Mannheim. 247 Millionen Euro sind aktuell für die Sanierung des Nationaltheaters veranschlagt - plus 40 Millionen Euro für das Probebühnenzentrum in Neckarau und knapp 34 Millionen Euro für Ersatzspielstätten. Aber das Mammutprojekt verzögert sich. Welche Auswirkungen das auf die Kosten hat, lässt sich noch nicht absehen. Gleichzeitig verteuert sich die Fertigstellung der Ersatzspielstätte „Oper am Luisenpark“ (OPAL) nach der Insolvenz des Bauträgers um mehr als sechs Millionen Euro. Der „Mannheimer Morgen“ hat den drei Kandidaten und der Kandidatin, die von mehr als einem Mitglied des Gemeinderats unterstützt werden, drei Fragen rund um diese Entwicklungen gestellt.
Wer soll die Kosten tragen?
Die wichtigste Frage in Zeiten belasteter Haushalte und kleinen finanziellen Spielräumen in kommunalen Kassen: Wie sollen zusätzliche Kosten finanziert werden? Da will Isabell Belser das Land stärker in die Pflicht nehmen. „Auch wenn das Nationaltheater ein kommunales Theater ist, ist es nicht nachvollziehbar, dass das Land nur 40 Millionen Euro zur Sanierung beisteuert“, rechnet die Kandidatin der Linkspartei, die auch von Tierschutzpartei und Klimaliste unterstützt wird, vor: Bei 247 Millionen Euro sind das mehr 16 Prozent der gesamten Sanierungskosten. Ihr Gegenbeispiel ist die Stuttgarter Staatsoper, die bei „deutlich höheren Kosten“ aber zur Hälfte finanziert werde. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Land mindestens 25 Prozent der Sanierungskosten des Nationaltheaters übernimmt“, sagt sie.
Belsers zweiter Punkt, den auch schon Grünen-Kandidat Raymond Fojkar beim „MM“-Stadtgespräch Ende Mai aufgeworfen hatte: die stärkere finanzielle Unterstützung durch Spenden. Fojkar sagte damals, er würde Klinken putzen gehen, um Geld einzutreiben. Das erneuert er nun. Es sei auch Aufgabe des künftigen Stadtoberhaupts, die Begeisterung für das kommunale Nationaltheater „insbesondere bei finanzstarken Mäzeninnen und Mäzenen erneut zu entfachen“, um dadurch eine „beträchtliche Spendensumme“ einzuwerben. Die Leitung des NTM müsse „in einer solch angespannten Lage“ außerdem alle Möglichkeiten eruieren „und auch über Qualitätsstandards, Einspar- sowie auch zusätzliche Einnahme- und Kooperationsmöglichkeiten“ nachdenken, befindet Fojkar. Steigende Kosten allein dem Eigenbetrieb Nationaltheater, der die Sanierung bereits über Kredite schultert, oder dem städtischen Haushalt aufzubürden sei dagegen nicht machbar, erklärt Belser.
Laufen die Kosten aus dem Ruder?
SPD-Kandidat Thorsten Riehle sieht das nicht ganz so: „Das NTM selbst muss diese Kosten abbilden, eine zusätzliche Finanzierung über den städtischen Haushalt sehe ich nicht.“ Christian Specht weicht der Frage aus, spricht von engen Spielräumen. Aber: „Ich bin allerdings nicht bereit, unkontrollierte Kostensteigerungen zu akzeptieren“, sagt der Kandidat der CDU, der auch von Mannheimer Liste und FDP unterstützt wird.
Nur stellt sich die Frage: Wie lassen die sich verhindern? „Wir brauchen ein rigoroses und engmaschiges Controlling über die Kostenentwicklung und den Sanierungsfortschritt“, erklärt Specht. „Ich werde hier als Oberbürgermeister sehr unangenehm sein und den Finanzdezernenten dabei unterstützen, absolute Kostendisziplin durchzusetzen.“ Für ihn sei es am wichtigsten, weitere Kostensteigerungen durch Einsparungen an anderer Stelle der Generalsanierung aufzufangen.
