständnis dafür, sich vor Verhandlungsbeginn nicht äußern zu wollen. Auch der Ketscher Rechtsanwalt Thomas Franz, der zu den renommiertesten Opferanwälten der Region gehört, und die Mutter von Ante P. vor Gericht vertritt, äußerte sich vor Prozessbeginn nicht.
Der Prozess, der den Tod von Ante P. juristisch aufarbeiten soll, beginnt am Freitag, 12. Januar, 9 Uhr. Weitere Termine: 17. Januar, 24. Januar, 5. Februar, 9. Februar, 22. Februar, 1. März, 8. März.
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