Mannheim. Scharfe Kritik von Polizeiseite und einen Befangenheitsantrag der Verteidigung: Beim dritten Verhandlungstag zum tödlichen Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz hat Gerichtsmedizinerin Kathrin Yen bei der Vorstellung ihres Gutachtens zur Todesursache des 47-jährigen Ante P. seinen Tod mit dem des Afroamerikaners George Floyd verglichen und dafür starke Kritik geerntet. Yen ist Ärztliche Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin der Universitätsklinik Heidelberg.
Laut ihrem Gutachten soll der psychisch kranke 47-Jährige an einer „lage- und fixationsbedingten Atembehinderung“ mit darauffolgender Stoffwechselentgleisung in Kombination mit einem Ersticken durch eine Blutung in den oberen Atemwegen verstorben sein. Diese Erstickung verglich Yen mit dem Fall von Polizeigewalt in den USA. Floyd starb am 25. Mai 2020, weil ein Polizist damals fast neun Minuten lang auf seinem Hals kniete und er dadurch nicht atmen konnte und erstickte.
Verteidigung der Angeklagten stellt Antrag wegen Befangenheit gegen Gerichtsmedizinerin
„Ein unglaublicher Vergleich, der in keiner Weise dem tragischen Vorfall am 2. Mai 2022 ähnlich ist! Es steht einer Gerichtsmedizinerin nicht zu, ihre subjektive Mutmaßung bei einem Gutachten anzubringen!“, schreibt der Mannheimer GdP-Vorsitzende Thomas Mohr in den Sozialen Medien nach dem dritten Verhandlungstag, den Mohr als Prozessbeobachter begleitet. Die Verteidigung der Angeklagten stellte einen Antrag wegen Befangenheit gegen die Gerichtsmedizinerin. Auf ihren Obduktionsergebnissen und dem damit erstellen Gutachten fußt die Anklage der Staatsanwaltschaft, die auch die Obduktion des Verstorbenen durchgeführt hat.
Laut der Anklage soll der 27-jährige Polizeioberkommissar dem psychisch erkrankten Mann mehrfach gegen den Kopf geschlagen und ihn an der Nase verletzt haben, die blutete. Weil der 47-Jährige minutenlang auf dem Bauch lag, soll Blut in seine Atemwege gelangt sein. Laut Gutachten erstickte Ante P., weil ihn erstens niemand auf die Seite drehte und er zweitens das Blut nicht abhusten konnte. Laut Anklage sollen weder das zuvor eingesetzte Pfefferspray noch die vier Faustschläge ins Gesicht polizeirechtlich gerechtfertigt sein. Mehr noch: Sie seien mitursächlich für den Tod gewesen, der vorhersehbar und vermeidbar gewesen ist, so die Staatsanwaltschaft.
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