75 Ideen für ein besseres Mannheim – Folge 40

Mannheim, wie wär’s ... mit mehr Beachtung durch Stuttgart?

Von 
Peter W. Ragge
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Im ehemaligen Gebäude des Kohlenkontors in der Schubertstraße sitzt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. © Michael Ruffler

Mannheim. Er ist sauer, wählt harte Worte. Mannheim als Oberzentrum der Kurpfalz werde „wirklich behandelt wie der letzte Abschaum“, schimpft „MM“-Leser Harald Loth und fordert für die Serie „75 Ideen“, dass die Landesregierung „Zuständigkeiten/Ämter/Kompetenzen nach Mannheim verlagert oder zukünftig hier neu schafft, damit die Stadt auch diesbezüglich als vollwertig und kompetent wahrgenommen wird“. Was ist dran an der Behauptung, wie wäre es mit einer größeren Rolle Mannheims im Land?

Tatsächlich sind, wie Loth beklagt, alle großen und wichtigen Behörden und Verwaltungskompetenzen entweder in Stuttgart oder für den nordbadischen Raum in Karlsruhe untergebracht. Eine Ausnahme bildet der 1958 geschaffene Verwaltungsgerichtshof (VGH), der als höchstes Gericht im Südwesten der Landesregierung auf die Finger schaut und daher bewusst nicht in deren Nähe postiert werden sollte. Mannheim hatte damals harte Konkurrenz durch Sigmaringen, der Landtag entschied sich aber für das Mannheimer Schloss. Von dort zogen die Richter 1970 in den großen Klinkerbau an der Schubertstraße um, der einst für das Kohlenkontor (später Ruhrkohle) gebaut wurde.

Über Jahrzehnte ist Mannheim zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs, nur mal wenige Jahre lag Karlsruhe vorne. Dennoch wurde der nordbadische Regierungsbezirk nach Karlsruhe benannt, und alle Behörden sitzen dort. Das hat historische Gründe: Das Großherzogtum Baden, zu dem Mannheim seit 1803 gehört, ist einst ebenso von Karlsruhe regiert worden. Dabei darf sich Karlsruhe zudem „Residenz des Rechts“ nennen, ist verwöhnt mit drei der sieben obersten juristischen Institutionen Deutschlands.

Ministerpräsident Lothar Späth hatte Faible für Mannheim

Zwar war Mannheim auch mal Regierungssitz – von 1720 bis 1778 sass hier einer der mächtigsten Kurfürsten des alten Reiches, Herrscher über die Kurpfalz und ferner Herzog von Pfalz-Sulzbach, Pfalz-Neuburg, Jülich und Berg sowie Markgraf von Bergen op Zoom in den Niederlanden. Aber das ist längst vergessen.

Karlsruhe hat zudem ein Staatstheater, das Generallandesarchiv und ein komplett vom Land finanziertes Badisches Landesmuseum – das die Landesgeschichte sehr durch Karlsruher Brille sieht. Als der damalige Ministerpräsident Lothar Späth Ende der 1970er Jahre die Idee eines Technischen Landesmuseums hatte, buhlten Stuttgart, Karlsruhe, Göppingen und weitere Städte um das Projekt. Hätte Lothar Späth nicht so ein großes Faible für Mannheim gehabt – die Quadratestadt wäre wieder zu kurz gekommen. Doch ein reines Landesmuseum wurde es nicht; die Stadt Mannheim hat ein Drittel aller Kosten zu tragen, sonst hätte sie damals nicht den Zuschlag bekommen.

Hätte SAP-Mitgründer Hasso Plattner nicht 2003 zehn Millionen Euro für die Uni-Bibliothek im Mittelbau gespendet, wäre aus der großen Sanierung des Barockbaus und Einrichtung des Schlossmuseums nichts geworden – die Landesregierung hatte alle längst zugesagten Maßnahmen wegen der sinkenden Steuereinnahmen auf Eis gelegt. Und bis das Schlossmuseum im Frühjahr 2021 moderne Medientechnik bekam, waren Jahre vorher andere Residenzen im Lande dran.

Mannheim unterhielt ein Büro in Stuttgart

Immer muss Mannheim kämpfen. Nicht ohne Grund gibt es im Rathaus eine Kontaktstelle zur Landesregierung. Neun Jahre unterhielt die Stadt gar ein eigenes Büro in Stuttgart – es war in dieser Form einmalig in Deutschland. Dietmar von Hoyningen-Huen e, der exzellent vernetzte pensionierte Rektor der Hochschule, leitete es und legte danach einen 40-seitigen Tätigkeitsbericht vor.

Da war zwar zu erkennen, wie erfolgreich er bei der Akquisition von Zuschüssen, der Gründung eines Ablegers des renommierten Fraunhofer-Instituts und beim Kämpfen für Bio- und Medizintechnik sowie Projekten der Hochschulen sein konnte. Aber es war auch eine traurige Lektüre, weil man spürte: Wenn Mannheim in Stuttgart nicht ständig kräftig auf der Matte steht, zieht es automatisch den Kürzeren.

Kampf um die Reiterstaffel der Polizei

Manch ein Mitarbeiter in Stuttgarter Ministerien, Partei- oder Verbandszentralen fragt bei Anrufen aus Mannheim, warum man sich überhaupt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt melde. Die äußerste Nordwestecke des Landes rechnen, das hat der Autor dieser Zeilen leider mehrfach erlebt, viele Leute im Stuttgarter Talkessel längst schon zu Hessen.

Außer Walter Krause (SPD) von 1966 bis 1972 und Peter Frankenberg (CDU) von 2001 bis 2011 gab es im Landeskabinett über Jahrzehnte hinweg keinen Mannheimer von Gewicht, auch nicht an anderen Schaltstellen oder in den Vorständen der großen politischen Parteien. Immerhin haben wir mit Elke Zimmer (Grüne) seit Mai eine Staatssekretärin. Aber der ländliche Raum ist im Landtag viel stärker repräsentiert als die zweitgrößte Stadt des Landes.

Da die Schaffung neuer Behörden nicht ansteht, ist die Forderung, sie in Mannheim anzusiedeln, derzeit nutzlos. Aber wir sollen wenigstens kämpfen, dass wir nicht weiter an Funktionen verlieren, etwa dass nicht auch noch die Reiterstaffel der Polizei abgezogen und nach Bruchsal verlagert wird. Und die große Nagelprobe für den Stellenwert Mannheims bei der Landesregierung stellt die geplante Fusion der Universitätsklinika Mannheim und Heidelberg dar. Da sieht es nicht gut aus, aber da darf uns das Land nicht im Stich lassen.

Redaktion Chefreporter

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