Mannheim. Selbst als überzeugter Lokalpatriot schaut man zweimal hin und zweifelt. Mannheim als Ziel einer „Wellnessreise für Körper & Geist“? Aber es ist kein Irrtum. Die im Badenerlied so nachhaltig als Industriemetropole („In Mannem die Fabrik. . .“) gerühmte Stadt wird inzwischen tatsächlich von Wellnesstouristen angesteuert. Das führt generell zur Frage: Mannheim, wie wär’s damit, sich mehr um Touristen zu bemühen?
Das Schweizer Unternehmen Thurgau-Travel hat es vorgemacht. Es ist auf Flusskreuzfahrten spezialisiert, auf der romantischen Rhône ebenso wie der Donau und dem Rhein. Schon mehrfach legten die jeweils 110 Kabinenplätze bietenden Schiffe am Stephanienufer in Mannheim an, und die Passagiere hatten die Wahl zwischen einem Ausflug zum Heidelberger Schloss oder der Besichtigung des Chinesischen Gartens mit Teehaus im Luisenpark. Zur traditionellen Teezeremonie hieß sogar der frühere Mannheimer Erste Bürgermeister und Vorsitzende des Aufsichtsrats der Teehaus GmbH, Norbert Egger, mal die Gäste willkommen.
Übernachtungszahlen
- Seit über zehn Jahren steigen die Übernachtungszahlen in Mannheim.
- 2010 wurde erstmals die Millionengrenze bei den Übernachtungen geknackt, seither gab es ständig Steigerungen – unter anderem durch Großereignisse wie das Autojubiläum, den Katholikentag, große Ausstellungen oder Kongresse
- 2019 wurden erstmals über 1,6 Millionen Übernachtungen in der Quadratestadt gezählt. Das bedeutete zum Vorjahr eine Steigerung von 10,3 Prozent, landesweit waren es nur 4,2 Prozent mehr.
- Allerdings sank 2019 die Auslastungsquote von 52,6 Prozent im Vorjahr auf 49,8 Prozent – wegen zahlreicher Hotel-Neueröffnungen.
- Den Anteil der Gäste, die privat kommen, lag vor Corona laut Stadtmarketing bei 30 Prozent, während die Hotels von maximal 20 Prozent ausgingen. Seit Corona gingen die Übernachtungszahlen drastisch nach unten.
Inzwischen hat das Unternehmen eine neue Tour ins Programm genommen, die ausdrücklich als Wellnessreise entlang des Rheins gedacht und ausgeschrieben ist – neben einer Kräuterwanderung in Karlsruhe sowie Abstechern in die Thermen Bad Ems und Bad Krotzingen wird als ein festes Ziel das „größte im original-chinesischen Stil erbaute Teehaus Europas“, konzipiert nach der „Harmonie der sieben Dinge“, mit Teezeremonie genannt.
Noch ist das leider eine Ausnahme. Dabei wäre Potenzial da. Mehr als 700 Flusskreuzfahrtschiffe haben in den Jahren 2017 bis 2019 jährlich allein an der Kaimauer der Staatlichen Rhein-Neckar-Hafengesellschaft festgemacht, andere Liegeplätze nicht gerechnet. Für 2020 und 2021 waren sogar jeweils über 800 Touren angemeldet, doch fanden viele wegen der Corona-Pandemie nicht statt. Für das neue Jahr sind aber schon über 650 reserviert. Viele Flusskreuzfahrten auf der Rhein-Route weisen im Programm zwischen Straßburg und Koblenz oder Köln indes einen „Flusstag“ aus und lassen Mannheim entweder ganz links liegen oder ankern zwar, aber karren die Gäste von hier mit Bussen nach Heidelberg oder Speyer.
