Marktplatz-Attentat

Jahrestag Messerattentat: Islamkritische Bewegung "Pax Europa" will auf Mannheimer Marktplatz

Am 31. Mai jährt sich der tödliche Messerangriff von Mannheim. Die Stadt will erinnern. Aber auch „Pax Europa“ will auf den Marktplatz. Das sorgt für Kritik.

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Sebastian Koch
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Die Stadt Mannheim will am 31. Mai mit einer Gedenkveranstaltung an Rouven Laur erinnern. Der Polizist wurde bei dem Attentat auf dem Marktplatz vor einem Jahr getötet. © picture alliance/dpa

Mannheim. Auch nach einem Jahr liegt ein Schatten über dem Marktplatz. Dort, wo das Leben pulsiert, erinnern noch immer Blumen an Rouven Laur – den Polizisten, der hier am 31. Mai 2024 getötet wurde, als er einen Infostand der islamkritischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ schützen hat müssen. Der erste Jahrestag des Marktplatz-Attentats rückt näher, die Stadt bereitet sich auf einen Moment des Innehaltens vor. Am 31. Mai ruft die Verwaltung ab 15 Uhr mit einer Gedenkveranstaltung zu Toleranz und Zusammenhalt auf. Das Landespolizeiorchester wird spielen, ein Gedenkstein für den nur 29 Jahre alt gewordenen Polizisten wird enthüllt.

Doch in den nächsten zweieinhalb Wochen droht der Gedenktag auch zum Politikum zu werden. Ausgerechnet „Pax Europa“ plant für den 31. Mai erneut eine Veranstaltung auf dem Marktplatz – jene Gruppe also, deren Stand Sulaiman A. vor einem Jahr mit einem Jagdmesser angriff, um ihr prominentestes Mitglied, Michael Stürzenberger, zu töten. A. hat sieben Menschen, darunter Stürzenberger, teilweise schwer verletzt und Rouven Laur in Kopf und Hals gestochen. Der Polizist erlag zwei Tage später seinen Verletzungen.

Eine Sprecherin der Versammlungsbehörde bestätigt am Dienstag, dass „Pax Europa“ für den 31. Mai von 11 bis 15 Uhr eine „Mahnwache zum Gedenken an Rouven Laur und die Verletzten des Terroranschlags vom 31.05.2024“ auf dem Marktplatz angemeldet hat. Wohlgemerkt: angemeldet.

Wie vor jeder Versammlung stehen noch die sogenannten Kooperationsgespräche zwischen Behörde, Polizei und Veranstalter an, in denen Sicherheit, Ablauf und mögliche Auflagen erörtert werden. Auch könnte die Behörde aufgrund der Gespräche eine Versammlung aus triftigen Gründen verbieten. Diese Vorgespräche haben bislang noch nicht stattgefunden, weshalb auch noch nicht klar ist, ob die angemeldete Versammlung tatsächlich wie geplant stattfinden wird.

Bei dem Attentat am Stand der „Bürgerbewegung Pax Europa“ wurden der Polizist Rouven Laur getötet und sechs weitere Menschen teilweise schwer verletzt. © picture alliance/dpa

Und doch gibt es bereits an der bloßen Anmeldung Kritik. Wolfram Schädler vertritt die Familie von Rouven Laur als Nebenkläger-Anwalt im Prozess gegen Sulaiman A. vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim. „Die Familie findet die Absicht absolut geschmacklos“, erklärt er am Dienstag dieser Redaktion. Vor Gericht hatten zuletzt mehrere Polizisten über das Unverständnis berichtet, das bei ihnen bei jenem Einsatz vor einem Jahr geherrscht hatte. Man habe sich etwa gefragt, weshalb die Gruppe eine Kundgebung gegen den politischen Islam ausgerechnet auf dem Marktplatz veranstaltet, in dessen Umgebung doch so viele Muslime leben und arbeiten.

Dieses Vorgehen hat Methode. Bereits vor dem 31. Mai 2024 hatte „Pax Europa“ Veranstaltungen in anderen Städten organisiert. Der Ablauf ähnelt sich: Durch die scharfe Kritik am Islam werden Gespräche mit Muslimen provoziert, die nicht selten emotional aufgeladen geführt werden. Die hitzigen Diskussionen werden live gestreamt. Könnte es dazu auch am 31. Mai 2025 wieder kommen und so das Gedenken für politische Zwecke instrumentalisiert werden?

Die Familie findet die Absicht absolut geschmacklos.“
Wolfgang Schädler Anwalt von Familie Laur

Der Tag werde nicht nur bei der Polizei, sondern in der ganzen Stadt „viele Erinnerungen und Emotionen“ hervorrufen, erklärt die Sprecherin des Polizeipräsidiums Mannheim, Sabine Abeln. „Wir wünschen uns deshalb, dass entsprechende Gedenkveranstaltungen mit Rücksicht auf die Betroffenen und Angehörigen pietätvoll durchgeführt werden, auch im Hinblick auf den gewählten Veranstaltungsort.“ Zum jetzigen Zeitpunkt der Debatte ungewohnt deutliche Worte aus dem Präsidium.