Das sehen auch seine Kontrahenten so. Zwar, sagt Riehle, seien die Änderungen im Einzelnen nachvollziehbar. Dennoch sei es wichtig, den Kostenrahmen und den Zeitplan eng zu überwachen. „Ich erwarte, dass geprüft wird, ob Möglichkeiten für einen finanziellen Ausgleich durch Einsparungen vorhanden sind“, wird er deutlich.
Fojkar will der künftigen Bauleitung eine „effektive und transparente Projektbegleitung an die Seite stellen“, sagt er. Die solle das Projekt bei Zeitplan und Kosten sowie Alternativen und Einsparpotenzialen in enger Kommunikation mit der Stadtspitze und dem Gemeinderat steuern. „Die Gefahr, immer wieder in alternativlose Entscheidungen gezwungen zu werden, muss endgültig gebannt werden.“ Belser will die Kosten neu überprüfen lassen. Bauabläufe müssten eventuell neu abgestimmt werden, um Kosten und Zeit einzusparen.
Chance für die Stadtteile?
Sie und Riehle haben klare Vorstellungen, was die Ersatzspielstätten angeht - auch da müsse gespart werden. So schlägt die Linke vor, dass Vorstellungen in kostengünstigeren Räumen im Stadtgebiet stattfinden sollten, etwa in den Kulturhäusern in den Stadtteilen. Sozialdemokrat Riehle stimmt zu und wünscht sich, dass die Stadtteile etwa von Konzerten und kleineren Opernproduktionen profitieren. „Das wäre eine Chance, noch mehr an die Menschen heranzurücken, die eher fern der Oper sind.“ So könne man die Sichtbarkeit der Oper in der Stadt erhöhen. Und weiter: „Wichtig ist mir, dass, sobald OPAL fertiggestellt ist, alle anderen Ersatzspielstätten für die Oper auf das maximal Notwendige zurückgeführt werden.“
Bleibt die Frage, mit welchen Kostensteigerungen bei der Sanierung des Nationaltheaters gerechnet werden muss. Herr Riehle? „Das lässt sich schwer beziffern, wie ja gerade die aktuelle Situation wieder zeigt. Insofern sind jegliche Zahlen, die genannt werden, reine Spekulation.“ Für Specht komme es darauf an, wie viele weitere unerwartete Komplikationen auftreten, wie aktuell etwa der Fund der Schadstoffe oder die Insolvenz des Unternehmens für die Ersatzspielstätte OPAL. „Meiner Einschätzung nach halten sich die derzeit leider üblichen Baukostensteigerungen noch weitgehend in Grenzen“, sagt er.
Einen genauen Betrag zu nennen, hält auch Isabell Belser für unseriös. Aber sie wird konkreter: Die bislang aufgerufenen Zahlen seien „sicherlich nicht mehr zu halten“. Eine Kostensteigerung um 40 Prozent wie bei OPAL sei zu vermuten, allein für die Sanierung des NTM-Gebäudes am Goetheplatz „werden sicherlich deutlich mehr als 300 Millionen Euro anfallen, was noch vorsichtig geschätzt ist“.
Ist eine Aufarbeitung notwendig?
Und ein weiteres Mal bringt Belser das Beispiel der Stuttgarter Staatsoper. Für deren Sanierung seien 550 Millionen Euro angesetzt gewesen, nach einer vertieften Planung bereits mehr als eine Milliarde Euro. Mittlerweile werde sogar eine weitere Verdopplung nicht ausgeschlossen. „Eine solche Vervielfachung der Kosten wird in Mannheim aber hoffentlich nicht eintreten.“
Fojkar rechnet mit jedem Jahr bis zur geplanten Wiedereröffnung inflationsbedingt mit sieben bis zehn Millionen Euro an „erwartbaren Mehrkosten“ - bis 2028 also 28 bis 40 Millionen Euro. Seiner Meinung nach würden diese Mehrkosten auch mit einem möglichen Verkauf der OPAL kaum zu refinanzieren sein. Außerdem glaubt der Grüne nicht daran, dass aus dem Insolvenzverfahren der bisherigen Bauträgergesellschaft Einnahmen zu erwarten sind. Als Oberbürgermeister wolle er schon aus Transparenzgründen eine „unbedingt notwendige“ Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten auf den Weg bringen. Dabei solle auch geklärt werden, warum keine Versicherung gegen das Insolvenzrisiko des Bauträgers abgeschlossen wurde.
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