Dabei wäre das Mannheimer Schloss – immerhin nach Versailles das zweitgrößte Barockschloss Europas – so nah! Und gerade im vergangenen Jahr hat es sein Angebot für Besucher sehr attraktiv ausgebaut, vom neuen Hofmusikraum über die virtuelle Konstruktion des Paradeschlafzimmers von Kurfürst Carl Philipp bis zur App-basierten Führung durch alle Räume. Aber als touristisches Ziel vermarktet wird der Barockbau kaum, es gibt nicht einmal Kombi-Eintrittskarten für Schloss und Mannheimer Museen.
„Mannheim muss aus seinen bestehenden Attraktionen mehr machen“, fordert Achim Ihrig, Vorsitzender des Vereins Hotels im Quadrat, und nennt „in erster Linie das Schloss“. Der Chef der Dachorganisation der Mannheimer Hotels ist fest überzeugt, dass man mehr Touristen in die Quadratestadt holen kann, wobei es ihm nicht nur um Übernachtungen geht: „Auch Tagestouristen sind wichtig, bringen ebenso Umsatz“, betont er. Mannheim müsse aber einfach mehr aus sich machen, sich mehr verkaufen.
Maimarktgelände und Museen
Neben dem Schloss denkt er da an das Maimarktgelände. „Das wird zu selten genutzt“, findet er, dabei sei es für Open-Air-Konzerte oder Festivals sehr gut geeignet, das habe das „Carstival“ 2020, die Autokino-Veranstaltung mit vielen Live-Auftritten, gezeigt. Die Museen seien bereits gute Anziehungspunkte, aber „ausbaufähig“, meint Ihrig.
„Einen ganz großen Schub“ für den Mannheimer Tourismus erwartet sich Ihrig von der Bundesgartenschau 2023. Da ist er sich sowohl mit der Bundesgartenschau-Gesellschaft als auch dem Stadtmarketing einig, die beide ebenso große Hoffnung in dieses Jahr setzen und viel versuchen, die Gäste mehr als einen Tag nach Mannheim zu locken. Dazu müsse man aber „die Plätze in der Stadt bespielen“, findet Ihrig.
Schließlich will Mannheim den Anteil der Besucher, die das sommerlange Fest zu einem längeren Aufenthalt in der Stadt nutzen, im Vergleich zu früheren Gartenschauen deutlich steigern. 170 000 der erwarteten über 2,1 Millionen Gäste sollen übernachten, so das Ziel. Schon im vergangenen Jahr wurden Bustouristik-Unternehmen, Reiseveranstalter und Anbieter von Flusskreuzfahrten angesprochen, damit sie Mannheim 2023 in ihr Programm nehmen und die Stadt früh in den Katalogen auftaucht. Die Hotellerie sei dafür gut aufgestellt, so Ihrig.
Durch Corona ausgebremst
Generell wünscht er sich, „dass alle Akteure besser zusammenarbeiten“, um mehr Touristen zu gewinnen. Denn bislang seien 90 Prozent der Übernachtungsgäste in Mannheim nach wie vor Kongress- und Geschäftsreisende, keine Touristen. Er räumt aber auch ein, dass die Corona-Pandemie „leider sehr viel ausgebremst hat“.
Schließlich war Mannheim auf einem guten Weg. Es gab Stände auf wichtigen Reisemessen wie ITB und CMT oder einzelne überregionale Aktionen zu großen Sonderausstellungen der Reiss-Engelhorn-Museen. 2018 lenkte ein bundesweit vertriebenes Merian-Sonderheft viel Aufmerksamkeit auf Mannheim, und 2020 wurde mit Heidelberg eine Kooperation mit der Werbekampagne „Zwei Städte, ein Erlebnis!“ vereinbart. Aber dann kam Corona. . . Daher konnte sich auch die eigens Ende 2020 gegründete Tourismus Mannheim GmbH, die zusätzlich zum Stadtmarketing agieren und nicht nur Imagewerbung machen, sondern gezielt die Quadratestadt besser verkaufen soll, noch nicht so viel entfalten. Allerdings sind andere Städte da wesentlich länger aktiv und schlagkräftiger – in Karlsruhe mit über 30 Mitarbeitern! In Mannheim rechnet man indes mit neun …
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