Mannheim. Ein paar Handgriffe fehlen noch, dann ist er fertig: der Stein, der am 31. Mai auf dem Marktplatz zum Gedenken an Rouven Laur enthüllen werden soll. Zur Erinnerung an jenen Mannheimer Polizisten, der an diesem Tag vor einem Jahr bei einem Attentat hinterrücks niedergestochen worden ist und zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Noch liegt die Platte auf einem Tisch in der Werkstatt von Detlef Kleineidam. In ein paar Tagen aber soll der schwarze Stein an der Stelle auf dem Platz eingelassen werden, an der Rouven Laur getötet worden ist. Die Enthüllung werde auch für ihn ein „sehr emotionaler Moment“, sagt der Steinmetz aus Ilvesheim.
Dabei ist der Tod eigentlich ein ständiger Begleiter von Kleineidam. Im Garten vor seiner Werkstatt stehen viele Steine, die an Gräber direkt gegenüber auf dem Friedhof erinnern. Namen und Zahlen zieren einige Steine im Garten, andere sind blank. Es gibt welche, die mit Mustern gestaltet sind, andere schauen für den Laien fast noch unberührt aus. Nahezu jeden Tag arbeitet der Steinmetz an Kunstwerken, die an Verstorbene erinnern sollen. Grabsteine – oder, wie Kleineidam sie nennt: Grabdenkmäler. „Stell dich vor ein Grab, und denk mal darüber nach, wer da liegen könnte und was du für eine Beziehung zum Verstorbenen oder der Verstorbenen hattest.“ Und doch ist die kleine Steinplatte, die nun vor ihm liegt, ein besonderes Werk.
30 x 18,5 Zentimeter sollen an Mannheimer Polizisten Rouven Laur erinnern
An einem Abend vor vielen Monaten hat Kleineidam die provisorische Gedenkstätte am Marktplatz besucht. Das Attentat habe ihn schockiert, sagt er. Der Umgang mit Rouven Laurs Tod fühlt sich anders an als der mit einer natürlichen Ursache. „Das war ein Attentat, das war ein Mord“, sagt Kleineidam.
Am Gitter des Marktplatzdenkmals, an dessen Restaurierung Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre er damals noch als Lehrling mitgeholfen hat, entdeckt er den Zettel, auf dem die Stadt über die geplante dauerhafte Gedenkstätte informiert. Kurzerhand schlägt der Steinmetz der Verwaltung vor, dass die Innung doch die Gestaltung der Gedenkplatte übernehmen kann. Das sei schließlich ureigenes Handwerk des Berufsstandes. „Mich hat beeindruckt, wie schnell und unkompliziert die Stadt uns grünes Licht gegeben hat“, sagt Kleineidam, der Obermeister der Steinmetz- und Bildhauerinnung Mannheim-Heidelberg-Rhein-Neckar-Kreis ist. Überhaupt sei Oberbürgermeister Christian Specht auch während Maimarkts mit Gästen auffallend oft an seinen Stand gekommen und habe dort über die Gedenkplatte berichtet. „Er steht voll hinter den Plänen“, sagt Kleineidam.
Die erste Idee aber, die Platte im Blau der Polizeiuniform zu gestalten, verwirft der Steinmetz wieder. Es gibt kaum blaue Natursteine – und die, die es gibt, sind entweder zu grau oder zu knallig. Petra Laur, die Mutter des getöteten Polizisten, schlägt stattdessen eine neutrale Farbe vor. Kleineidam nutzt nun einen Basalt aus Schweden. Die 30 Zentimeter lange und 18,5 Zentimeter breite Platte ist schwarz und nicht größer als ein DIN A4-Blatt.
Gedenkstein auf dem Mannheimer Marktplatz soll am 31. Mai enthüllt werden
Entgegen erster Berichte sollen weder Name noch Datum auf dem Stein stehen. Er teile die Ansicht Petra Laurs, dass der Name auf einer Gedenkplatte auf dem Boden wenig geeignet sei, sagt Kleineidam. „Ein Gedenken an einen Ermordeten kann nicht funktionieren, wenn man von oben auf ihn herabschaut oder mit Füßen auf seinen Namen tritt. Das ist nicht meine Form von Gedenken.“
Stattdessen verklebt und verdübelt der Steinmetz in den nächsten Tagen jene drei silbernen Sterne aus Edelstahl in den Stein, die noch lose auf ihm liegen. Sie sollen für Rouven Laurs Rang als Hauptkommissar stehen sowie Ehrgeiz und Erfolg des nur 29 Jahre alt gewordenen Polizisten symbolisieren. Noch ist die Platte aber mit einer sogenannten Strahlfolie beklebt, aus der die drei Flächen ausgeschnitten sind, in denen die Sterne eingelassen werden. Die Folie hält den Quarzsand ab, der dadurch nur die Bereiche der Sterne in den Stein einstrahlt, erklärt der Steinmetz. In diese Vertiefungen werden dann – eben mit der Oberfläche – die Symbole eingedübelt und verklebt. „Die Sterne dürfen nicht herausstehen, damit keine Stolperfallen entstehen.“
Der Gedenkstein wird am 31. Mai im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für Rouven Laur enthüllt. Wie ein Sprecher von Oberbürgermeister Specht erklärt, ruft die Stadt am Jahrestag des Attentats ab 15 Uhr zu Toleranz und Vielfalt auf. Unter anderem soll das Landespolizeiorchester spielen, auch Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) wird erwartet. Neben dem Stein soll eine Tafel über das Attentat, Rouven Laur und die persönlichen Werte, die er vertreten hat, informieren. Der Text sei in „enger Abstimmung mit der Familie entstanden“, heißt es.
Familie sowie Kolleginnen und Kollegen beschreiben Rouven Laur als charismatischen und kompetenten Polizisten. Als einer, der auf Menschen zugegangen ist, weltoffen und tolerant war. Laur hat Arabisch gelernt, um sich mit Zugewanderten besser verständigen zu können. Der 29-Jährige soll ein Teamplayer gewesen sein.
Auch die Platte, die nun an ihn erinnern soll, ist im Team entstanden. Die Innung spendet den Stein, der in seiner ursprünglichen Form von der Odenwälder Firma Eichhorn & Walter gestellt worden ist. Der Ilvesheimer Steinmetz arbeitet mit seinem Kollegen Günter Fath an dem Denkmal. Eine 17-Jährige, die ihre Lehre macht, komplettiert das Trio. So wie er heute noch von seiner Arbeit als Lehrling am Marktplatzdenkmal erzählt, soll auch die Jugendliche „später einmal erzählen können, dass sie dabei war, als wir die Platte gebaut haben“, sagt Kleineidam.
So wird die Gedenkplatte zur Teamarbeit – und ist eine Form der Nachwuchsförderung. Nach allem, was man weiß, Umstände, die Rouven Laur sicher gut gefallen hätten.
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