75 Ideen für ein besseres Mannheim - Teil 42

Mannheim, wie wär’s ... mit Abwasser als Energiequelle?

Von 
Martin Geiger
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Solche Wärmetauschermodule sind im Abwasserkanal eingebaut, um das Pumpwerk Ochsenpferch zu heizen. © EBS Mannheim

Mannheim. Die Idee klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Aus Abwasser Energie gewinnen. „Täglich fließen Tausende Liter Abwasser durch die Mannheimer Kanalisation“, schreibt uns eine Leserin, die lieber anonym bleiben möchte. „Wegen seiner relativ konstanten Wärme könnte es zum Heizen und Kühlen von Wohnblocks, Büro- und Gewerbegebäuden, Schwimmbädern oder Veranstaltungshäusern genutzt werden.“ Geht das wirklich?

Ja, sagt Alexander Mauritz, Betriebsleiter der Stadtentwässerung. Mehr noch: „Wir machen das an vier Stellen bereits.“ So werden neben dem denkmalgeschützten Pumpwerk Ochsenpferch auch das Marchivum und das Gebäude der Stadtentwässerung in der Käfertaler Straße zumindest zum Teil so beheizt beziehungsweise gekühlt. Und in einem Pflanzenschauhaus des Luisenparks soll die Technik künftig ebenfalls angewendet werden.

Umbau der Fernwärme

  • Die MVV möchte die Fernwärmebis 2030 klimaneutral erzeugen. Aktuell stammt der Großteil noch vom GKM.
  • Das Müllheizkraftwerk liefert schon Fernwärme. Künftig sollen auch das Biomassekraftwerk, Flusswärmepumpen und eventuell Geothermie, Biomethan und eine weitere Biomasse-Anlage eine Rolle spielen.

Das Prinzip ist dabei gar nicht so kompliziert: In einem Abwasserkanal werden auf dem Boden sogenannte Wärmetauschermodule eingebaut. Diese entziehen dem Abwasser die Energie und leiten sie an eine Wärmepumpe weiter. Diese funktioniert ähnlich wie ein umgekehrter Kühlschrank - und heizt damit Räume auf. So lässt sich der Verbrauch von fossilen Energieträgern wie Öl oder Gas senken und damit auch das Klima schonen.

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Abwasser hat gewisses Potenzial

Zudem lohnt sich das Ganze auch finanziell, berichtet Mauritz. Im Pumpwerk Ochsenpferch etwa habe die Installation der kompletten Anlage 185 000 Euro gekostet. Da das Projekt mit knapp 23 000 Euro bezuschusst worden ist, zahlt sich die Investition aufgrund der eingesparten Heizkosten Mauritzs Berechnungen zufolge nach knapp 15 Jahren aus. „Aber auch ohne Förderung würde sich das lohnen.“

Ist das also der Durchbruch bei der Energiewende? Eher nicht, sagt der Stadtentwässerungschef. Denn zum einen brauche es gewisse Voraussetzungen, um auf diese Art Energie zu gewinnen: etwa einen ausreichend großen Kanal, die entsprechende Abwassermenge und -temperatur sowie ein größeres Gebäude in unmittelbarer Nähe, wo die Wärme genutzt werden kann. „Für ein Einfamilienhaus lohnt sich das nicht“, erklärt Mauritz. Für ein Hallenbad beispielsweise aber schon. Darum glaubt er auch, dass diese Technik in Mannheim noch häufiger genutzt werden wird: „Da geht auf jeden Fall noch was.“

Von einem „Flickenteppich“ aus solchen Anlagen rät der Betriebsleiter jedoch ab: Zu kleinteilig dürften sie nicht werden. Und zu viele sollten es auch nicht sein: „Wenn wir dem Kanalnetz zu viel Wärme entziehen, funktioniert die Biologie nicht mehr gut.“ Sprich: Der Klärprozess wird beeinflusst. Denn die Bakterienstämme, die für die Stickstoff-Elimination zuständig sind, brauchen gewisse Temperaturen, um ihre Arbeit zu verrichten, erklärt Mauritz. Und die Entsorgung und das Klären des Abwassers seien schließlich die Hauptaufgabe der Stadtentwässerung.

Dennoch bescheinigen auch andere Fachleute dem Abwasser ein gewisses Potenzial. So geht Norman Gerhardt, Leiter der Arbeitsgruppe Energiewirtschaft und Systemanalyse beim Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik in Kassel, davon aus, dass Großwärmepumpen „die zentrale Technologie der Wärmewende“ werden - unter anderem solche, die das geklärte Abwasser von Kläranlagen nutzen. So wie in Lemgo.

Seit Ende 2019 erzeugt dort eine Großwärmepumpe genau so Energie für das Fernwärmenetz - als erste ihrer Art in Deutschland, wie Uwe Weber berichtet, Bereichsleiter Strom- und Wärmeerzeugung bei den dortigen Stadtwerken. Sie decke etwas mehr als zehn Prozent des Fernwärmebedarfs. Dieser ist gar nicht mal so gering, immerhin wird die Kernstadt von Lemgo mit ihren knapp 30 000 Einwohnern Weber zufolge etwa zur Hälfte mit Fernwärme versorgt.

Allerdings, schränkt er ein, rechnet sich das nur, weil der relativ große Strombedarf der Großwärmepumpe über ein angeschlossenes Blockheizkraftwerk gedeckt werden kann - ohne die ganzen Umlagen und Abgaben, die den Strom sonst viel zu teuer machen würden.

Ist das womöglich auch ein Modell für Mannheim?

Grundsätzlich vielleicht irgendwann mal - so lässt sich die Antwort der MVV wohl zusammenfassen. Generell seien Kläranlagen eine interessante Wärmequelle, teilen die dortigen Experten mit. Am interessantesten sei dabei, das geklärte Abwasser zu nutzen, das selbst im Winter in der Regel Temperaturen von acht bis zehn Grad aufweise.

Klärwerke als Wärmequelle

Allerdings liege der Fokus beim klimaneutralen Umbau der Fernwärme nicht auf dieser Option. Denn die mögliche Erzeugungsleistung betrage maximal zehn Megawatt - relativ wenig für die Größe des hiesigen Netzes. Zudem befindet sich das Mannheimer Klärwerk nördlich von Sandhofen sehr weit weg von den bestehenden Leitungen. Interessanter erscheint den MVV-Experten daher das Klärwerk Schwetzingen/Ketsch. Erste Gespräche mit den Verantwortlichen dort seien schon geführt worden. Konkrete Ergebnisse gebe es allerdings noch nicht.

Dennoch glaubt man auch bei der MVV, dass Klärwerke künftig als Wärmequelle erschlossen werden. Am wahrscheinlichsten sei es, dass so Lösungen für einzelne Quartiere oder Gewerbegebiete gefunden werden. Schließlich klingt die Idee fast zu schön, um wahr zu sein.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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