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Man nehme die Ankündigung der Versammlung „mit großer Sorge zur Kenntnis“ und beobachte Gespräche und Entwicklung „sehr aufmerksam“, sagt auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Mannheim, Thomas Mohr. Der 31. Mai gehöre dem „würdevollen Gedenken“ an Rouven Laur. „Die Würde des Gedenkens an unseren getöteten Kollegen darf durch nichts relativiert oder missbraucht werden“, erklärt Mohr. Er vertraue darauf, dass mit „gebotener Sensibilität und Sorgfalt“ geprüft werde, ob und in welchem Rahmen eine solche Veranstaltung stattfinden könne. „Jede Instrumentalisierung dieses Tages für politische oder ideologische Zwecke – egal aus welcher Richtung – lehnen wir entschieden ab.“

Zuvor hatte bereits der stellvertretende Bundesvorsitzende und Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, die Pläne scharf kritisiert. „Es widert mich an, wie das Gedenken an unseren geschätzten Kollegen hier missbraucht wird“, hatte er den „Stuttgarter Nachrichten“ gesagt. „Aus dem Leid, der Trauer und dem Gedenken an einen auf schreckliche Art ermordeten Polizisten politisches Kapital ziehen zu wollen, ist ehrlos und verabscheuungswürdig.“

Sulaiman A. muss sich derzeit vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim für das Attentat vom 31. Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz veranworten. © MM

„Pax Europa“ lässt am Montag und Dienstag, an dem in Stammheim ein weiterer Verhandlungstag anstand, Anfragen dieser Redaktion dazu unbeantwortet. Der „Mannheimer Morgen“ hatte unter anderem gefragt, wie die Gruppe die Wahl von Ort und Zeitpunkt – insbesondere vor dem Hintergrund der Vorwürfe, das Gedenken werde dadurch instrumentalisiert – rechtfertigt; ob es dazu Gespräche mit Rouven Laurs Angehörigen und der Polizei gegeben hat; oder wie die Veranstaltung ablaufen soll. Auch die Fragen, wie der Sorge begegnet wird, dass die Veranstaltung als Provokation aufgefasst werden könnte, und wie man auf Kritik von Polizeigewerkschaften reagiert, blieben unbeantwortet.

Nach dem Attentat auf dem Mannheimer Marktplatz hatte es bereits mehrere Demonstrationen gegeben

Debatten über Versammlungen hatte es auch unmittelbar nach dem Anschlag gegeben und das eigentliche Gedenken in den Hintergrund gerückt. Bereits zwei Tage nach dem Attentat hatte die Junge Alternative, die inzwischen aufgelöste Jugendorganisation der AfD, auf dem Marktplatz demonstriert. Eine Gegenkundgebung und eine nicht angemeldete Demonstration einer Antifa-Gruppe sorgten wenige Stunden vor dem Tod Rouven Laurs für eine hitzige Atmosphäre auf dem Platz.

Kommentar Mannheimer Marktplatz: Geplante Mahnwache von Pax Europa ist pietätlos!

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Sebastian Koch
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Eine Woche nach dem Anschlag wollte die Bundes-AfD auf dem Marktplatz demonstrieren. Die Stadt hatte den Marktplatz zuvor – und unmittelbar nach einer großen Gedenkfeier – zu einem temporären Gedenkort erklärt, auf dem zwei Wochen lang Versammlungen verboten waren. Die AfD hatte die Auflage erteilt bekommen, auf den Paradeplatz auszuweichen. Nachdem das Verwaltungsgericht diese Auflage zunächst gekippt hatte, entschied der Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz, dass die AfD ausweichen muss: Denn würde sich im Nachhinein herausstellen, dass die Kundgebung auf dem Marktplatz das postmortale Persönlichkeitsrecht Rouven Laurs verletzen, „wäre dieser Schaden nicht wiedergutzumachen“, hieß es. Auch wenn in der Kürze der Zeit lediglich Folgen abgewogen wurden und nicht die Auflage an sich beurteilt wurde, hatte die Verwaltung damit ihr Ziel erreicht.

Die Würde des Gedenkens an unseren getöteten Kollegen darf durch nichts relativiert oder missbraucht werden.“
Thomas Mohr Vorsitzender der GdP Mannheim

Ob die Verwaltung Ähnliches auch nun anstrebt, ist zweieinhalb Wochen vor dem Jahrestag noch offen. Eine Gedenkstätte, auf der Versammlungen verboten sind, wird der Marktplatz am 31. Mai 2025 im juristischen Sinne wohl nicht sein. Schließlich findet am Nachmittag dort ja die städtische Gedenkveranstaltung statt.

Im Zusammenhang mit einer geplanten Versammlung propalästinensischer Gruppen am 7. Oktober 2024 hatte die Stadt die Auflage erteilt, dass diese an einem anderen Tag stattfinden müsse. Die Organisatoren bemühten daraufhin mehrere Instanzen. Zuletzt lehnte das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag ab. Zuvor hatte der VGH abgewogen, dass die Versammlung auch an einem anderen Tag stattfinden könne, weil sich das Motto „76 Years of Occupation“ nicht auf ein konkretes Datum beziehe.

Das scheint beim Motto der angemeldeten Mahnwache augenscheinlich anders zu sein. Das bezieht sich ausdrücklich auf den 31. Mai 2024 – auf den Tag, an dem Rouven Laur getötet wurde.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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