Mannheim. Vorerkrankungen am Herz und eine hochdosierte Therapie: Auch diese Befunde haben die Heidelberger Rechtsmediziner nach der Obduktion des bei einem Polizeieinsatz verstorben Ante P. festgestellt, wie die Experten am dritten Prozesstag zum tödlichen Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz dem Landgericht vorgetragen haben.
Panik und nach Luft schnappen: "Todeskampf" des Ante P. auf dem Marktplatz ?
Laut ihren Befunden sei das Herz des 47-Jährigen zwar versagensbereit gewesen und habe Vorerkrankungen gehabt, trotzdem soll das nicht den Tod verursacht haben. Vielmehr berücksichtigt Rechtsmedizinerin Kathrin Yen auch die Umstände des Todes: Neben großer Aufregung und starker körperliche Anstrengung habe auch die Bauchlage samt der Fixierung der Arme das Atmen behindert. Der ZI-Patient sei deswegen in Panik verfallen und habe verzweifelt nach Luft geschnappt. Aus rechtsmedizinsicher Sicht sei das ein „Todeskampf“ gewesen.
Der 47-Jährige soll erstickt sein, mit Herzstillstand als Folge. Allerdings überrascht ein toxikologischer Befund: Demnach ist eine nicht ausreichend wirksame Menge des Mittels Tavor im Blut des Verstorben nachgewiesen worden. Die behandelnden ZI-Mitarbeitenden hatten Ante P. an diesem Tag das starke Beruhigungsmittel gleich zweimal verabreicht, gegen dessen Ängste. Zudem habe man eine Übermenge des Antipsychotikums festgestellt, der Wert liege oberhalb des therapeutischen Bereichs. Allerdings hätten die Mittel keine todesursächliche Wirkung gehabt.
Am dritten Prozesstag, bei dem sich zwei Polizisten vor dem Mannheimer Landgericht verantworten müssen, zweifeln nun gleich zwei Gutachten das bisherige Gutachten der Staatsanwaltschaft an. Denn die Anklage der Staatsanwaltschaft fußt auf dem Gutachten der Heidelberger Rechtsmedizin, die auch die Obduktion des Verstorbenen durchgeführt hat.
Staatsanwaltschaft: Auch Pfefferspray und Faustschläge für Tod von Ante P. verantwortlich
Laut Anklage soll der 27-jährige Polizeioberkommissar dem psychisch erkrankten Mann mehrfach gegen den Kopf geschlagen und ihn an der Nase verletzt haben, die blutete. Weil der 47-Jährige minutenlang auf dem Bauch lag, soll Blut in seine Atemwege gelangt sein. Laut Gutachten erstickte Ante P., weil ihn erstens niemand auf die Seite drehte und er zweitens das Blut nicht abhusten konnte. Laut Anklage sollen weder das zuvor eingesetzte Pfefferspray noch die vier Faustschläge ins Gesicht polizeirechtlich gerechtfertigt sein.
Mehr noch: Sie seien mitursächlich für den Tod gewesen, der vorhersehbar und vermeidbar gewesen ist, erklärt die Staatsanwaltschaft.
Neue Gutachten der Verteidigung im Marktplatzprozess
Nun sitzen an diesem Mittwoch also gleich zwei weitere Rechtsmediziner mit im übervollen Gerichtssaal. Auch Bilder der Obduktion werden öffentlich gezeigt, schließlich sind sie laut dem Vorsitzenden Richter auch entscheidend für die anwesenden Experten. Für jeden der Angeklagten haben die beiden Verteidigerinnen ein neues Gutachten angefordert.
Dabei geht das erste Gutachten für den Hauptangeklagten Polizeioberkommissar davon aus, dass nicht das Nasenbluten, verursacht durch die Faustschläge des Polizisten den Tod des 47-Jährigen verursacht hat. Das zweite schließt sich dem an, geht sogar noch weiter und erklärt: Eine Reanimation vor Ort, aber auch das Umlagern in die stabile Seitenlage hätten seinen Tod laut Verteidigung also nicht verhindern können, denn das Herz des Mannes habe durch die Gegenwehr und das ausgeschüttete Adrenalin versagt.
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